Nur wegen einer Behinderung das Studium bleiben lassen? Das kam für Christoph Wendel nicht infrage. Der 28-jährige Würzburger, der an einer spinalen Muskelatrophie leidet, begann 2006, an der Würzburger Uni Astrophysik zu studieren. Das fand er so spannend, dass er auch promovieren wollte. Ermöglicht wurde ihm dies durch das Programm „PROMI – Promotion inklusive“. Dadurch erhält Christoph Wendel einen sozialversicherungspflichtigen 20-Stunden-Job als wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Stipendien sind für Menschen mit Handicap eher suboptimal. Sie beinhalten zum Beispiel keinen Rechtsanspruch auf Hilfsmittel. Das können spezielle Sehhilfen wie Lupenbrillen, Bildschirmlesegeräte oder Notebooks mit Zusatzausstattung für Sehbehinderte oder auch Arbeitsassistenz für Menschen mit körperlichem Handicap sein. Christoph Wendel, der 24 Stunden am Tag auf Unterstützung angewiesen ist, hat zwar eigene Assistenten, die ihn jeden Tag zur Uni begleiten. Für seine Arbeit am Physikalischen Institut benötigt er jedoch spezielle Eingabegeräte. Zusätzliche Kosten fallen für ihn als E-Rollstuhlfahrer außerdem an, wenn er auf Tagungen fährt.
An der Uni Tritt zu fassen, das sei für ihn 2006 nicht ganz einfach gewesen: „Aber das ist es für die anderen Studierenden ja auch nicht.“ Zu studieren, war nach dem Abitur schlicht „das Naheliegendste“, so der frühere Deutschhaus-Gymnasiast: „Ich wollte nicht nur zu Hause vor meinem Computer sitzen.“ Und eine Lehre, das sei für Menschen mit so schweren Beeinträchtigungen, wie er sie habe, eine kaum realisierbare Alternative. Da Wendel ein sehr gutes Diplom vorweisen konnte, war er ein Kandidat für das neue Programm. Das wiederum sieht Barbara Sponholz, Vizepräsidentin der Hochschule, als wichtigen Schritt zu einer „inklusiven Uni Würzburg“.
Bei allem guten Willen wird die Uni zwar nie komplett barrierefrei gemacht werden können. Doch viele wichtige Schritte sind in den vergangenen Jahren geschehen – nicht zuletzt durch die von Sandra Ohlenforst geleitete Kontakt- und Informationsstelle für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung (KIS). Ohlenforst, die auch das PROMI-Programm koordiniert, wünscht sich auf dem weiteren Weg zu einer inklusiven Hochschule vor allem eines: „Dass die Lehrenden Menschen mit Behinderung als ganz normale Studierende ansehen.“
In diesem Punkt liegt noch einiges im Argen. Denn so offen wie Professor Karl Mannheim, Leiter des Lehrstuhls für Astronomie, ist nämlich bei Weitem noch nicht jeder Dozent. Nach einer Studie des Deutschen Studentenwerks leiden Studierende mit Behinderung nicht selten unter taktlosen Dozenten, die nicht mit ihrem Handicap umgehen können.
Inklusion gibt es nicht gratis – und auch das Programm PROMI kostet. Ohlenforst: „30 Prozent müssen von der Uni bezahlt werden.“ Genauer gesagt, vom jeweiligen Lehrstuhl, der einen PROMI-Studierenden nimmt. „Natürlich tun uns die Kosten weh“, gibt Karl Mannheim mit Blick auf das angespannte Lehrstuhlbudget zu: „Doch andere Ausgaben tun das auch.“ Für ihn ist es sehr wichtig, dass alle Studierenden im wissenschaftlichen Wettbewerb die gleichen Chancen erhalten. Dies kann im Falle von Studierenden mit Behinderung nur durch Nachteilsausgleich geschehen. Von dem Programm PROMI sei er deshalb sofort überzeugt gewesen.
Mit der Astrophysik hat sich Christoph Wendel ein Orchideenfach ausgesucht. Doch eines, dessen Absolventen gefragt sind. „Und zwar in sämtlichen Berufen, in denen die analytische Durchdringung komplexer Aufgabenstellungen erforderlich ist“, so Karl Mannheim.
Dass in der Astrophysik noch viele Lücken klaffen, macht Forschung in diesem Feld sehr spannend. Christoph Wendel ist seit März dem Geheimnis extragalaktischer Gammastrahlen auf der Spur: „Wir möchten verstehen, wie diese Strahlen in der Galaxie erzeugt werden.“ Eine Frage, die er während der Promotionsphase am Rechner lösen will: „Ich überlege mir hierzu ein Modell und versuche, durch Berechnungen mithilfe der Computersimulation eine Erklärung zu finden.“