Die Historikerin Petra Ney-Hellmuth (Foto dpa) kam als Studentin im Jahr 2007 erstmals mit der Klingenberger Teufelsaustreibung in Berührung. Damals wurde im Diözesanarchiv eine Ausstellung zum 100. Geburtstag des Würzburger Bischofs Josef Stangl präsentiert. Bis heute wird sein Name weltweit mit dem tragischen Tod Anneliese Michels in Verbindung gebracht. Mit dem „Fall Klingenberg“ haben sich bereits mehrere Bücher und Filme befasst. Petra Ney-Hellmuth hat nun die erste wissenschaftliche Analyse der Ereignisse verfasst. Ihre Doktorarbeit am Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Universität Würzburg ist unter dem Titel „Der Fall Anneliese Michel. Kirche, Justiz, Presse“ im Würzburger Verlag Königshausen & Neumann erschienen (301 Seiten, 29,80 Euro).
Petra Ney-Hellmuth: Der Fall fesselt die Menschen bis heute. Wenn es um Exorzismus oder um Kirchenkritik geht, sei es über eher fortschrittlich liberale, aber auch über erzkonservative religiöse Einstellungen, oder um Horrorfilme über Teufelsaustreibung, dann ist man immer gleich bei Anneliese Michel. Ich fand den Fall sehr spannend, auch weil noch niemand vor mir die Akten einsehen durfte. Das ist für Forscher natürlich ein zusätzlicher Ansporn, sich mit einem Thema zu befassen.
Ney-Hellmuth: Das war nicht mein Ziel oder meine Absicht bei der Wahl des Themas. Mich interessierte, anhand bislang unbearbeiteter Quellen zu erforschen, warum dieser Fall so einschlug, warum er zu so heftigen Reaktionen führte, zum Beispiel in der Presse und in den dort veröffentlichten Leserbriefen. Und ich wollte die gesellschaftlichen Hintergründe und kirchenpolitischen Haltungen aufarbeiten.
Ney-Hellmuth: Ich hatte die Unterstützung durch meinen Doktorvater Professor Wolfgang Altgeld. Und ich war ja dort auch bereits bekannt, weil ich an der Ausstellung über Bischof Stangl mitgearbeitet habe. Ich denke, man hat schnell erkannt, dass ich mich seriös mit dem Thema auseinandersetze, das ja immer noch sehr brisant ist. Es gab eine Offenheit, weil ich ein wissenschaftliches Interesse in meinem Antrag formuliert habe. Die Verantwortlichen, Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand und Diözesanarchivdirektor Professor Johannes Merz, mussten also keine Angst haben, dass meine Arbeit zu populär oder sensationsheischend wird.
NeY-Hellmuth: Beide sind Wissenschaftler und hatten viel Einsicht in Unterlagen, die ihnen von der Familie Michel ausgehändigt worden sind. Deswegen konnten sie, was die Abläufe der Ereignisse anbelangt, relativ genau berichten. Aber es sind meines Erachtens keine wissenschaftlichen Arbeiten. Die Autoren nennen kaum Belege oder Fußnoten. Deshalb ist es schwierig, ihre Schilderungen nachzuvollziehen. Jetzt, nachdem ich die Akten eingesehen habe, fällt auf, dass die Autoren zwar eng dran waren, aber sie sind auch sehr tendenziös und bewertend. Goodman kommt ja zu dem Schluss, dass Anneliese Michel besessen gewesen und an einer Medikamentenvergiftung gestorben sei. Das behauptet sie, ohne Belege anzuführen. Und Uwe Wolff schreibt sehr emotional, erzählerisch und spekulativ.
Ney-Hellmuth: Als Historiker entwickelt man eine professionelle Herangehensweise, eine gewisse Distanz. Aber natürlich hat mich das Schicksal Anneliese Michels sehr betroffen gemacht, gerade zu Beginn meiner Recherchen. Das lässt einen nicht kalt.
Ney-Hellmuth: Es gab Anrufe von Leuten, die zwar freundlich im Ton, aber mit mir nicht einer Meinung waren. Es gab auch Aufforderungen, diesen oder jenen Hinweisen nachzugehen oder mit bestimmten Leuten aus dem Spessart zu reden, die mir noch spezielle Informationen geben könnten. Darauf habe ich nicht reagiert, weil sie für mich beziehungsweise für meine Arbeit sicher nicht von Nutzen sind. Zumindest gehe ich davon aus, dass sie rein spekulativer Natur sind.
Ney-Hellmuth: Meine Doktorarbeit beruht auf reiner Quellenarbeit. Ich saß allein ein Jahr lang im Staatsarchiv und im Diözesanarchiv und habe die Akten gesichtet.