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STAMMHEIM
Stammheim lässt die Rollos runter
Das Zentrum von Stammheim: In einem ehemaligen Gasthaus (links) richtet die Partei „Die Rechte“ ihre Landeszentrale ein.
Foto: Anand Anders | Das Zentrum von Stammheim: In einem ehemaligen Gasthaus (links) richtet die Partei „Die Rechte“ ihre Landeszentrale ein.
Michael Czygan
,  Benjamin Stahl
 und  Norbert Finster
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:31 Uhr

Weitgehend mit Missachtung will die Bevölkerung von Stammheim (Lkr. Schweinfurt) am Sonntag dem Treiben von Rechtsextremisten begegnen. Lediglich eine ökumenische Andacht auf dem Dorfplatz ist als Protestmaßnahme gegen die Gründung der bayerischen Landeszentrale der Partei „Die Rechte“ geplant. Bei ihrer für den Abend angekündigten Demo-Marsch sollen die Neonazis durch ein menschenleeres Geisterdorf ziehen.

Wie mehrfach berichtet, hat eine Frau aus Erlangen der rechten Splitterpartei „Die Rechte“ einen ehemaligen Gasthof im Zentrum des beschaulichen Weinorts am Main vermietet. Für Pfingstsonntag hat die Gruppierung nun über die sozialen Netzwerke zum Landesparteitag und zur Eröffnung der Geschäftsstelle eingeladen. Insider rechnen mit 80 bis 100 Sympathisanten aus der rechten Szene, die nach Stammheim kommen könnten. Die Versammlung selbst muss im Freien auf dem Grundstück stattfinden: Das Landratsamt Schweinfurt hat die Nutzung des Hausinneren für den Parteitag untersagt. Für diesen Zweck gebe es keine Baugenehmigung.

Gescheitert ist das Landratsamt derweil mit dem Versuch, den für 20 bis 22 Uhr angemeldeten „Marsch des nationalen Widerstands“ der Neonazis um eine halbe Stunde vorzuverlegen, um so einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Dunkelheit entgegenzuwirken. Das Verwaltungsgericht Würzburg gab am Freitag einer Klage der „Rechten“ gegen eine solche Verschiebung statt. Zeitliche Auflagen verstießen gegen das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, heißt es in dem Beschluss.

Um gegen die Aktivitäten der Rechten zu protestieren, haben sich zahlreiche Menschen, die demokratischen Parteien, die Kirchen sowie Vereine und Verbände in Stammheim und Umgebung in den vergangenen Wochen zum Bündnis „Stammheim ist bunt“ zusammengeschlossen. Am Pfingstsonntag um 16 Uhr wollen sie bei einem ökumenischen Gottesdienst unter freiem Himmel – in Sichtweite der „Rechten“-Zentrale – ein Zeichen für Toleranz, Vielfalt und Weltoffenheit setzen. Bis zu tausend Teilnehmer werden erwartet. Unter anderem haben sich Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU), zu dessen Wahlkreis Stammheim gehört, und der Landesvorsitzende der Grünen, Eike Hallitzky, angekündigt.

Gegenüber der Redaktion betonte Eck, dass an diesem Tag „alle demokratischen Parteien zusammenstehen müssen“. Eck rät, man sollte „Die Rechte“ am Sonntag „mit Nichtbeachtung strafen. Mehr Beachtung dürfte die Partei dagegen seitens des Innenministeriums erfahren. Dort will man „Die Rechte“ weiter beobachten und auf Verfassungsmäßigkeit prüfen, kündigte der Staatssekretär an.

Für die SPD erklärte die Europaabgeordnete Kerstin Westphal (Schweinfurt) ihre Solidarität mit „Stammheim ist bunt“. In einer Demokratie sei „kein Millimeter Platz für Faschisten“. Feinden einer offenen pluralistischen Gesellschaft müsse deutlich die Stirn geboten werden. Der Gottesdienst an Pfingstsonntag könne da nur ein Anfang sein, so Westphal auf Anfrage.

