Andrea Lindholz (CSU): gewählt im Wahlkreis Aschaffenburg; im Bundestag seit 2013
Dass sie es so weit schaffen würde, hätte sie vor zehn Jahren nicht gedacht, gibt CSU-Politikerin Andrea Lindholz offen zu. Ihr Ziel war Bürgermeisterin ihrer Heimatgemeinde Goldbach (Lkr. Aschaffenburg) zu werden. Dann hat sie bei einem Berlin-Besuch Blut geleckt. „Es wäre toll, im Bundestag als Volljuristin für die Region arbeiten zu dürfen“, schoss es ihr durch den Kopf und sie begann darauf hinzuarbeiten. Sie setzte sich im Wahlkreis gegen CSU-Urgestein Norbert Geis durch – und zog in den Bundestag ein. „Als ich das erste Mal den Plenarsaal betreten habe, war ich ehrfürchtig und stolz“, sagt die 43-Jährige.
In ihrem Büro wirkt alles noch etwas sporadisch. Vor der Tür steht die Verpackung einer Lampe. Vier Zeichnungen, drei aus Aschaffenburg und eine von der Universität ihrer Geburtsstadt Bonn, waren das Erste, das sie aufhängte. „Diese Bilder sind von meinem Vater. Er wäre stolz, wenn er wüsste, dass ich es bis hierher geschafft habe.“
Obwohl das Büro noch nicht fertig eingerichtet ist, ihre Arbeit hat die Politikerin voll aufgenommen. Lindholz ist Mitglied im Innen- und im Europaausschuss. Für die Arbeit in ihrer Heimat sei es ein Vorteil, in Berlin Ansprechpartner zu haben, egal ob es um die Diskussion ums Führungszeugnis oder den Ausbau der B 469 geht.
Die Arbeit im Lokalen will sie jedoch nicht missen. „Es ist schön nach einer Sitzungswoche in Berlin wieder im Goldbacher Gemeinderat zu sitzen und zu sehen, wie schnell und einfach Dinge entschieden werden können“, sagt sie und grinst.
Anja Weisgerber (CSU): gewählt im Wahlkreis Schweinfurt; im Bundestag seit 2013
Die große Politik ist kein Neuland für Anja Weisgerber (CSU). Die 38-Jährige war schließlich neun Jahre lang Abgeordnete im europäischen Parlament. Nun sitzt sie für den Wahlkreis Schweinfurt/Kitzingen im Bundestag. Sie ist Mitglied und Obfrau im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. „Meine Erfahrung kommt mir dabei zu Gute“, sagt sie. Viele Themen hat sie bereits in Brüssel mitverhandelt. Sie nun auf Bundesebene weiterzuverfolgen, sei sehr spannend. „Ich möchte verhindern, dass auf die EU-Richtlinien bei der Umsetzung im Bund noch etwas draufgesattelt wird.“
Für ihren Heimatwahlkreis konnte sie eine erste Hürde schon angehen. Im Hinblick auf den Abzug der Amerikaner wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, dass unter bestimmten Bedingungen eine verbilligte Abgabe von Flächen an Kommunen möglich ist. Eine gute Nachricht für Weisgerber, in deren Wahlkreis mit Kitzingen und Schweinfurt gleich zwei Städte von dem Abzug betroffen sind.
Trotz ihrer Erfahrung, Respekt hat sie dennoch vor der neuen Aufgabe. Schließlich ist in Berlin einiges anders. Die Redezeiten seien länger, es gebe mehr Zwischenrufe, die öffentliche Aufmerksamkeit sei viel größer. „Man spürt hier die Verantwortung, aber ich trage sie gerne.“ Als Europa-Abgeordnete war Weisgerber für ganz Unterfranken zuständig, nun für die engere Heimat.
