Kurzbeschreibung der Autorin
Manuela Göbel, Jahrgang 1966, ist Diplom-Biologin und schrieb ihre ersten Artikel über Entwicklungsgene von Fruchtfliegen. Da sie aber Menschen dann doch stärker interessiert haben als Fliegen, wechselte sie vom Wissenschaftsjournalismus zur Main-Post. In der Lokalredaktion Würzburg berichtet sie über Politik und Projekte, große oder kleine Skandale am liebsten aber nach wie vor über Menschen und ihre Geschichten.
Warum unsere Autorin die Geschichte bis heute bewegt
Die Missbrauchsvorwürfe gegen einen Würzburger Pater beschäftigten mich so intensiv wie kaum ein anderes Thema. Nicht nur im Büro. Empörte Leser und mögliche Opfer haben mich zuhause angerufen und auf der Straße darauf angesprochen: Ist der Pater schuldig oder unschuldig? Im März 2010 verfolgte mich diese Frage bis in den Schlaf. Damals beherrschte der Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in Deutschland die Schlagzeilen.
In Würzburg ab Februar ganz besonders: Denn hier ging ein stadtbekannter Pater, dem frühere Schüler sexuelle Übergriffe in den 70er Jahren vorgeworfen hatten, in die Offensive: „Ich bin unschuldig“, sagte mir der 76-Jährige ins Gesicht. Er hatte rund 20 Jugendliche zum Gespräch mit mir mitgebracht und alle waren empört über meine Berichte zu möglichen Verfehlungen. Sie legten die Hand für seine Unschuld ins Feuer. Das taten auch zahlreiche andere Würzburger in Leserbriefen oder anderen Solidaritätsbekundungen.
Ich bin katholisch erzogen. Einen alten Mann im Ordinariat für einen Lügner zu halten, fiel mir schwer. Aber da waren eben auch die Opfer: Waren sie weniger glaubhaft? Ich begann eine umfangreiche Recherche. Machte alte Ermittlungsakten, Briefe und Zeitzeugen ausfindig und versuchte Menschen ausfindig zu machen, die als Schüler in Würzburg und Bonn mit dem Pater zu tun hatten. So fand ich erwachsene Menschen, die darunter litten, was ihnen als Kind oder Jugendlicher angetan wurde. „Habe ich dazu das Recht?“, fragte ich mich immer wieder. Denn den meisten viel es schwer, den Deckel aufzumachen, den sie seit Jahren über ihre Erlebnisse gelegt hatten.
Ende März erschien mein Artikel. Er erzählt die Geschichte eines Opfers, mit dem ich mich in Bonn getroffen hatte. Damit stand für mich fest: Der Pater hatte sich schuldig gemacht. Und der Orden hatte ihn gedeckt. Heute bin ich mir sicher, dass es richtig und wichtig war diesen Fall so intensiv aufzurollen. Vor allem für die Betroffenen: Denn nach und nach haben auch glühende Verehrer des Paters akzeptiert, dass ihre Leuchtgestalt offensichtlich auch dunkle Seiten hat. Auch wenn die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen Verjährung eingestellt wurden und kirchenrechtlich nichts gegen den Beschuldigten unternommen wurde, war es letztlich für Opfer heilsam, dass diese Geschichte ans Licht gekommen war. Nicht nur als späte Genugtuung. Sondern auch für ihre eigene Geschichte. Ein Mann hat zum Beispiel damals zum ersten Mal seiner Ehefrau davon erzählt. Ein anderer erstmals seinen Eltern.