Wenn die Neonazis schließlich am Abend durch das 900-Seelen-Dorf ziehen, sollen sie möglichst unter sich bleiben, hofft Horst Herbert, der Bürgermeister von Kolitzheim, der Gemeinde, zu der Stammheim gehört. Auch das Bündnis „Stammheim ist bunt“ unterstützt die Idee, den Rechten die kalte Schulter zu zeigen. Die Bürger wurden aufgefordert, Türen, Fenster und Rollos zu schließen, ihre Häuser zu verlassen, sich nicht zu zeigen und stattdessen beim Musikfest am Sportplatz friedlich zu feiern.

Ob diese Strategie am Sonntag aufgeht, muss sich zeigen. In Internet-Foren wurde neben viel Zustimmung auch Kritik an der Vorstellung laut, „dass Nazis unbehelligt durch Stammheim ziehen“. Dass sich linke Gruppen spontan auf den Weg an die Mainschleife machen, sei nicht auszuschließen, heißt es bei der Polizei. Man sei entsprechend vorbereitet.

 
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  • ra.kellermann@gmx.de
    programmieren die Rechten ihr Navi ja falsch und landen in Stuttgart-Stammheim, wär auch nicht schlecht... zwinkern
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  • Respekt für ein Dorf, das sich gegen die neonazistische Kleinpartei "Die Rechte" wehrt. Die Strategie der Bürgermeisters, den Neonazis am Abend des Sonntags des Ort praktisch zu überlassen und ihnen "die kalte Schulter" zeigen, wird nicht aufgehen. Diese zurückhaltende, ja ängstliche Botschaft wird ihre Wirkung nicht verfehlen und die Rechtsextremen für weitere Aufmärsche in Stammheim beflügeln. Das zeigen die Erfahrungen aus anderen Orten. Die Naivität der Stammheimer ist greifbar. Als Empfehlung darf man den Aufrechten mitgeben, sich bei Gleichgesinnten zu informieren. Erfolgreiche bunt-Bündnisse gibt es in der Region.
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  • kaleos
    kann man nur haben, wenn man keinen Haß schürt. Ich würde den Bürgermeister nicht als ängstlich sondern einfach nur besorgt um ein friedliches Wochende in seiner Großgemeinde bezeichnen. Die Aktionen seit Wochen beweisen, dass da keine Angst ist. Und die Bevölkerung ist auch nicht naiv sondern jeder hat sich hier seine Existenz in den letzten Jahren durch harte Arbeit aufgebaut und das will sich keiner kaputt machen lassen!! In diesem Sinne : auf ein friedvolles Pfingstwochenende in dem BUNTEN STAMMHEIM!!
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  • Hier liegt wohl eine grundlegende Fehleinschätzung vor. Es geht nicht nur um ein friedliches Wochenende in Stammheim, es geht um die dauerhafte Präsenz einer Neonazi-Truppe im Landkreis Schweinfurt, wo hunderte Flüchtlinge und Menschen anderer Hautfarbe und Religionszugehörigkeit leben, als sie der Einheimische Stammheimer vorweist. Mit einem friedlichen Wochenende ist es z.B. für die Flüchtlinge lange nicht getan. Ich will mir nicht vorstellen was möglich ist, wenn hundert Nazis in Stammheim ungehindert feiern indem ihnen die kalte Schulter gezeigt wird und anschließend die "Truppe" in der Gegend ihr Unwesen treibt. Deshalb nochmal: Allen bisherigen Aktionen ist Respekt zu zollen, reichen tut das noch lange nicht. Im Gegenteil, in dieser ängstlichen Form gerät der Sonntag zum Auftakt ...
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    ist wirklich gut und anscheinend rechtlich OK. So kann man diese Rechte auch mit dem Recht wirksam bekämpfen.
    Jetzt müsste man nur noch für Kälte und Regen sorgen können.
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  • ein entsprechender Antrag auf Nutzungsänderung muss, wenn alles baurechtlich ok ist, vom LRA SW genehmigt werden. Ansonsten gibt es ja noch den Rechtsweg.

    Diese Partei ist, was auch immer man von ihr halten möchte, legitim und muss dementsprechend behandelt werden. Da hilft auch die linke politische Gesinnung eines kleinen Bauamtsbeamten nix.

    Nennt man Demokratie, PKD. Ich weiß, das Wort können Sie nicht hören zwinkern
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