NÜRNBERG
Rock im Park: Ein Festival der Extreme

Unbändiges Verlangen nach Wasser bei über 30 Grad, ein durchgeknallter Star fällt von der Bühne und in der Nacht muss der Zeltplatz wegen eines Unwetters evakuiert werden - Rock im Park 2015, ein Festival der Extreme. Und ja: Einmal mehr auch ein Festival, das zeigt, wie Festival geht. 75.000 Fans feiern an drei Tagen ihre Bands, ihre Musik und nicht zuletzt sich selbst.
In der Nacht auf den Sonntag freilich sorgt etwas anderes für Lautstärke: ein starkes Gewitter mit sintflutartigen Regenfällen. Doch die Festival-Verantwortlichen reagieren verantwortungsvoll und vor allem rechtzeitig. Über die riesigen Bildschirme, Ansagen und auch Facebook werden die Menschen gebeten, sich zu überdachten Sammelstellen wie dem benachbarten Fußballstadion zu begeben. Selbst aus den Zelten holen die Ordnungskräfte bereits Schlafende. Tore werden geöffnet, Absperrungen entfernt. Bloß keine Massenpanik. Und tatsächlich: Alles geht gut, das mit großer Verspätung dann doch noch Nürnberg zwischen 2 und 4 Uhr erreichende Unwetter hinterlässt Spuren, aber keinen Schaden. Ein bisschen anders hatte das noch tags zuvor beim Eifel-Zwilling Rock am Ring ausgesehen. Dort gab es nach drei Blitzeinschlägen 33 Verletzte, die erste Meldung von sechs Schwerverletzten bestätigte sich aber glücklicherweise nicht. DJ Fritz Kalkbrenner hatte seinen nächtlichen Auftritt vorsichtshalber abbrechen müssen.
In Nürnberg muss derweil niemand wegen des Wetters abbrechen. Eher wegen einiger Einschläge in der eigenen Psyche: Der exzentrische Schockrocker Marilyn Manson nämlich “krönt” seinen zwischen musikalischer Genialität und bizarrer Selbstüberschätzung Achterbahn fahrenden Auftritt mit einem Sturz von der Bühne: “Es hat sich gelohnt, sich für euch ein Bein zu brechen” lallt der grell geschminkte Manson - und hört auf.
Wie man zu später Stunde deutlich professioneller mit seiner Headliner-Verantwortung umgeht, zeigen nebenan die Toten Hosen. Verlässlich wie ein Uhrwerk spulen Campino und Co ihre Hit-Sammlung herunter, zündeln mit Bengalos und hinterlassen eine beseelte Meute. Das machen am Freitag die Foo Fighters nicht viel anders. Dumm nur: Nach zweieinhalb Stunden mit den US-amerikanischen Alternative-Rockern wollen Zigtausende rüber zu den Nu-Metallern Slipknot vor die kleinere Bühne. Dass das nicht gehen kann, hätte den Veranstaltern genauso klar sein sollen wie die Tatsache, dass die sieben maskierten Amis der heimliche Headliner des Abends sein würden. Einlasssperren sorgen vorübergehend für Verärgerung. Die längst verflogen ist, wenn am Sonntag The Prodigy und Deichkind die musikalischen Rausschmeißer geben.
Nach 20 Jahren Rock im Park ist das eben eine richtige Familie geworden: Veranstalter Marek Lieberberg weiß, was die Leute wollen und gibt es ihnen; wie selbstverständlich auch beim noch zehn Jahre älteren Rock am Ring. Die Fans danken’s mit Treue. Da war der Umzug innerhalb Bayerns 1997 von München nach Nürnberg genauso folgenlos wie 2015 vom Hockenheimring an den Flugplatz Mendig. Alle Festivals ausverkauft - das kann die Konkurrenz von sich nicht behaupten.
Nach Differenzen zwischen Lieberberg und dem Nürburgring-Betreiber hatte nämlich der Veranstalter DEAG eine bewusst auffällig ähnliche Festival-Trilogie ins Leben gerufen: eines in der Eifel (die “Grüne Hölle” als Ring-Nachfolger), eines in Bayern (das “Rockavaria” in München) und eines in Österreich. Einzig: Die Rechnung ging insbesondere in der Eifel nicht auf, wo die Liebe der Fans zum bewährten Konzept größer war als zur ebenfalls bewährten Kultstätte.
