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WÜRZBURG
Uni zeichnet französischen Premierminister mit Ehrenbürgerwürde aus
Herzlicher Empfang an der Universität: Jean-Marc Ayrault und seine Ehefrau Brigitte Terrien. Rechts: Unipräsident Alfred Forchel.
Foto: N. Schwarzott | Herzlicher Empfang an der Universität: Jean-Marc Ayrault und seine Ehefrau Brigitte Terrien. Rechts: Unipräsident Alfred Forchel.
Von unserem Redaktionsmitglied Michael Czygan
 |  aktualisiert: 26.04.2023 19:40 Uhr

„Würzburg war mehr als nur mein Studienort. Die Zeit dort war und ist sehr prägend für mich.“ Über vier Jahrzehnte, nachdem er im Wintersemester 1969/70 an der Julius-Maximilians-Universität Germanistik studiert hat, weilte der französische Premiermister Jean-Marc Ayrault am Freitag zu einem offiziellen Besuch in Würzburg. Die Universität verlieh dem 63-Jährigen die Ehrenbürgerwürde.

Die Zeit in Würzburg hat aus Ayrault einen engagierten Streiter für die deutsch-französische Freundschaft gemacht. Erste Kontakte in die Region knüpfte der Premier aber bereits zuvor, als er beim Jugendaustausch der christlichen Landjugend 1966 Gast der Familie Leiblein auf einem Bauernhof in Hardheim im fränkischen Odenwald war.

Und so ist es Ayrault und seiner Frau Brigitte Terrien ein Herzensanliegen, sich vor Beginn des offiziellen Programms ganz privat mit den vier Geschwistern Leiblein und deren Familien im Gasthaus „Mainmühle“ zu einem fränkischen Hochzeitsessen zu treffen. „Es war wie immer“, freut sich Hildegard Leiblein. „Der Kontakt ist nie abgerissen“, mal traf man sich in Ayraults westfranzösischer Heimat, dann wieder in Franken. „Auch Würzburg stand auf dem Programm.“ Kein Wunder also, dass der Premier Passanten beim Gang durch die Stadt ein freundliches „Grüß Gott“ entgegenruft.

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Als der 19-Jährige Jean-Marc in Würzburg Deutsch studierte, verbrachte er die Wochenenden im Odenwald. Richard Leiblein weiß noch, wie er ein Referat Ayraults „über die deutsche Presse“ Korrektur las. „Der zweite Weltkrieg war noch nicht lange vorbei, es herrschte der kalte Krieg“, beschreibt der Premier in seinen Reden im Rathaus und an der Universität die Zeiten damals. Im Studentenwohnheim in der Josef-Schneider-Straße habe er die Regierungserklärung von Willy Brandt gehört, die ersten Schritte der Ostpolitik. Nicht zuletzt deshalb sei er in die Politik gegangen. Dass er ein „überzeugter Europäer“ wurde, verdanke er den „Wurzeln in Würzburg“. Ayrault: „Es war eine anregende Zeit“.

Entsprechend gerührt zeigt sich der Premier, als ihm Universitätspräsident Alfred Forchel nicht nur die Ehrenbürgerwürde verleiht, sondern als Geschenk auch noch ein Original-Vorlesungsverzeichnis von 1969/70 und ein Faksimile der Immatrikulationsbescheinigung überreicht.

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Dem Festakt an der Uni geht der Empfang in der Stadt voraus. Regierungspräsident Paul Beinhofer und Oberbürgermeister Georg Rosenthal führen Brigitte Terrien und Jean-Marc Ayrault, die mittags von Paris kommend in Giebelstadt gelandet waren, bei einem Spaziergang von der Alten Mainbrücke, am Rathaus vorbei auf den Marktplatz und weiter zur Neumünsterkirche. Dazwischen immer ein bisschen politischer Smalltalk, wobei der 63-Jährige sichtlich genießt, der aktuellen Regierungskrise in Paris vorübergehend entfleucht zu sein.

Immer wieder schüttelt Ayrault, der von Vertretern der Botschaft in Berlin, rund 25 französischen und ebenso vielen deutschen Journalisten sowie jeder Menge Sicherheitspersonal begleitet wird, Passanten die Hände, auch wenn längst nicht jeder weiß, welch hoher Gast da durch die Stadt läuft. „Vive la France“ hallt es zur Freude Ayraults beim Gang durch die Domstraße, bevor im Rathaus nach kurzen Reden der Eintrag ins Goldene Buch ansteht.

Wie sehr Würzburg seine Verbindungen zu Frankreich pflegt, macht Oberbürgermeister Georg Rosenthal deutlich. Schon vor dem deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, der vor 50 Jahren besiegelt wurde, begründeten Würzburg und das normannische Caen ihre Städtepartnerschaft, der viele weitere zwischen Kommunen in Mainfranken und dem Calvados folgten.

Im Lichthof der Uni am Sanderring begrüßt ein Ensemble der Musikhochschule den Premier dann mit der „Marseillaise“. 500 Schaulustige applaudieren – und sie nutzen nach dem offiziellen Teil die Gelegenheit, sich mit Ayrault ablichten zu lassen oder mit ihm kurz zu reden, so wie die Theologiestudentin Sabine Nebl. „Er hat mir erzählt, wie er in Würzburg politisiert wurde. Sehr sympathisch, so wünscht man sich Politiker“, lautet Nebls Fazit hinterher.

Und dann drücken nach knapp zwei Stunden Programm die Herren vom Protokoll. Am Abend steht schließlich noch der Besuch in München an, wo Ayrault zunächst Ministerpräsident Horst Seehofer treffen wollte und am Samstag auch München-OB Christian Ude. Außerdem eröffnet der Premier eine Ausstellung zum 50. Geburtstag des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags.

Bevor er in die Limousine einsteigt, dreht sich Ayrault noch einmal um. Im Hintergrund – ganz bescheiden – stehen die Geschwister Leiblein. Eine Umarmung, ein paar Tränen zum Abschied. Man wird in Kontakt bleiben zwischen Paris und Franken.

Wie die Würzburger den Besuch des französischen Premierministers erlebten:
http://is.gd/1l0J0w

 
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