Exakt 4,5 Grad Celsius hatte es laut wetter.net am Mittwochmorgen auf der Wasserkuppe. So kalt war es seit Beginn der Aufzeichnungen auf dem höchsten Berg der Rhön im August noch nie. Der bisherige Tiefsttemperatur-Rekord für den letzten Sommermonat stammte mit 4,8 Grad aus dem Jahr 1960. Im 950 Meter hoch gelegenen Berghotel „Peterchens Mondfahrt“ hat man schon mal Feuerholz für den Kamin bereit gelegt. „Viel fehlt nicht mehr“, heißt es mit Blick auf die nächsten Tage.
Der Sommer 2014 scheint jäh beendet. Im Südwesten und Süden Deutschlands, schreibt wetter.net, sei die Wetterlage „wie geschaffen für besonders kühle Nächte und Morgenstunden“. Die Luft über dem Erdboden könne für diese Jahreszeit außergewöhnlich kalt werden. Zur Erinnerung: Vor zwei Jahren herrschten in Deutschland im letzten August-Drittel Temperaturen von bis zu 38 Grad – gute 20 Grad mehr als derzeit.
Schuld an den niedrigen Temperaturen ist Ex-Hurrikan „Bertha“. Durch ihn sei der bis Anfang August bei uns herrschende Tropensommer mit schwüler Luft und heftigen Gewittern plötzlich „wie abgeschaltet“, formuliert es wetter.net-Experte Dominik Jung. „Bertha“ war Anfang August in der Karibik gestartet und erreichte am vergangenen Wochenende als Sturmtief Europa – für August eine, so Jung, ungewöhnliche Wetter-„Rarität“. Im Gefolge verdrängte Tief „Bertha“ das lange vorherrschende skandinavische Hoch nach Osten – und sorgte so für den massiven Wetterumschwung. Statt aus dem warmen Süden komme die Luft nun aus nordwestlicher Richtung. Die Folge: Am Donnerstag war es in Teilen Nordnorwegens wärmer als bei uns.
Urlauber aus Bayern treffen die herbstlichen Temperaturen besonders hart; die Sommerferien dauern noch dreieinhalb Wochen. Doch fürs Badengehen ist es vielen derzeit zu kalt – bis auf eine Ausnahme. Im Freibad Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) freut man sich über steigende Besucherzahlen, „die kommen von weit her zu uns“, sagt Mitarbeiterin Heike Maselli. Der Grund: Das Wasser wird mit der Abwärme des benachbarten Zementwerks auf 26,5 Grad gehalten.
Wärme tut nun mal gut, sagt Dr. Christian Potrawa, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes Würzburg und Umgebung. „Solche Wetterlagen wie aktuell sind nicht unbedingt gut für unsere Gesundheit“. Starke Veränderungen des Luftdrucks wie zuletzt seien etwa in Gelenken und Kapseln spürbar. Und wer sich jetzt nicht vernünftig anziehe, könne sich schnell eine Erkältung oder Nebenhöhlenentzündungen einfangen. Zudem würden Menschen, die zu einer gewissen Trübsinnigkeit neigen, unter dem derzeitigen Wetter leiden; „das Lebensgefühl“, so Potrawa, „wird dadurch nicht besser“.
An Wärme und damit ans Thema Heizen, denken plötzlich viele – und prompt schnellt auch die Nachfrage nach Heizöl nach oben, meldet der Energie-Informationsdienst (EID). Händler würden daher Verbrauchern empfehlen, sich angesichts des noch relativ günstigen Preisniveaus bereits jetzt für den Winter den Tank zu füllen, „bevor der große Run losgeht“.
Entspannt betrachten Unterfrankens Landwirte die aktuelle Wetterlage. Die Getreideernte sei eingefahren, heißt es beim Bauernverband, und für Rüben und Mais seien die niedrigen Temperaturen sogar gut. Auch beim Fränkischen Weinbauverband bereitet die kühlere Witterung „kein Kopfzerbrechen“. Im Gegenteil: Der allzu schnelle Reifungsprozess der vergangenen Wochen werde durch das kühle Wetter „etwas eingebremst“.
Und wie geht es weiter? Dominik Jung zeigt sich zuversichtlich: „Der Sommer ist noch nicht vorbei“. Nach einem durchwachsenen Wochenende könnte es kommende Woche wieder über 20 Grad haben. Der Hochsommer jedoch, „der ist beendet“.
„Supersommer sind nicht die Regel“
Sven Plöger ist einer der bekanntesten TV-Meteorologen des Landes. Hier erklärt er, was ihn bei der öffentlichen Wahrnehmung des Wetters so irritiert. Da sei zum einen das kollektive Vergessen: Nach zwei oder drei regenreichen Tagen hätten viele Menschen verdrängt, dass es zuvor eine sonnige Woche gegeben habe. Zum anderen irritiere ihn die hohe Erwartungshaltung: 2003 und 2006 hätte Deutschland echte Mittelmeersommer erlebt. Doch wir leben, sagt Plöger, nun mal nicht am Mittelmeer. „Supersommer sind die Ausnahme und nicht die Regel.“ Im Vergleich zu früher ist das Netz der Wetterstationen wesentlich dichter geworden. Dazu kommen größere Rechenkapazitäten der Computer. Wettermodelle und Prognosen seien daher genauer geworden, so Plöger. Nichtsdestotrotz seien bestimmte Wetterkonstellationen nur schwer in den Griff zu bekommen. Sein Beispiel stammt von Anfang August im Harz: In Ilsenburg waren binnen zwei Stunden 60 Liter Regen auf den Quadratmeter gefallen, innerhalb von 24 Stunden gar 90 Liter – so viel wie normal in einem ganzen Monat. Nur wenige Kilometer entfernt aber fielen in Wernigerode innerhalb von 24 Stunden gerade einmal 0,4 Liter Regen. So etwas könne niemand prognostizieren. Text: md