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WÜRZBURG
Ungelöste Kriminalfälle: Der Killer kam zum Abendbrot
Mord an Helmut Krug: Bis heute ist nicht geklärt, wer den Koch aus Tauberbischofsheim 1984 in seiner Wohnung in Würzburg-Lengfeld erschoss
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:51 Uhr

Helmut Krug war beim Abendessen, als der Mörder bei ihm klingelte. Manches deutet darauf hin, dass er mit Besuch in seiner Wohnung in Lengfeld rechnete an jenem Abend des 28. Februar 1984 – aber nicht mit dieser Art von Besucher, der eine Pistole vom Kaliber 7,65 Millimeter dabeihatte. Niemand sah oder hörte den Killer das Haus betreten und den schmalen Gang zu Krugs Wohnungstür entlanglaufen.

Krug öffnete. Es gab einen kurzen, aber lauten Wortwechsel. Dann fielen drei Schüsse: Einer ging durch eine Tür, ehe er Krug traf. Der Mörder schoss ihm rechts und links in die Brust, die dritte Kugel streifte das Kinn des Opfers. Eine große Blutlache nahe dem Eingang markierte später die Stelle, an der der 26-Jährige sterbend zu Boden sank.

Auch bei der Flucht des Killers, den Gang entlang und zum Hoftor hinaus auf die Straße, sah ihn niemand. Und keinem fiel ein wegfahrendes Auto in der Georg-Engel-Straße im Würzburger Stadtteil Lengfeld (nahe dem Friedhof) auf.

Krug stammte aus Tauberbischofsheim, hatte aber in Lengfeld die Wohnung im Erdgeschoss. Über ihm wohnten seine Vermieter Luise und Ernst Hoffmann, auf deren Telefon gelegentlich Anrufe für Krug ankamen. Sie hörten Hilferufe und Schüsse, weiß heute Mordermittler Martin Hinterseer. Ernst Hoffmann eilte die Treppe hinunter. Er sah den Mieter in seinem Blut im Eingangsbereich liegen. Hoffmann stürzte zurück in die eigene Wohnung. Um 19.48 Uhr rief er die Würzburger Polizei an. Vier Minuten später war eine Streife vor Ort, wie Hinterseer aus den Akten weiß. Die Beamten sahen die leblose Person, riefen den Notarzt. Der kam um 20.02 Uhr. Man versuchte, Krug zu reanimieren – vergeblich.

Den Mordermittlern bot sich ein diffuses Bild: Auf dem Tisch lag ein angebissenes Würstchen, auf dem Boden im Wohnzimmer der Ermordete. Eine große Blutlache im Eingangsbereich kennzeichnete die Stelle, an der Krug getroffen worden war.

Im Flur lagen zwei Sorten von Patronen. Der Täter hatte keinen Schalldämpfer verwandt – was eher gegen später aufkommende Gerüchte spricht, Krug sei von einem Profi erschossen worden. Die Waffe war eine FN-Selbstladepistole des Typs Browning, Modell 1900 – von der bis 1911 eine Million Stück produziert worden waren. Das Nachfolgemodell wurde in mehreren Armeen (darunter der Reichswehr) an Offiziere höherer Ränge ausgegeben.

Die Suche nach dem Mörder gestaltete sich schwierig. Krug hatte seinen Bekanntenkreis im 40 Kilometer entfernten Tauberbischofsheim. In Würzburg beschränkten sich seine Kontakte weitgehend auf das Umfeld seiner geschiedenen Frau. Was die Suche noch schwerer machte: Die zwei Jahre vor seinem Tod hatte er für den Baukonzern Bilfinger und Berger in Libyen gearbeitet, war gerade erst drei Monate zurück. Davon kündete eine Reihe von Bildern in seiner Wohnung, vom Sanddünen-Fahren mit geländegängigen Fahrzeugen oder abendlichen Partys an den Dünen, aber auch von einem Besuch Muhammed al Gaddafis, den Krug aus ziemlicher Nähe fotografieren konnte.

