Oben zeichnen Dächer und Türme der mittelalterlichen Stadt Rothenburg ob der Tauber ihre Silhouette in den Himmel. Unten im Tal geht es beschaulich zu. Durch unbeirrbare Natur fließt die Tauber. Da, wo ein Mühlesel als Brückenfigur hinunter in das von Baumgewächs und Heckengestrüpp eingerahmte Flüsschen wiehert, zweigt ein Mühlbach ab. Er plätschert Richtung Steinmühle, eine der nahezu 50 Mühlen, die sich in dem 28 Kilometer langen Tal von der Quelle bis Tauberzell dicht an dicht, wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht, aneinanderreihen und als der „Rothenburger Mühlenweg“ ein Stück Geschichte erzählen.
Wie bei allen Mühlen treibt auch an der Steinmühle der Mühlbach das alte Wasserrad an. Sie ist eine städtisch-bäuerliche Getreidemühle aus dem 13. Jahrhundert, damit eine der ältesten Mühlen Rothenburgs, und war bis 1980 in Betrieb. Hier wohnt Müllermeister Manfred Gundel mit Frau und Familie. Gastfreundlich sind die Müllersleut, lassen einen Blick in ihr stattliches Anwesen zu. Öffnen Tür und Tor, zeigen die „Radstube“, das kleine, ans Hauptgebäude angebaute Häuschen, in dem das Wasserrad in gleichmäßigem Takt seinen ununterbrochenen Dienst tut. Im Winter, wenn Kälte das Wasser in Eis verwandelte, seien die Müllerburschen rausgeschickt worden.
Sie mussten in gefährlicher Aktion das Eis abklopfen, erzählt der Müllermeister, damit das imposante Rad niemals zum Stillstand kommen konnte.
Ohne Unterlass schaufelt es auch heute noch das Wasser. Je weiter man sich von der Straße aus über einen Wiesenweg dem steilgiebeligen, breit gelagerten Wohn- und Gerätehaus und den überwiegend landwirtschaftlichen Gebäuden nähert, die, einer Burg gleich, um einen großen Innenhof angeordnet sind, desto intensiver ist das gleichmäßige Schrappen und Scharren zu hören. Während bis 1980 hier noch Mehl gemahlen wurde, liefert das Mühlrad heute vor allem die Energie für Licht.
Über der Haustür der Steinmühle ist ein Zeichen eingemeißelt. Ein gleiches Steinmetzzeichen sei am Rothenburger Rathaus, erzählt der Müllermeister mit Stolz in der Stimme. Der Mühlstein vor der Eingangstür deutet auf die Verbindung zwischen Wohn- und Mahlbereich hin, die, typisch für die Gegend, unter einem Dach untergebracht sind. Der schwere Stein gehört zu jeder Mühle wie der Eichpfahl, ein Pflock im Wasser, der laut Wasserrecht die erlaubte Höhe des Mühlwassers bestimmt. Mühlsteine waren aus Muschelkalk, Basalt oder Sandstein. Sie mussten nach ein paar Wochen neu geschärft werden, da der Abrieb vor allem beim Sandstein beträchtlich war. Später ersetzten Walzenstühle die Mahlsteine.
Nur ein paar Schritte von der Steinmühle entfernt, jenseits der berühmten Rothenburger Doppelbrücke, liegt die Herrenmühle. Als Wahrzeichen Rothenburgs überspannt die im 14. Jahrhundert aus Muschelkalk errichtete Brücke den Mühlbach der Herrenmühle, die Tauber und den Weg zur Kirche „Unserer lieben Frau zu Koboldzell“. Auch die Herrenmühle mit ihren beiden Eingängen unter demselben Dach – einer für den Wohnbereich, der andere für den Mühlenteil – scheint, wie sie so friedlich daliegt, ein Idyll aus einer anderen Zeit.
Hühner laufen über den Hof, der Hahn plustert sich auf, und Blumen setzen allenthalben Farbkleckse. Alles wirkt leicht und heiter. Dabei war das Müllerhandwerk nicht immer unbeschwert. Sagen und Geschichten wie die berühmte, spannend verfilmte des Müllerburschen „Krabat“ (von Otfried Preußler) erzählen von schwarzer Magie und manchem Unhold, der in den Mühlen sein Unwesen trieb.
Als Getreidemühle war die Herrenmühle bis um 1970 in Betrieb. Bis heute bewegt das Wasserrad die Mühlenmechanik und erzeugt seit 1991 als Kleinkraftwerk Strom. Heute gibt es in der Herrenmühle Pensionszimmer und Ferienwohnungen.
In Sichtweite befindet sich die Lukasröder-mühle, ein Lehen des Deutschen Ordens. Dort wurde der Mühlenbetrieb nach dem Tod des letzten Müllers eingestellt. Sie liegt im Tal, als sei sie aus der Zeit gefallen – wären da nicht Pferdeweiden, Ställe und die Tiere. Ein Relikt, als hier noch Mehl gemahlen wurde, ist die von Tomatenstöcken und Blumen umrankte Eselstreppe. Über ihre flachen Stufen konnten die langohrigen Grautiere das Mehl aus dem ersten Stock der Mühle heruntertragen. In Erinnerung an die tüchtigen Nutztiere in den Mühlen des Taubertals, die bis zu 150 Kilogramm schwere Getreidesäcke tragen mussten, steht die lebendig gestaltete Skulptur eines Esels auf der nahen Brücke.
Tipps zum Weg
Der Taubermühlenweg
Über 50 Mühlen unterschiedlichster Bauart stehen bis heute im Taubertal! Im romantischen Taubertal reiht sich auf dem „Rothenburger Mühlenweg“ Schritt für Schritt eine Mühle an die andere.
Außerdem liegen zwischen der Haltenbrücke und Steinbach insgesamt 21 Getreide-, Gips-, Papier-, Pulver- und Sägemühlen.
Erweitert wird der Taubermühlenweg vom unteren und oberen Mühlenweg.
Möglich ist eine Mühlenführung „Von Mühlen und Müllern“. Ablauf, Preise und Termine auf Anfrage: Rothenburg Tourismus Service.
Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.taubermuehlenweg.de.