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WÜRZBURG/AUGSBURG
Weltbild-Mitarbeiter demonstrieren vor Bischofskonferenz
Tilmann Toepfer
Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:22 Uhr
„Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut!“ Knapp 100 Beschäftigte der insolventen Verlagsgruppe Weltbild waren am Montagmorgen aus Augsburg angereist und schleuderten den deutschen Bischöfen ihren Protest entgegen, als die in durchweg schweren Limousinen in Würzburg eintrafen. Vor Beginn der Sitzung des Ständigen Rats der Deutschen Bischofskonferenz im Kloster Himmelspforten traten dann der Münchner Kardinal Reinhard Marx und der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa vor die Demonstranten und bekannten sich zur Mitverantwortung der Bistümer, denen der Verlag direkt oder indirekt gehört.
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Es war so etwas wie ein kleiner Gang nach Canossa, den Marx und Zdarsa antraten. Mit Spruchbändern und Transparenten „bewaffnet“ warteten frustrierte und wütende Weltbild-Beschäftigte mit Betriebsratsvorsitzendem Peter Fitz an der Spitze auf die, die aus ihrer Sicht die 2200 Augsburger Mitarbeiter der insolventen Weltbild GmbH kaltherzig im Stich gelassen haben. Die kirchlichen Würdenträger hatten sich Anfang Januar geweigert, Weltbild mit 135 Millionen Euro vor der Insolvenz zu bewahren.

Kardinal Marx äußerte Verständnis für die Wut der Demonstranten und deren Sorge um den Arbeitsplatz: „Das berührt und bewegt uns“, sagte er. Das Wichtigste für die Zukunft der Arbeitsplätze sei es jetzt „dafür zu sorgen, dass die Geschäfte weitergehen“. Der Augsburger Bischof Zdarsa sprach sich dagegen aus, Filetstücke des Unternehmens zu veräußern. Ziel sei, das Unternehmen als Ganzes zu erhalten.

Bei der Sitzung der Bischöfe am Montag ging es unter anderem darum, ob die Anteilseigner 65 Millionen Euro bereitstellen, um damit die Arbeitsplätze bei Weltbild zu erhalten. Marx und Zdarsa bekräftigten das. Auf Nachfrage, ob der Betrag doch höher ausfallen könnte, antwortete Marx ausweichend.

Offenbar gibt es auch Zwist darüber, welche Diözesen sich in welcher Höhe an der Rettungsaktion beteiligen sollen. Im Vorfeld des Treffens hatten sich die Bistümer München-Freising und Augsburg bereit erklärt, Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz kurzfristig Kredite von 20 beziehungsweise 15 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Von ihren „Mitbrüdern“ fordern sie nun die zumindest teilweise Refinanzierung.

Die Weltbild-Arbeitnehmer in Augsburg und ihre Vertreter befürchten auch, dass das Geld nicht zum Erhalt ihrer Arbeitsplätze ausgegeben werden soll, sondern für eine strategische Neuausrichtung. Irritiert zeigten sie sich über Meldungen, dass ein großer Teil der zugesagten 35 Millionen aus München und Augsburg an die Buchhandelskette Hugendubel gehen soll, die zahlreiche Filialen gemeinsam mit Weltbild betreibt.

Auch das Thema Vergangenheitsbewältigung ließ sich nicht vermeiden beim morgendlichen Aufeinandertreffen vor dem Haupteingang des Exerzitienhauses Himmelspforten. Der Augsburger Bischof Zdarsa versuchte, der früheren Geschäftsführung die Verantwortung für eine Strategie zuzuschieben, „die das Unternehmen nicht vorangebracht hat“. Ver.di-Sekretär Thomas Gürlebeck konterte mit der Äußerung, der Aufsichtsrat sei das Kontrollgremium. Beim Tendenzbetrieb Weltbild sind keine Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, das Gremium besteht aus hochrangigen Vertretern der Diözesen. Bis Ende 2011 war der frühere Finanzchef der Diözese Würzburg, Adolf Bauer, stellvertretender Aufsichtsratschef.

Die Arbeitnehmervertreter bei Weltbild kündigten weitere Aktionen im Laufe der „Solidaritätswoche“ an. Zum Abschluss ist eine Kundgebung bei der Bundesligapartie FC Augsburg gegen Werder Bremen am Samstag geplant.
 
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Kommentare
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    ist das richtige Stichwort zum Thema.
    Falls die Gesellschafter dem Insolvenzverwalter diesen Massekredit nicht zur verfügung stellen, dann darf der Insolvenzverwalter die Geschäfte des Weltbild Verlags nicht weiterführen weil Masseunzulänglichkeit vorliegt. Er müsste dann sofort jede Geschäftstätigkeit einstellen um sich nicht strafbar zu machen. Ein Insolvenzverfahren würde mangels Masse abgelehnt.
    Die Bischöfe als Gesellschafter haben also einen richtig großen Gang nach Canossa gehen müssen.
    Es geht bei diesem Kredit nur darum überhaupt ein Insolvenzverfahren zu ermöglichen. Damit es zu so einer Situation kommen kann müssen Geschäftsführung und Gesellschafter die Firma schon gründlich ruiniert haben.
    Die Arbeitnehmer haben von dem Massekredit nichts ausser einer vagen Chance . Die drei Monatsgehälter Insolvenzgeld zahlt die Bundesanstalt für Arbeit, zu 50% von den Arbeitnehmern selbst finanziert.
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