Eine Heimat, die sie während ihrer Wochen in Berlin vermisst. Vor allem ihre dreijährige Tochter und ihren einjährigen Sohn. Kein Wunder also, dass es kaum eine Ecke ohne Bilder von der Familie gibt – die Kinder an Weihnachten, im Faschingskostüm, im Europaparlament. Auch sonst hat Weisgerber ihrem Arbeitsplatz eine persönliche Note verpasst. Im Regal stehen ein rotes und ein schwarzes Modellauto. Ein Geschenk vom Europa-Abgeordneten Martin Groote (SPD), mit dem sie im Europaparlament zusammengearbeitet hat. Werke einer befreundeten Künstlerin hängen an der Wand und auf dem schwarzen Sofa hat sie farblich passende Kissen drapiert. „Ich lebe in Berlin in einem Hotel, damit ich mich nur um die Arbeit kümmern kann.“ Ihr Büro ist Rückzugsort und ihr Arbeitsplatz zugleich. „Ich blogger die Zeit in Berlin durch, damit ich mich daheim in Schwebheim vor allem um meine Familie kümmern kann.“
Bernd Rützel (SPD): gewählt über die Landesliste Bayern; im Bundestag seit 2013
Klar und aufgeräumt ist es. Kein Chi-chi, keine Bilder, keine persönliche Note. Ein Schreibtisch, ein Kalender mit den Terminen der Sitzungswochen und eine Liste aller SPD-Abgeordneten hängen an der weißen Wand. So sieht es aus, das Büro von Bernd Rützel aus Gemünden (Lkr. Main-Spessart). „Mein Büro richte ich zweckmäßig und spartanisch ein, Bilder von meinen Kindern habe ich in meiner Wohnung“, sagt er. Nichts soll ihn auf der Arbeit ablenken. „Wenn Sie in zwei Jahren wiederkommen, verspreche ich, dass es genauso aussieht.“
Bis dahin hat sich der SPD-Politiker einiges vorgenommen. Er ist Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie im Wirtschaftsausschuss. Zugleich will er sich in seiner Heimat einsetzen. Schwimmbad, Infrastruktur oder die Erhaltung der Krankenhäuser, er hat einige Themen auf der Agenda. Wenn Rützel so von der Lokalpolitik spricht, merkt man ihm die Euphorie an. „Wahlkreisarbeit ist Basisarbeit und vielschichtig. In Berlin ist man Fachpolitiker.“ Genau diese Kombination gefällt ihm.
An den Alltag in Berlin hat er sich schnell gewöhnt. Er kennt den kürzesten Weg von seinem Büro zum Bundestag. Zehn Minuten braucht er. Er sagt es, als sei das alles schon Routine, gibt den Unbeeindruckten. Aufgeregt vor der ersten Rede im Bundestag sei er nicht. Bernd Rützel ist sicher: „Der Bundestag funktioniert auch nicht anders als das Rathaus in Gemünden, er ist eben nur 1000- oder 2000-mal größer.“
Sabine Dittmar (SPD): gewählt über die Landesliste Bayern; im Bundestag seit 2013
„Noch ist es ein wenig karg hier“, sagt Sabine Dittmar, SPD-Abgeordnete aus Maßbach (Lkr. Bad Kissingen), als sie die Tür öffnet. „Aber ich möchte mehr Farbe im Büro, ein großes buntes Bild an der Wand.“ Schon jetzt, wo es für sie alles noch nach ein wenig Umzug aussieht, hat die 49-Jährige ihr Arbeitszimmer in vielen Ecken dekoriert. Ein Strauß gelber Tulpen steht auf dem hölzernen Schreibtisch, von dem aus Dittmar in den verschneiten Innenhof des Gebäudes blickt. In dem großen, braunen Wandregal sind nur wenige Fächer eingeräumt. Ein paar Fachbücher, einige Ordner. Was man als Politiker eben so braucht.
In einem Fach auf Augenhöhe steht eine gläserne Weltkugel, auf der Bayern mit einer blauen Raute eingezeichnet ist. Direkt daneben steht eine aus Holz geschnitzte Gams. Ihre Mitarbeiter haben sie ihr zur Wahl geschenkt. „Ich habe sie im Freilandmuseum in Fladungen entdeckt“, erzählt sie.
Unterfranken ist auch in Berlin ständig präsent für Dittmar. Sie ist Mitglied im Gesundheitsausschuss und stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss. Um beide Ressorts hat sich die Medizinerin aus Maßbach mit Blick auf ihre Heimat beworben. Erstens seien Bad Kissingen und die Rhön eine Gesundheitsregion und zweitens gebe es dort zwei Bundeswehrstandorte. In den Ausschüssen bekomme sie frühzeitig mögliche Entwicklungen mit und könne Weichen stellen, sagt sie.
