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Unbequem und deshalb zu provokant?
Tag des offenen Denkmals: „Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?“ Unter diesem Motto warten am Sonntag viele Objekte auf Besucher. Laut Carolin Kolhoff von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sind es jedoch etwas weniger als sonst.
Von unserem Redaktionsmitglied Christine Jeske
 |  aktualisiert: 26.04.2023 20:32 Uhr

Jedes Jahr lädt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz in Bonn unter einem bestimmten Motto zum Tag des offenen Denkmals. Und wie jedes Jahr werden sich wieder in ganz Deutschland Millionen Menschen auf den Weg machen, um einen Blick in Objekte zu werfen, die Geschichte ausstrahlen. Dazu gehören aufwendig sanierte Fachwerkhäuser, Villen und Schlossbauten, zu Wohnhäusern umgebaute Fabrikgebäude, Mühlen und Türme, kleine Dorfkirchen, gepflegte Gärten oder archäologische Stätten. Etliche Denkmäler sind nur an diesem Tag geöffnet, der heuer am 8. September stattfindet. Das macht den besonderen Reiz aus.

In den vergangenen Jahren lautete das Motto „Holz“, „Romantik, Realismus, Revolution“ oder „Historische Ortes des Genusses“. Heuer heißt es: „Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?“ Damit haben wohl einige Denkmalliebhaber und Denkmalschützer Probleme. So wirbt zum Beispiel das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege vorrangig für zwei andere Themen: die Einweihung der Befreiungshalle in Kelheim vor 150 Jahren; deshalb findet dort am 8. September ab 11 Uhr die bayerische Eröffnungsveranstaltung zum Tag des offenen Denkmals statt. Bereits am Samstag, 7. September, beginnt in München in der Säulenhalle des Landesamtes um 18 Uhr die Ausstellung über den bedeutenden Bronzegießer Ferdinand von Miller, der vor 200 Jahren geboren wurde. Auf das Thema des Tags des offenen Denkmals wird nur beiläufig und kommentarlos hingewiesen. Auch auf Nachfrage gab es dazu keine Aussagen.

„Das diesjährige Motto hat durchaus etwas Provokantes an sich und war auch bei uns im Haus umstritten“, bestätigt Carolin Kolhoff. Sie koordiniert seit 2004 als Projektleiterin bei der Stiftung Denkmalschutz den Tag des offenen Denkmals. Bei ihr landen Vorschläge, Anregungen, Wünsche – und auch Kritik, allerdings „überwiegend positive“. In diesem Jahr bemerkte Kolhoff schnell, dass das Motto die Menschen mehr beschäftigt als sonst. „Weil es eine politische Note hat, und weil es sich auch aktuellen Fragen widmet, und die sollten durchaus einmal öffentlich diskutiert werden – weil sie gesellschaftlich relevant sind.“ Etwa: „Was ist wert, erhalten zu werden und weshalb? Was macht Denkmale unbequem und warum? Gibt es überhaupt „bequeme“ Denkmale?

Aus diesem Grund stehen in diesem Jahr neben den „guten und schönen“ auch diejenigen im Mittelpunkt, die „ein gewisses Unbehagen oder sogar äußerst negative Gefühle auslösen“, so Kolhoff. Dazu zählen Bunker- und Verteidigungsanlagen, ebenso Kriegerdenkmale, Kriegsgräberstätten, Konzentrations- und Arbeitslager und andere Hinterlassenschaften aus nationalsozialistischer Zeit, aber auch DDR-Wachtürme und -Grenzanlagen oder DDR-Verwaltungsbauten.

Das war womöglich einigen zu unbequem. „In Süddeutschland ist die Beteiligung nicht so groß wie sonst.“ Laut Carolin Kolhoff stehen in diesem Jahr bundesweit rund 7500 Denkmäler im Programm, 2012 waren es 8000. Was sie deshalb freut, ist: „In den meisten Rückmeldungen heißt es, dass es das bislang spannendste Motto sei, und das mutigste.“ Vorgeschlagen hat es das Landesdenkmalamt Berlin aus Anlass des 80. Jahrestags der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 und des 75. Jahrestags des Novemberpogroms 1938.

Das heißt nicht, dass nur professionelle Denkmalschützer Anregungen geben können. „Wir sammeln Ideen von allen, von privaten Denkmaleigentümern, Vereinen, Kreisen, Städten, Gemeinden.“ Das Motto von 2007 sei zum Beispiel von kirchlicher Seite angeregt worden, es lautete: „Orte der Einkehr und des Gebets – Historische Sakralbauten“.

Das aktuelle Motto sollte auch nicht bewirken, dass vor allem NS-Bauten in den Blickpunkt gerückt werden, so Kolhoff. „Sie sind nur ein kleines Stück aus der großen Torte.“ Das Thema sei – wie immer – breit angelegt und ließe einen weiten Interpretationsspielraum zu. „Wir haben bewusst das Motto mit einem Fragezeichen versehen“, sagt Kolhoff. Zur Diskussion gestellt werden könnten auch der Erhalt von Nachkriegsarchitektur oder die künftige Nutzung von leer stehenden Büro- und Industriebauten.

