In die Geschäftsstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Würzburg ist seit inzwischen rund zehn Jahren ein für hörbehinderte Menschen wichtiger Service integriert: Die Vermittlungsstelle für Gebärdensprachdolmetscher. Etwa 200 Menschen mit einer Hörschädigung nehmen den Dienst in Anspruch, pro Jahr werden unterfrankenweit rund 1000 Einsätze vermittelt – am Arbeitsplatz, auf dem Standesamt, beim Arzt oder in der Führerscheinstelle.
Sechs Dolmetscherinnen sorgen dafür, dass „Inklusion“ für Hörbehinderte kein leerer Begriff bleibt. „Sie übersetzen beim Mitarbeitergespräch, bei Betriebsversammlungen, Vorstellungsgesprächen oder bei Fortbildungen“, erläutert Dolmetschervermittlerin Andrea Hörner. Muss ein gehörloser Mensch zur ärztlichen Untersuchung, erhält er ebenfalls eine Expertin für Gebärdensprache zur Seite. Hörner: „Außerdem kommen oft Kirchen auf uns zu.“ Von vielen Events wie Theaterabenden, Vorträgen, Kulturveranstaltungen und Tagungen bleiben Gehörlose allerdings nach wie vor ausgeschlossen – trotz Bayerischem Gleichstellungsgesetz.
Menschen mit dem Merkzeichen „GI“ für „gehörlos“ im Schwerbehindertenausweis haben Anspruch auf verschiedene Nachteilsausgleiche. Sie dürfen beispielsweise Busse und Züge im Nahverkehr kostenlos benutzen. Doch damit ist letztlich nur ein Bruchteil der behinderungsbedingten Nachteile kompensiert. Hörbehinderte stoßen in ihrem Alltag mindestens so häufig auf Barrieren wie Rollstuhlfahrer. Sie können zum Beispiel meist nicht spontan an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. Dafür bekommen sie keinen Dolmetscher finanziert. Aus Kostengründen engagieren auch die Veranstalter meist keinen Dolmetscher. Zumindest nicht nur auf den bloßen Verdacht hin, dass vielleicht ein Hörbehinderter kommt.
Wann ein Gebärdensprachdolmetscher umstandslos von der überörtlichen Sozialhilfe bezahlt wird, das ist der Bayerischen Kommunikationshilfenverordnung zu entnehmen. Demnach wird das Dolmetschen bei jeder Art von Verwaltungsverfahren, bei der Kommunikation mit Kindertageseinrichtungen, Tagespflegestellen und Schulen sowie gegenüber jedem „Träger öffentlicher Gewalt“ finanziert.
Wird am Arbeitsplatz ein Gebärdensprachdolmetscher benötigt, trägt das Integrationsamt die Kosten. Wer wann zahlt, das zu ermitteln ist laut Uta Schmitgen vom Sozialdienst für Hörgeschädigte des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in vielen Fällen sehr aufwendig.
Dolmetscher für Gebärdensprache müssen sich verschiedene Kompetenzbereiche aneignen, um ihren Beruf professionell ausüben zu können. Dass sie die Gebärdensprache sehr gut beherrschen, versteht sich von selbst. Darüber hinaus müssen sie sich die Gehörlosenkultur erschließen. Die Welt der gehörlosen Menschen unterscheidet sich laut Claudia Wenzel, staatlich anerkannte Gebärdensprachdolmetscherin in der Stadt Würzburg, gravierend von jener der Hörenden: „Zum Beispiel, was Umgangsformen und Verhalten betrifft.“ Aufgabe der Gebärdensprachdolmetscher ist es deshalb nicht zuletzt, Brücken zwischen den so verschiedenen Welten zu schlagen. Eben dies zu tun, ist auch Ziel der Würzburger Vermittlungsstelle.
Dolmetschervermittlung
Gehörlosen Menschen Gebärdensprachdolmetscher für Einsätze am Arbeitsplatz, bei Arztbesuchen, Behördengängen, Gerichtsterminen und Elternabenden zu vermitteln – dies ist Aufgabe der Dolmetschervermittlungsstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Würzburg. Auch für Beratungsgespräche etwa beim Rechtsanwalt werden Dolmetscher vermittelt. Zu den Aufgaben der Institution gehören daneben die Suche nach den jeweiligen Kostenträgern sowie die Sicherstellung der Finanzierung der Übersetzungsdienste. Die Dolmetschervermittlung ist an den Sozialdienst für Hörgeschädigte angegliedert. Die Vermittlungsstelle ist telefonisch unter (09 31) 3 54 01 10 und per Fax unter (09 31) 3 54 01 11 zu erreichen. Text: pat