Für Dittmar, die zuvor fünf Jahre im bayerischen Landtag arbeitete, ist es eine neue Erfahrung nicht von der Oppositionsbank zu agieren. Eine Erfahrung, die sie berührt. „Als ich das erste Mal im Plenarsaal saß, dachte ich: 'Uff, du bist jetzt für 80 Millionen Menschen verantwortlich'“, sagt sie. Doch Angst hat sie vor dieser Verantwortung keine.
Etwas anders macht ihr hingegen Sorgen, gibt sie unumwunden zu. Die langen Flure und verwobenen, unterirdischen Gänge vom Reichstag zu den umliegenden Gebäuden. „Ich habe einen schlechten Orientierungssinn, meine Mitarbeiter warten immer auf den Anruf, dass sie mich irgendwo abholen müssen“, sagt sie und lacht.
Bei allen Scherzen ist sie sich der Schwierigkeiten, die in der Hauptstadt auf sie zukommen, durchaus bewusst. „Ich hoffe, dass ich nicht allzu häufig gegen meine persönlichen Überzeugungen im Sinne der Partei und der Koalition stimmen muss“, sagt sie.
Alexander Hoffmann (CSU): gewählt im Wahlkreis Main-Spessart; im Bundestag seit 2013
Sein Vater, selbst Jurist, hat ihm einst abgeraten, Jura zu studieren. Alexander Hoffmann hat es trotzdem getan, er hat sich für öffentliches Recht und innere Verwaltungsarbeit entschieden. Heute vertritt der CSU-Politiker aus Retzbach (Lkr. Main-Spessart) seinen Wahlkreis Main-Spessart im Bundestag. Ein Amt, auf das er es nie angelegt habe. „Ich bin eigentlich ein Landei“, sagt er.
Kein Wunder, dass er am Anfang etwas gefremdelt hat. Und dann ist ihm gleich zu Beginn das passiert, wovor sich beinahe alle „Neuen“ in Berlin fürchten. „Ich hatte mich so verlaufen, dass mich meine Mitarbeiter abholen mussten“, erzählt er und lacht schallend.
Inzwischen hat Hoffmann sich eingelebt, er ist angekommen, sagt er – vor allem seit seine Aufgaben feststehen. Der Jurist ist Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sowie stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss. Bereiche, sagt Hoffmann, in denen vor allem abstrakte, übergreifende, bundesweite Themen diskutiert werden.
Dennoch hat der 38-Jährige auch für seinen Heimatwahlkreis Main-Spessart einige Punkte auf seiner Agenda. „Die Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes betrifft meinen Wahlkreis und die dortigen Windkraftanlagen beispielsweise ganz direkt“. Er will Netzwerker in Berlin sein und ein bodenständiger Politiker, der die Berührungsängste zwischen Menschen und Politikern abbaut.
In seinem Büro klappt das mit dem Bodenständig-sein schon ganz gut. Die Bilder von seiner Familie reihen sich dort an allerlei persönliche Erinnerungsstücke. Ein hölzerner Rosenkranz aus Israel liegt auf dem Regal. Darüber an der Wand hängt eine Fotografie von Retzbach, die ihm der Bürgermeister zur Wahl geschenkt hat. Auch der Schreibtisch quillt beinahe über vor persönlichen Accessoires: Ein Stifthalter, den ihm seine Frau geschenkt hat, ein weißer Schutzengel aus Porzellan, ein Autogramm von Basketballstar Dirk Nowitzki. Die Liste ließe sich fortsetzen. Beinahe überall steht oder hängt etwas. Einzig ein Fleck ist noch frei im Bundestagsbüro im Jakob-Kaiser-Haus. Doch nicht mehr lange. Ein Bild seiner ersten Besuchergruppe, die aus seiner Heimatgemeinde kam, will Hoffmann dort auf jeden Fall aufhängen. „Ich will die Verhaftung in den Wahlkreis leben“, erklärt er.