
Dieter Mahsberg, Zoologe an der Würzburger Universität, kennt sich mit den Insekten aus – nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch, weil er jetzt selbst unter den Stechmücken leidet.
Denn im Sommer kann man sich ihnen fast nicht entziehen. Manche Menschen sind allerdings für die Blutsauger attraktiver als andere. Der Volksmund spricht vom süßen Blut, das die Mücken lockt.
Mahsberg lacht. „Nein, damit hat das gar nichts zu tun!“ Die Mücke probiert nicht das Blut eines Menschen, bevor sie sticht. „Das wäre zu aufwendig“, sagt Mahsberg. Denn eine Stechmücke nimmt den Schluck ihres Lebens ja in Todesgefahr.
Sie weiß deshalb schon beim Anflug, wo es sich für sie lohnt, das Risiko auf sich zu nehmen, erschlagen zu werden, wenn sie sich auf der Haut niederlässt und zusticht. Mit ihren feinfühligen Antennen erspürt sie aus der Entfernung die Qualität unseres Blutes als Nahrung.
Die Chemie auf der Hautoberfläche, wie die Zusammensetzung bestimmter Fettsäuren und der Kohlendioxidanteil in der Atemluft der Nahrungslieferanten, weisen den Mücken den Weg, erklärt Mahsberg. Dieser individuelle Körpergeruch liegt in unseren Genen, fanden jetzt britische Wissenschaftler heraus.
Sie untersuchten, wie Ägyptische Tigermücken, die Viren übertragen, die das häufig tödlich verlaufende Denguefieber hervorrufen können, auf den Körpergeruch von eineiigen und zweieiigen Zwillingen reagieren. Die Forscher unter der Leitung von James Logan von der London School of Hygiene and Tropical Medicine fanden heraus, dass eineiige Zwillinge sich nicht nur in Aussehen und Fähigkeiten stark ähneln, sondern auch in ihrer Attraktivität für Mücken. An der Studie nahmen insgesamt knapp 40 Zwillingspaare teil.
Welche Gene die Anziehungskraft des Körpergeruchs bestimmen, muss nun durch vergleichende Erbgutanalysen erforscht werden. Die Wissenschaftler vermuten, dass im Körper mancher Menschen Stoffe produziert werden, die sie vor Mückenstichen schützen. Im Laufe der Evolution könnte sich so eine Abwehr gegen die Übertragung von manchen Infektionen durch Insekten entwickelt haben.
Das medizinische Interesse sei der wichtigste Grund für die Mücken-Forschung, sagt Mahsberg. Manche Arten übertragen gefährliche Krankheiten wie Malaria oder eben Dengue- und Gelbfieber. Auf der Suche nach Mitteln zur Vorbeugung der Krankheiten seien die wichtigsten wissenschaftlichen Fragen: Was lockt die Insekten? Wie lassen sie sich abhalten?
Über Ideen, Knoblauch- oder Biergenuss könnten Mücken davon abschrecken zuzustechen, amüsiert sich der Würzburger Zoologe. Der Alkohol im Bier kann die Körpertemperatur erhöhen, die Verdunstung von Duftstoffen steigern, den Schweißgeruch verstärken und Menschen eher attraktiver für Stechmücken machen. Und Knoblauch stinkt vielleicht so manchem menschlichen Zeitgenossen, Mücken lassen sich davon aber nicht in die Irre führen. Zumindest ließ sich ein abschreckender Effekt der menschlichen Ernährung auf bluthungrige Stechmücken nicht wissenschaftlich nachweisen.
Ein Mittel zum Einnehmen, das den körperlichen Substanzen entspricht, die Menschenhaut für Mücken uninteressant macht, möchten die britischen Forscher nun finden. Eine Pille gegen die Insektenangriffe? Wird da nicht buchstäblich aus der Mücke ein Elefant gemacht? „Ein Mittel, das für uns Menschen unschädlich ist, wäre ein echter Gewinn“, sagt Mahsberg. Er denkt dabei freilich nicht an die gemeine Stechmücke, die in lauen Sommernächten nervt und am Main, an Tümpeln und Pfützen ihr lästiges, aber ungefährliches Wesen treibt, sondern an die tropischen und subtropischen Überträger von Krankheiten. Medikamente zur Vorbeugung der Infektion hätten manchmal starke Nebenwirkungen für Menschen.
Allerdings sei die beste Methode, Pusteln, Juckreiz oder Krankheiten nach Mückenstichen zu vermeiden, am Main und in den Tropen dieselbe: Stiche mit Hilfe von Kleidung und Moskitonetzen vermeiden. Mit Insektiziden imprägnierte Netze, die in afrikanischen Malariagebieten an Mütter mit kleinen Kindern verteilt wurden, hätten die Krankheit regional schon zurückgedrängt, so Mahsberg. Und wenn die Lebensumstände der Menschen dort verbessert würden, hätte die Malaria noch einmal weniger Chancen.