Der Rest ist Geschichte: Die DEAG zog nach schleppendem Vorverkauf und ebenfalls Streitigkeiten mit dem Ringbetreiber in die kleinere Schalker Fußball-Arena um, Lieberberg nach Mendig - mit 90.000 Fans. Dass es auf Schalke und in München deutlich weniger sind, hat seine Gründe. Musik-Festivals sind zweifellos ein boomender Markt, immer neue sprießen aus dem Boden neben Platzhirschen aller Genres wie Rock im Park, Rock am Ring, Southside, Hurricane, Wacken, Summerbreeze, Nature One oder dem Serengeti. Neue Veranstalter wittern das Geschäft, gleichzeitig wird die Luft dünn - Festivalbesucher wachsen eben nicht auf der Plantage.
Und sie sind offenbar feinfühlig. Gerade bei den Mainstream-Festivals ist die Bandauswahl elementar. Und während sich die “Grüne Hölle”-Macher mit einem zu Heavy-Metal-lastigen Line Up um KISS (gefällt den Älteren, die aber weniger auf mehrtägige Festivals gehen) und Metallica vergaloppierten, weiß man im Hause Lieberberg offenbar, dass die jungen Leute längst die Scheuklappen abgelegt haben und mehrgleisig fahren: heute zu Metalcore von Callejon wilde “Circle-Pits” und eine “Wall of Death” aufführen, anschließend zu Kalkbrenner tanzen und morgen schon bei Hip Hop von Deichkind wie ein Gummiball vor der Bühne hopsen - wo liegt das Problem?
Und wer es schafft, sich weiter beständig Jahr für Jahr sein Festival verlässlichen Publikumsmagneten wie den Toten Hosen, Motörhead, Beatsticks, Foo Fighters oder eben Deichkind als deren Wohnzimmer anzubieten, der braucht sich um die Zuschauerzahlen kaum Sorgen machen. Zufrieden lehnt sich Marek Lieberberg denn auch 2015 zurück und lässt wissen: “50 Jahre lebendige Rock-Geschichte an zwei Schauplätzen sind ein Spiegelbild musikalischer Strömungen und Zeitenwenden. Rock am Ring und Rock im Park haben der Schnelllebigkeit und wechselnden Moden erfolgreich widerstanden.”
Dass es ohne ein bisschen Mode dann auch in Nürnberg nicht geht, beweisen vor allem die Mädels. Während die Jungs in ihrer Alternative zu kurzer Hose und Bandshirt eher in peinlichen Hasenkostümen, Borat-Badeanzügen oder geschmacksbefreiter Körperbemalung stecken bleiben, geben die Damen Gas: Neben dem obligatorischen Hotpants-Bikinitop-Mix gibt’s Blumen im Haar, luftige, helle Sommerkleidchen und ausladende Hüte - ein Hauch von Coachella, dem US-amerikanischen Festival mit der (angeblich) höchsten Model-Dichte im Publikum. Ein Hauch…
In der Nacht auf den Sonntag freilich sorgt etwas anderes für Lautstärke: ein starkes Gewitter mit sintflutartigen Regenfällen. Doch die Festival-Verantwortlichen reagieren verantwortungsvoll und vor allem rechtzeitig. Über die riesigen Bildschirme, Ansagen und auch Facebook werden die Menschen gebeten, sich zu überdachten Sammelstellen wie dem benachbarten Fußballstadion zu begeben. Selbst aus den Zelten holen die Ordnungskräfte bereits Schlafende. Tore werden geöffnet, Absperrungen entfernt. Bloß keine Massenpanik. Und tatsächlich: Alles geht gut, das mit großer Verspätung dann doch noch Nürnberg zwischen 2 und 4 Uhr erreichende Unwetter hinterlässt Spuren, aber keinen Schaden. Ein bisschen anders hatte das noch tags zuvor beim Eifel-Zwilling Rock am Ring ausgesehen. Dort gab es nach drei Blitzeinschlägen 33 Verletzte, die erste Meldung von sechs Schwerverletzten bestätigte sich aber glücklicherweise nicht. DJ Fritz Kalkbrenner hatte seinen nächtlichen Auftritt vorsichtshalber abbrechen müssen.
In Nürnberg muss derweil niemand wegen des Wetters abbrechen. Eher wegen einiger Einschläge in der eigenen Psyche: Der exzentrische Schockrocker Marilyn Manson nämlich “krönt” seinen zwischen musikalischer Genialität und bizarrer Selbstüberschätzung Achterbahn fahrenden Auftritt mit einem Sturz von der Bühne: “Es hat sich gelohnt, sich für euch ein Bein zu brechen” lallt der grell geschminkte Manson - und hört auf.