Während Krugs Auslandseinsatzes ging nach Erkenntnis der Ermittler die Ehe in die Brüche, die der 20-Jährige im Juli 1978 mit Margit B. eingegangen war. Aus dieser Beziehung stammt ein kurz nach der Heirat geborenes Mädchen, das Krug zurückließ, um ab März 1981 in Libyen auf einer Baustelle als Camp-Verwalter zu arbeiten. Die Ehe wurde im November 1982 geschieden.

Krug wandte sich einer neuen Frau aus Bremerhaven zu, deren Mann ebenfalls in Libyen gearbeitet hatte. Auch sie bekam im Mai 1983 ein Kind von dem Koch aus dem Tauberbischofsheimer Stadtteil Dittigheim.

Offenbar gab es nach Krugs Rückkehr aus Libyen Gesprächsbedarf mit seiner Ex-Frau wegen des gemeinsamen Kindes. Die Kripo stieß bei ihren Nachforschungen auf eine Reihe rätselhafter Vorkommnisse, die sich wohl in den Tagen vor Krugs Tod abgespielt hatten: Zehn Tage zuvor drängte seine Ex-Frau in zwei Briefen an seine Tauberbischofsheimer und seine Würzburger Adresse auf ein Treffen mit ihm. „Sie bestritt die Existenz dieser Briefe zunächst“, so Ermittler Hinterseer. Die wurden aber von Ermittlern sichergestellt.

Vier Tage später suchte Krug seine Ex-Frau an ihrem Arbeitsplatz auf, es ging um ein Sparbuch. Diese versprach, nachzuschauen und wollte ihm Bescheid geben – am Tag des Mordes. Am Tag zuvor rief eine bis heute nicht eindeutig identifizierte Frau bei Krugs Vermieterin Hoffmann an und fragte, ob Krug daheim sei. Als die Vermieterin verneinte, bat die Anruferin, nichts von dem Telefonat zu erzählen. „Ich will ihn überraschen.“

Am 29. Februar, dem Morgen nach dem Mord, sollte Krug ins Familiengericht kommen. Dabei sollte es – wie die Mordermittler erfuhren – „um Verhandlungen zur Abwicklung finanzieller Dinge“ gehen. Vielleicht wollte der 26-Jährige das am Abend zuvor besprechen. Am Nachmittag war er wegen eines Autokaufes bei Angehörigen in Tauberbischofsheim. Er erzählte: „Ich muss am Abend wieder daheim sein, weil mir meine Tochter gebracht wird.“ Angeblich wollte seine Frau sie später wieder abholen. Krug fuhr gegen 16.15 Uhr zurück, um pünktlich daheim zu sein. Wahrscheinlich vertrieb er sich die Wartezeit damit, das Kinderzimmer zu tapezieren.

Ob das stimmte, wer die geheimnisvolle Anruferin war und ob das alles mit dem späteren Mord zu tun hat, weiß die Kripo bis heute nicht. Doch es sind die einzigen Anhaltspunkte, die sie hat.

Krugs Ex-Frau und ihr Lebensgefährte gerieten unter Verdacht. „Aber sie hatten Alibis, die nicht zu widerlegen waren“, weiß Mordermittler Hinterseer.

Alle legal in Stadt und Landkreis Würzburg und dem Landkreis Main-Tauber gemeldeten Pistolen des Typs Browning 1900 wurden getestet, um einen Vergleich mit zwei sichergestellten Mordprojektilen zu bekommen. Das brachte aber ebenso wenig eine heiße Spur wie die Belohnung von 3000 Mark. Der Mörder von Helmut Krug blieb unbekannt – bis heute.

Wer kann zur Aufklärung beitragen? Die Polizei hofft auf Zeugen, die im Fall Helmut Krug auch heute noch mit einem Tipp zur Klärung des Falles beitragen können. Hinweise nimmt die Kriminalpolizei Würzburg unter Tel. (09 31) 4 57 17 32 entgegen.

Mordwaffe: Mit so einer Pistole schoss der Killer, einer FN 1900 Browning Foto: Wikipedia
| Mordwaffe: Mit so einer Pistole schoss der Killer, einer FN 1900 Browning Foto: Wikipedia
Tatort: Das Haus in der Georg-Engel-Straße 12 kurz nach dem Verbrechen.
Foto: Polizei | Tatort: Das Haus in der Georg-Engel-Straße 12 kurz nach dem Verbrechen.
 
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