Und wie immer steht eines im Fokus: „Am Tag des offenen Denkmals können alle ihre Erfolgsgeschichten präsentieren.“ Oder auch Zukunftsvisionen. Diesbezüglich könnten Fachleute die Gelegenheit nutzen und eigene Fragestellungen ausloten: „Wie werden wir in der Bevölkerung wahrgenommen? Was können wir in unserer Außenarbeit noch verbessern?“ Letztlich sei Denkmalpflege „ein großes Abenteuer“. Denn niemand würde, so Kolhoff, solch ein zeit- und kostenintensives Projekt starten, wenn man kein „Überzeugungstäter“ sei.

Das Motto für 2014 steht übrigens schon fest. Provokant ist es nicht. Es lautet: „Farbe“.

Beispiele in der Region

In Unterfranken sind am Sonntag, 8. September, mehrere Hundert Denkmäler geöffnet. Eine kleine Auswahl:

Marktheidenfeld (Gewerbegebiet, Siemensstraße 5): sonst nicht geöffnete Grundnetzschalt- und Vermittlungsstelle 62 der Bundeswehr; in den 1960er Jahren unter größter Geheimhaltung erbauter unterirdischer Bunker; Führungen von 10 bis 18 Uhr.

Iphofen-Dornheim (Forsthaus, Limpurger Forst): Panzergräber von fünf Soldaten, die vor Kriegsende 1945 gefallen sind; von 10 bis 18 Uhr geöffnet, stündliche Führungen von 11 bis 15 Uhr; 16 Uhr Einweihungsfeier mit militärischen Ehren und Festrede von Regierungspräsident Paul Beinhofer.

Giebelstadt-Allersheim (Seebachweg, Hauptstraße 20): über 350 Jahre alter Bezirksjudenfriedhof mit fast 2000 erhaltenen Grabsteinen und Synagoge; 14 bis 16 Uhr, sonst auf Anfrage geöffnet; Führung um 14.30 Uhr.

Königsberg-Köslau (Köslau 3, am Rennweg): um 1850 erbautes ehemaliges Brauhaus; 2012 Sanierungsbeginn, soll künftig als Ferienhaus genutzt werden. Führungen nach Bedarf in der Zeit von 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr; sonst auf Anfrage geöffnet.

Gerolzhofen (Marktplatz 9): Bürgerhaus beziehungsweise „Betty-Stumpf-Haus“; errichtet ab 1616, im Kern um 1490. Bemalung aus der Echterzeit; geöffnet von 12 bis 18 Uhr, Führung um 14 Uhr, Treffpunkt Häfnergasse 7.

Bad Kissingen (In der Au 6): Turniergebäude mit Tribünenbau, bestehend aus einer Holzkonstruktion auf massivem Sockel von 1922; Infotafel und Flyer informieren ganztags zur Baugeschichte; sonst nicht geöffnet.

Arnstein (Goldgasse 28): Alte Synagoge, klassizistischer Bau von 1819, 1905 erneuert ; geöffnet von 13 bis 18 Uhr, Führungen um 13 und 15 Uhr; sonst im Sommer von 13 bis 17 Uhr geöffnet.

Burgsinn (Gemeindeverbindungsstraße MSP 17 - Roßbach): Autobahnruine Strecke 46, Deutschlands längst historische Autobahnruine; Bauzeit 1936 bis 1940; Führung von 10 bis 14 Uhr, Länge etwa drei Kilometer, Treffpunkt Parkplatz Bettlersruh.

Ochsenfurt (Jahnstraße, Neue Mainbrücke): Amerikahaus; ehemalige Bibliothek der US-Besatzung, 1945 errichtet; nur geöffnet zu den Führungen um 14.30 und 15.30 Uhr.

Würzburg (Hofstraße 11, Ecke Maxstraße 2): Mozartschule; denkmalgeschützte Anlage aus der Nachkriegszeit; geöffnet zu den Führungen um 10, 12, 14 und 16 Uhr; Treffpunkt im Foyer.

Würzburg (Frankfurter Straße 87): Gelände der Würzburger Bürgerbräu; Fabrikgebäude wurden ab 1896 errichtet und dienten bis 1989 der Bierproduktion; Führungen um 12 und 15 Uhr; Treffpunkt Auffahrt gegenüber Siebold-Museum; sonst auch geöffnet.

FOTOs: Bauer, Snater, Farkas, Toth, Rill, LRA MSP, Fritz, Müller, Obermeier, Finster

ONLINE-TIPP

Mehr Informationen und Bilder unter www.tag-des-offenen-denkmals.de

„In den Rückmeldungen heißt es, es sei das spannendste Motto.“
Carolin Kolhoff, Projektleiterin Tag des offenen Denkmals
 
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