Zwar gab es im europäischen Mittelmeerraum schon Fälle von Denguefieber, und das Verbreitungsgebiet erweitert sich nach Norden. „Aber bei uns ist das zum Glück noch kein Thema“, sagt Mahsberg. Malaria gab es bis Mitte des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa. Da sie nicht durch Viren wie das Denguefieber, sondern durch einzellige Parasiten mit einem komplizierten Lebenszyklus ausgelöst wird, die viel schwieriger übertragen werden können, fürchtet Mahsberg so bald keine neue Epidemie in unseren Breiten. Die Wahrscheinlichkeit, vom Auto überfahren zu werden, sei für Franken zwischen Mellrichstadt und Röttingen wesentlich größer, als von einer Mücke eine Krankheit übertragen zu bekommen. „Also keine Panik“, sagt Mahsberg.
Nach der Entdeckung, dass es Menschen in den Genen liegt, ob sie von Mücken angeflogen werden, sei es nun eine besondere Herausforderung für die Wissenschaft, Schutzmittel zu finden, die nicht schnell von den Insekten wieder unterlaufen werden könnten, so der Zoologe. „Denn Stechmücken sind evolutionär gesehen unglaublich clevere Viecher.“ Sie können sich schnell auf neue Gegebenheiten einstellen.
Wie sich die Insekten wandeln und verbreiten, erforscht ein Mückenmonitoring in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Robert-Koch-Instituts, das sich um die Vorbeugung und Bekämpfung von Krankheiten kümmert, erforschen das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Müncheberg) und das Friedrich-Loeffler-Institut (Greifswald) die Verbreitung einheimischer Stechmückenarten. Die beiden Forschungseinrichtungen sind darauf angewiesen, dass sich Hobbyforscher beteiligen und Mücken einschicken (nähere Informationen im Internet unter: www.mueckenatlas.de). Der Hintergrund: „Wir haben einigermaßen gute Kenntnisse über tropische Mückenarten, aber über die Lebensweise der einheimischen Arten sind sie spärlich“, sagt Mahsberg.
Was die Wissenschaft auf jeden Fall weiß: „Nachts ärgern uns nur die Weibchen“, so der Zoologe. Nur sie brauchen nämlich eine kräftige Blutmahlzeit, damit die befruchteten Eier reifen können. Die Männchen ernähren sich in ihrem kurzen Mückenleben von Blütennektar, oder sie fasten.
Wenn Menschen von Mücken gemieden werden, heißt das nicht zwangsläufig, dass auch andere Insekten kein Interesse an ihnen haben. Stechmücken haben Mundwerkzeuge zum Saugen. Ihr Ziel ist es, sich zu ernähren. Andere summende Insekten, die Menschen ab und zu als lästig empfinden, beispielsweise Wespen oder Hornissen, haben hingegen einen Wehrstachel. Wenn diese Tiere um manche Menschen einen Bogen machen, liege das nicht an der Chemie auf der Haut, sondern an der Gelassenheit, mit der die Menschen den Insekten begegnen. Im Gegensatz zu Mücken hätten Bienen und Wespen gar kein Interesse, uns zu stechen, sagt Dieter Mahsberg.
Was tun gegen Mücken?
Wer Mücken im Garten als Plage empfindet, sollte ihre Lebensräume austrocknen. Sie können sich nämlich in Kleinstgewässern entwickeln, sagt der Würzburger Zoologe Dieter Mahsberg. Das können vergessene, gefüllte Gießkannen oder alte Blechbüchsen mit abgestandenem Wasser voller Algen sein. Wer die Gefäße leert und Regentonnen abdeckt, hat schon einiges gegen die Mückenplage getan. Wer einen Gartenteich besitzt, sollte wissen, dass auch der ein Brutgewässer für Mücken sein kann – es sei denn Molche und Libellen leben dort und vertilgen die Mückenlarven, so der Wissenschaftler.
Unterwegs in Afrika setzt Mahsberg gegen Mückenstiche vor allem auf ein Mittel: In der kritischen Flugphase in der Dämmerung schützt er sich mit langärmligem Hemd, langer Hose und Strümpfen. Nachts schläft er unter einem Moskitonetz. So ein Netz hilft auch gegen Mücken in Franken. Darüber hinaus verteilt der Zoologe abends etwas Pfefferminzöl auf Haut und Haaren.
Hausmittel gegen die Blutsauger kennt wohl jeder. Hier ein paar zum Testen: Gärtner empfehlen, Tomaten und Basilikum zur Duftverwirrung in Blumenkästen an Fenstern und Balkon zu pflanzen. Auf jeden Fall bereichert das die Küche. Andere schwören auf Pflanzenöle einzeln oder als Mischung auf der Haut verteilt. Geeignet sollen Zitronen-, Eukalyptus-, Lavendel-, Zeder- und Gewürznelkenöl sein. Wer sich schon mit Juckreiz plagt, kann die Stiche mit Zitronensaft, zerquetschten Spitzwegerichblättern, Zwiebelsaft oder Essig einreiben.