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KREUZWERTHEIM/CASTELL/THÜNGEN
Viel Wald, Wein, Immobilien und Hausgesetze
Tilmann Toepfer
Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 26.04.2023 20:55 Uhr

Juristisch ist der Adel in Deutschland seit 1918 abgeschafft. Dafür, dass es ihn eigentlich nicht mehr gibt, hat er sich gut gehalten. Keine andere gesellschaftliche Schicht ist so homogen, pflegt traditionelle Werte und Tugenden und achtet nach wie vor darauf, dass durch standesgemäße Heirat Hektar zu Hektar kommt. So sind die größten deutschen Privateigner von Wald allesamt Adelsfamilien. Mit 28 000 Hektar verfügt das Haus Thurn und Taxis (Regensburg) über den größten Privatwaldbesitz in Deutschland, so die Internetseite www.wald-prinz.de.

Die fünf wichtigsten „Fürstenhäuser“ in der Region haben jeweils um die 5000 Hektar oder mehr Wald. Die Fürstlich Löwenstein-Wertheim-Freudenberg'sche Verwaltung (Kreuzwertheim) bewirtschaftet Wald zwischen Würzburg und Aschaffenburg, ferner 500 Hektar Acker. Geld verdient man auch mit Immobiliengeschäften. Die katholische Linie des Hauses Löwenstein-Wertheim, das Haus Löwenstein-Wertheim-Rosenberg mit Sitz in Kleinheubach (Lkr. Miltenberg) verdient Geld mit Wald und einem Weingut, dessen Grundlage zwei der besten Lagen der Region sind, der Homburger Kallmuth und der Lengfurter Oberrot (Lkr. Main-Spessart). Zudem unterhält die Familie das Hotel Schloss Löwenstein.

Auch das Geschlecht der Castell hat zwei konfessionell verschiedene Linien, eine protestantische Castell-Castell, eine teilweise katholische, Castell-Rüdenhausen. Im Besitz der beiden Familienstämme ist die älteste Bank in Bayern, die Fürstlich Castell'sche Bank. Das Fürstlich Castell'sche Domänenamt ist eng mit dem Weinbau in der Region verbunden, die Castell’sche Forstabteilung bewirtschaftet rund 5000 Hektar Wald auf der Fränkischen Platte, im Steigerwald und im Thüringer Wald.

Amorbach (Lkr. Miltenberg) avancierte 1803 zur Haupt- und Residenzstadt des neuen Fürstentums derer zu Leiningen, der Fürstlich Leiningensche Waldbesitz liegt über die Höhenrücken des Odenwaldes verteilt zwischen Neckar und Main. Auch dieses Fürstenhaus vermietet, verpachtet und verkauft Immobilien in der Region.

Die Familie der Freiherren von Thüngen stellte in der Vergangenheit wichtige Persönlichkeiten aus den Bereichen Kirche, Militär, Verwaltung, Politik und Wirtschaft, darunter Fürstbischöfe in Würzburg und Bamberg. Die Herrschaft, benannt nach der Marktgemeinde Thüngen (Lkr. Main-Spessart) umfasste etwa 80 Ortschaften, Schlösser, Burgen und Höfe. Bedeutung hatte die Familie durch die Thüngen'sche Cent in der Rhön, wo der überwiegende Teil des Waldbesitzes liegt. Zum Immobilienbesitz gehören unter anderem Schlösser in Thüngen und Weißenbach (Lkr. Bad Kissingen) sowie die Burgbrauerei „Herzog von Franken“.

Auch die Adelsfamilie Rotenhan in Rentweinsdorf (Lkr. Haßberge) bewirtschaftet nach landwirtschaftlichen Flächen sehr viel Wald, nach dem Zusammenbruch der DDR kaufte man von der Treuhand beträchtlich hinzu, allein im brandenburgischen Reuthen 1856 Hektar.

Durch das jeweilige „Hausgesetz“ bleibt der Besitz zusammen. Das Stammvermögen wird jeweils an den ältesten Sohn weitergegeben, während die anderen Kinder mit dem Pflichtteil abgefunden werden. Neben eigenen Regelungen auch jenseits des Bürgerlichen Gesetzbuches legt die Aristokratie Wert auf Traditionen, die an die Nachkommen weitergegeben werden. Das zeigt sich auch in der Wahl der Schulen beziehungsweise Internate für die Adelssprösslinge, für die Eltern oft mehrere Tausend Euro monatlich zahlen.

Das bleibt nicht ohne Folgen: Der Soziologie-Professor und Eliteforscher Michael Hartmann von der TU Darmstadt hat herausgefunden, dass der Adel doppelt so häufig Spitzenpositionen in der Wirtschaft erreicht wie Nicht-Adelige, obwohl er nur einen geringen Anteil an der Gesamtbevölkerung in Deutschland ausmacht. Die Faszination, die von manchem Repräsentanten adeliger Häuser und ihrem exklusiven Lebensstil ausgeht, wird genährt vom öffentlichen wie medialen Interesse an der Aristokratie. Ja, auch die Medien prägen unser Bild vom Adel als etwas Besonderes: als eine Welt, die für Normalsterbliche unerreichbar bleibt.

 
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