Wie man zu später Stunde deutlich professioneller mit seiner Headliner-Verantwortung umgeht, zeigen nebenan die Toten Hosen. Verlässlich wie ein Uhrwerk spulen Campino und Co ihre Hit-Sammlung herunter, zündeln mit Bengalos und hinterlassen eine beseelte Meute. Das machen am Freitag die Foo Fighters nicht viel anders. Dumm nur: Nach zweieinhalb Stunden mit den US-amerikanischen Alternative-Rockern wollen Zigtausende rüber zu den Nu-Metallern Slipknot vor die kleinere Bühne. Dass das nicht gehen kann, hätte den Veranstaltern genauso klar sein sollen wie die Tatsache, dass die sieben maskierten Amis der heimliche Headliner des Abends sein würden. Einlasssperren sorgen vorübergehend für Verärgerung. Die längst verflogen ist, wenn am Sonntag The Prodigy und Deichkind die musikalischen Rausschmeißer geben.
Nach 20 Jahren Rock im Park ist das eben eine richtige Familie geworden: Veranstalter Marek Lieberberg weiß, was die Leute wollen und gibt es ihnen; wie selbstverständlich auch beim noch zehn Jahre älteren Rock am Ring. Die Fans danken’s mit Treue. Da war der Umzug innerhalb Bayerns 1997 von München nach Nürnberg genauso folgenlos wie 2015 vom Hockenheimring an den Flugplatz Mendig. Alle Festivals ausverkauft - das kann die Konkurrenz von sich nicht behaupten.
Nach Differenzen zwischen Lieberberg und dem Nürburgring-Betreiber hatte nämlich der Veranstalter DEAG eine bewusst auffällig ähnliche Festival-Trilogie ins Leben gerufen: eines in der Eifel (die “Grüne Hölle” als Ring-Nachfolger), eines in Bayern (das “Rockavaria” in München) und eines in Österreich. Einzig: Die Rechnung ging insbesondere in der Eifel nicht auf, wo die Liebe der Fans zum bewährten Konzept größer war als zur ebenfalls bewährten Kultstätte.
Der Rest ist Geschichte: Die DEAG zog nach schleppendem Vorverkauf und ebenfalls Streitigkeiten mit dem Ringbetreiber in die kleinere Schalker Fußball-Arena um, Lieberberg nach Mendig - mit 90.000 Fans. Dass es auf Schalke und in München deutlich weniger sind, hat seine Gründe. Musik-Festivals sind zweifellos ein boomender Markt, immer neue sprießen aus dem Boden neben Platzhirschen aller Genres wie Rock im Park, Rock am Ring, Southside, Hurricane, Wacken, Summerbreeze, Nature One oder dem Serengeti. Neue Veranstalter wittern das Geschäft, gleichzeitig wird die Luft dünn - Festivalbesucher wachsen eben nicht auf der Plantage.
Und sie sind offenbar feinfühlig. Gerade bei den Mainstream-Festivals ist die Bandauswahl elementar. Und während sich die “Grüne Hölle”-Macher mit einem zu Heavy-Metal-lastigen Line Up um KISS (gefällt den Älteren, die aber weniger auf mehrtägige Festivals gehen) und Metallica vergaloppierten, weiß man im Hause Lieberberg offenbar, dass die jungen Leute längst die Scheuklappen abgelegt haben und mehrgleisig fahren: heute zu Metalcore von Callejon wilde “Circle-Pits” und eine “Wall of Death” aufführen, anschließend zu Kalkbrenner tanzen und morgen schon bei Hip Hop von Deichkind wie ein Gummiball vor der Bühne hopsen - wo liegt das Problem?
Und wer es schafft, sich weiter beständig Jahr für Jahr sein Festival verlässlichen Publikumsmagneten wie den Toten Hosen, Motörhead, Beatsticks, Foo Fighters oder eben Deichkind als deren Wohnzimmer anzubieten, der braucht sich um die Zuschauerzahlen kaum Sorgen machen. Zufrieden lehnt sich Marek Lieberberg denn auch 2015 zurück und lässt wissen: “50 Jahre lebendige Rock-Geschichte an zwei Schauplätzen sind ein Spiegelbild musikalischer Strömungen und Zeitenwenden. Rock am Ring und Rock im Park haben der Schnelllebigkeit und wechselnden Moden erfolgreich widerstanden.”
Dass es ohne ein bisschen Mode dann auch in Nürnberg nicht geht, beweisen vor allem die Mädels. Während die Jungs in ihrer Alternative zu kurzer Hose und Bandshirt eher in peinlichen Hasenkostümen, Borat-Badeanzügen oder geschmacksbefreiter Körperbemalung stecken bleiben, geben die Damen Gas: Neben dem obligatorischen Hotpants-Bikinitop-Mix gibt’s Blumen im Haar, luftige, helle Sommerkleidchen und ausladende Hüte - ein Hauch von Coachella, dem US-amerikanischen Festival mit der (angeblich) höchsten Model-Dichte im Publikum. Ein Hauch…
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