Im Krankenhaus von Grenoble berieten die Ärzte von Michael Schumacher das weitere Vorgehen, draußen huldigten über hundert Ferrari-Fans dem lebensgefährlich verletzten Formel-1-Rekordweltmeister an dessen 45. Geburtstag. Wie es dem Kerpener, der seit Sonntag wegen seiner schweren Kopfverletzungen im künstlichen Koma liegt, wirklich geht, blieb aber auch am Freitag unklar.
Die letzten Informationen zu seinem stabilen, aber kritischen Zustand hatte es am Mittwoch gegeben. Seitdem heißt es von den Ärzten wie auch von Schumachers Managerin Sabine Kehm, dass erst bei Veränderungen wieder informiert werde.
Schumachers Familie, sein Bruder und sein Vater – sie alle sind in seiner Nähe. Der Gang ins Krankenhaus dürfte ihnen am Freitag noch schwerer gefallen sein als in den Tagen zuvor. Eigentlich wollte Schumacher auf seinen 45. Geburtstag im Winterdomizil in Méribel anstoßen.
Am Freitag wollten ihm aber auch einige seiner Fans nahe sein. Auf dem Parkplatz vor der Klinik entrollten sie eine riesige Ferrari-Fahne. Den Weg dekorierten sie mit roten Fahnen, Ferrari-Bannern und Plakaten: „Schumi – Alle unsere Gedanken sind bei Dir und Deiner Familie.“ Von 1996 bis Ende 2006 war Schumacher für den italienischen Traditionsrennstall gefahren, fünf seiner sieben WM-Titel holte er im Ferrari.
Via Twitter erreichten den ehemaligen Rennfahrer ebenfalls unzählige Glück- und Genesungswünsche. Tennis-Legende Boris Becker gratulierte: „Happy Birthday #Schumi #KaempfenSchumi.“ „Halt durch“, schrieb Schumachers ehemaliger Teamkollege Rubens Barrichello.
Derweil erlebt auch Sabine Kehm die wohl schwersten Tage ihrer Karriere als Managerin von Michael Schumacher. Mit möglichst professioneller Miene versucht die 49-Jährige, vor der Klinik in Grenoble den gewaltigen Ansturm Hunderter Medienleute und deren Gier nach neuen Nachrichten zu bändigen.
Kehm kennt das Geschäft. Unter Journalisten genießt die Frau aus Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) eine hohe Glaubwürdigkeit, sie ist eine von ihnen. 1987 hat sie als freie Mitarbeiterin in der Lokal- und der Sportredaktion der Main-Post in ihrer Heimatstadt ihre ersten Berichte geschrieben. Nach dem Volontariat an der Axel-Springer-Journalistenschule wurde sie Reporterin beim Magazin „Sports“, später in den Sportredaktionen der „Welt“ und der „Süddeutschen Zeitung“.
Als Willi Weber, der damalige Manager Schumachers, im Sommer 1999 anrief, um ihr den Job als Medienberaterin des Formel-1-Stars anzubieten, sagte sie spontan „nein“. Sie fürchtete einen „Schleudersitz“, schließlich könnte schon ein kleiner Fehler extreme Auswirkungen auf das Image des Rennfahrers haben. Weber aber ließ nicht locker, Chef Schumacher hatte sie von einem „Welt“-Interview in guter Erinnerung und wollte sie unbedingt.
Nach zwei Wochen Bedenkzeit sagte Sabine Kehm dann zu – unter Bedingungen. Eine davon war, so erzählte sie einmal im Gespräch mit dieser Zeitung, dass sie auch in kritischen Momenten stets direkten Zugang zu Schumacher haben wollte. „Mir war klar, ich muss an ihn ran, wenn's wirklich wichtig ist. Auch wenn er in seinem Zimmer hockt und richtig sauer ist, muss ich mit ihm sprechen können.“ Es funktionierte, den Seitenwechsel im Journalismus hat die Bad Neustädterin nie bereut. „Michael ist mir nie in den Rücken gefallen oder hat mich im Regen stehen lassen. Und er ist beratungsfähig. Ich schätze an ihm, dass er sich von guten Argumenten überzeugen lässt“, lobte sie den Chef 2010. Sabine Kehm hatte mittlerweile Willi Weber als Manager abgelöst und ist seitdem auch für die Vermarktung des siebenfachen Weltmeisters zuständig. Außerhalb der Familie steht ihm niemand näher. Medien schreiben von Schumachers „Schattenfrau“.
Sabine Kehm lebt in Genf in der Schweiz und leitet dort Schumachers Büro, das sich auch um die Ranch seiner Frau Corinna kümmert. Sie verhandelt mit Sponsoren und Anwälten, koordiniert Werbetermine und Medienanfragen. Die 49-Jährige weiß, Schumacher legt viel Wert auf seine Privatsphäre, die Klatschspalten der Regenbogenpresse wollte er immer schon möglichst meiden. Ein Anspruch, der jetzt nach dem Unglück in den Bergen erst recht gilt.
Sabine Kehm wird versuchen, ihn so gut es geht zu erfüllen. Und wird sich selbst dabei – wie immer – zurückzunehmen wissen. Es zeigt ihre Professionalität, dass sie vielen Versuchen, die „Blondine an Schumis Seite“ selbst ins Blickfeld zu rücken, immer widerstanden hat. Zu den wenigen Ausnahmen gehören das Gespräch mit dieser Zeitung 2010 – und ein Interview mit dem Online-Portal „motorsport-total.com“ 2012. Unter anderem schildert Sabine Kehm dort ausführlich, wie schwierig es ist, nach schweren Unfällen – etwa bei Schumachers Sturz vom Motorrad 2009 in Spanien – die eigenen Ängste zu beherrschen und gleichzeitig die richtigen Worte für die Öffentlichkeit zu finden. Erfahrungen, die ihr in diesen Tagen in Grenoble helfen dürften. Mit Informationen von Dpa