Vier Jahre ist für Bella und Paula alles gut gegangen. So lange haben sie in einer Bad Kissinger Praxis für Physiotherapie brav ihren Dienst als Therapieschweine mit Schwerpunkt auf Kinderneurologie und Neurophysiologie geleistet. Zuverlässig setzten sie Speck an, entlockten besonders verschlossenen Menschen durch bloße Anwesenheit und kleine Kunststückchen ein Lächeln und öffneten sie so für weitere Behandlung.
Zur Last gefallen sind die Minischweine zunächst niemand. Erst jetzt gibt es Widerstand. Nachbarn haben sich bei der Stadt beschwert. Wie es aussieht, werden Bella und Paula in der Folge weichen müssen.
Gehege im Frühjahr erweitert
Aktueller Anlass ist die Erweiterung des Geheges. Die Tiere hätten die Isolierung des Hauses angeknabbert, sagt ihre Besitzerin, auch im Garten aufgestellte Geräte hätten gelitten. Da habe sie sich entschlossen, den Wirkungsbereich der Schweine vergrößern zu lassen und dafür einiges Geld ausgegeben. Ihr Vorhaben habe sie auch bei Nachbarn angesprochen, erzählt die Physiotherapeutin, allerdings nicht bei allen.
Zum Problem geriet das, weil auf dem Nachbargrundstück Mieter gleich hinter dem Zaun eine Gartenterrasse angelegt haben. Das Ehepaar erzählt, es habe Kissingen vor zweieinhalb Jahren als Altersruhesitz gewählt. Damals waren die Schweine schon da. Doch sie seien kleiner gewesen und in einem anderen Bereich des Grundstücks untergebracht.
Nach dem Urlaub überrascht
Die Erweiterung des Geheges habe sie im Frühjahr nach der Rückkehr aus einem Urlaub überrascht, erzählen die Nachbarn. Jetzt grunzten gleich hinterm Zaun die Schweine. Auch vom Geruch sind die beiden nicht angetan. Zudem bereitet ihnen der Gedanke an Ungeziefer Sorge. Ihren Ärger über das, was sie „Schweinerei im Kurgebiet“ nennen, haben die Nachbarn nicht zur Halterin der Schweine getragen, sondern ins Rathaus.
Ganz abgeschlossen ist nach Angaben von Oberbürgermeister Kay Blankenburg die Überprüfung der Angelegenheit durch die Stadt noch nicht. Nach Blankenburgs Einschätzung läuft es aber mit großer Wahrscheinlichkeit darauf hinaus, dass die Haltung der Schweine „dort baurechtlich nicht zulässig ist“.
Mit „dort“ ist das Kissinger Kurgebiet gemeint. Dafür hat die Stadt seit Jahrzehnten eine eigene Satzung. Mit strengeren Regeln als in einem Wohngebiet. Enge Vorgaben gibt es für die Nutzung der Häuser, aber auch beim Immissionsschutz.
Dass sie für die Haltung eine Genehmigung braucht, war der Therapeutin bewusst. Als sie die Tiere 2009 anschaffte, rief sie deshalb eigens das Veterinäramt. Und das erteilte seine Zustimmung. Die Frau habe sich aus Sicht des Veterinäramtes korrekt verhalten, bestätigt Dr. Thomas Koy noch heute. Allerdings prüfe das Veterinäramt eben nur die Einhaltung der eigenen Belange. Andere Rechtsvorschriften blieben außen vor.
Genau das wird für Bella und Paula jetzt zum Problem. Sie sei damals nicht informiert worden, dass „die Erlaubnis auch der technischen Bauaufsicht obliegt“, berichtet die Besitzerin und deshalb überzeugt gewesen, alles unternommen zu haben, was rechtlich für die Zulassung der Tiere notwendig ist.
Besonders bitter ist aus ihrer Sicht, dass für ihre therapeutischen Versuche, verschlossene Menschen mit Tiertherapie aus der Isolation herauszuholen, Hunde genehmigungstechnisch weniger problematisch seien. Dabei sei deren Bellen im Zweifel lauter als das Grunzen der Schweine. Hundekot rieche zudem stärker als der von Bella und Paula. Die würden praktisch vegan ernährt.
Wirklich nützen werden ihr solche Argumente nicht mehr, davon ist die Besitzerin der Schweine überzeugt. Sie wolle auch nicht mit aller Gewalt kämpfen. Dafür sei es ihr viel zu wichtig, in Harmonie ihre Arbeit zu machen.
Abgeben in liebevolle Hände
Die Schweine an einem anderen Standort unterzubringen, haben wenig Sinn. Um sie therapeutisch einsetzen zu können, müssten sie einfach gleich bei der Praxis sein. Wenn sie aber die Tiere schon aufgeben müsse, sagt die Therapeutin, dann wenigstens, so, dass Bella und Paula nicht das übliche Schicksal von Nutzschweinen erleiden: „Ich suche gute und liebevolle Hände, in die ich sie abgeben kann.“
jedes artgerecht gehaltenes Schwein ist mir lieber als solche Nachbarn!