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WÜRZBURG
Professor Ulrich Vogel über die Wirksamkeit und Mühe der Händedesinfektion
Melanie Jäger
Melanie Jäger
 |  aktualisiert: 10.06.2015 11:04 Uhr

Multiresistente Keime gehörten zu den Themen, über die beim G-7-Gipfel gesprochen wurde. Infektionen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Einrichtungen zu vermeiden, ist eine Herausforderung. Wie wichtig Hygiene ist und wie sie funktionieren kann, erklärt Professor Ulrich Vogel vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universitätsklinik Würzburg.

Frage: Es gibt ein Kindergartenlied, da heißt es im Refrain: Händewaschen kann doch jedes Kind! Warum haben Erwachsene in einem reichen Land wie Deutschland im Jahr 2015 dann solche Problem damit?

Ulrich Vogel: Ob reiches oder armes Land: so was macht immer Mühe, man muss den „inneren Schweinehund“ immer wieder aufs Neue überwinden, auch wenn die Zeit knapp ist oder man einen langen Dienst hinter sich gebracht hat. Weltweit müssen daher auch die Profis, also die Mitarbeiter im Gesundheitsdienst, immer wieder angestoßen und motiviert werden. Daher gibt es in vielen Ländern Kampagnen wie die Aktion Saubere Hände unter dem Dach der Weltgesundheitsorganisation.

Sie sind Leiter der Stabsstelle Krankenhaushygiene der Uniklinik und vertreten das Fach Hygiene in der Ausbildung von Studierenden der Fächer Medizin und Zahnmedizin, dozieren auch regelmäßig bei Hygieneschulungen für alle Mitarbeiter des Klinikums. Wie nachhaltig wirkt das, was Sie den Fachkräften da vermitteln?

Vogel: Die Mitarbeiter haben komplexe Arbeitsfelder, denen ihr vorrangiges Interesse gelten muss: das Legen von Herzkathetern, schwierige Operationen oder Chemotherapien. Auch Studierende interessieren sich erst einmal für das Erlernen des Lesens eines EKGs. Wir müssen daher in der Hygiene Wege finden, wie wir Hygienethemen auf interessante Weise vorbringen, auch wenn an regelmäßigen Pflichtschulungen kein Weg vorbei führt, um eine gewisse Nachhaltigkeit zu erreichen.

Wie können solche Wege aussehen?

Vogel: Wir bringen seit ungefähr einem Jahr jeden Monat einen „Hygienetipp des Monats“ im Intranet des Klinikums heraus, der verschiedenste Themen beleuchtet. Erfreulich ist, dass unsere Studierenden und Pflegeschüler bei unseren Beobachtungen und Kontrollen vor Ort häufig sehr positiv auffallen, was die Händehygiene angeht.

Als Laie kann man sich schwer vorstellen, dass Menschen, die in Krankenhäusern arbeiten, zum Thema ,Saubere Hände' geschult werden müssen. Händedesinfektion ist doch kein Hexenwerk – oder doch?

Vogel: Die Händedesinfektion ist einfach, auch wenn es im Arbeitsalltag oft schwierig ist, immer wieder 30 Sekunden für diese stetig zu wiederholende Tätigkeit aufzubringen. Was geschult werden muss, ist das Erkennen, wann eine Händedesinfektion durchgeführt werden muss. Hierzu sind von der Weltgesundheitsorganisation fünf Situationen oder Momente der Händedesinfektion im klinischen Ablauf definiert worden. Diese muss man in der Praxis in die eigenen Prozesse integrieren. Man muss die Indikationen verinnerlichen und seine Abläufe so planen, dass die Händedesinfektionen ohne großen Zeitverlust integriert werden können.

Wie reagieren Mitarbeiter, wenn Sie von Ihnen auf Hygienemängel angesprochen werden?

Vogel: Da das Hygienefachpersonal einen unvoreingenommenen Blick auf Abläufe hat, kann es zum Beispiel bei unseren Kontrollen helfen, Prozeduren so zu optimieren, dass die Hygienequalität verbessert und das Infektionsrisiko gesenkt werden. Das wird im Allgemeinen von den Mitarbeitern sehr positiv aufgenommen. Auch wird geschätzt, wenn wir die Strukturen in Ambulanzen oder auf Stationen bezüglich der Hygienetauglichkeit analysieren und Maßnahmen zur Verbesserung vorschlagen.

Werden diese Vorgaben von allen umgesetzt?

Vogel: In einem sehr großen Betrieb mit unterschiedlichsten Fachabteilungen und Berufsgruppen gibt es natürlich immer auch Konflikte bei der Umsetzung von Vorgaben des Hygieneplans. Es arbeiten dort sehr viele Menschen, die unterschiedlich reagieren. Bewusste Nachlässigkeit würde ich aber nur selten unterstellen. Die Konflikte entstehen vor allem dort, wo die Sinnhaftigkeit oder Praktikabilität von Vorgaben und Richtlinien, die ja nicht in Stein gemeißelt sein müssen, angezweifelt werden. Hier ist von beiden Seiten Dialogbereitschaft gefordert.

Halten Sie Ihre Kinder zum Händewaschen an? Und was ist dran an dem Rat, man solle es als Eltern mit der Hygiene an seinen Kindern nicht übertreiben, weil die sonst keine natürlichen Abwehrkräfte mehr bilden könnten und Allergien entwickeln würden?

Vogel: Ja, auch das ist oft mühsam. Das komplexe wissenschaftliche Problem der Allergieentstehung sollten kompetente Allergologen und Immunologen beurteilen. Ich weiß aber, dass die erheblichen Verbesserungen der Hygiene in unserem normalen Lebensumfeld genauso wie Impfungen mit dazu beigetragen haben, dass wir heutzutage eine so hohe Lebenserwartung haben. Auch bezweifle ich, dass die Reduktion von viralen und bakteriellen Durchfall- und Atemwegserkrankungen durch eine sinnvolle Händehygiene das Allergierisiko erhöht.

Welche Messlatte haben Sie sich gesetzt – ab wann können Sie sagen: ,Geschafft!'?

Vogel: Hygiene im Krankenhaus ist Teil der Qualitätssicherung und ein fortlaufender Prozess. Außerdem gibt es immer wieder Vorkommnisse, die unsere Aufmerksamkeit erfordern, wie zum Beispiel Ebola. „Geschafft“ werden wir wohl nicht sagen können und auch nicht wollen.

Professor Ulrich Vogel

Dr. Ulrich Vogel, Professor am Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg, ist Leiter der Stabstelle Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums. Er vertritt das Fach Hygiene in der Ausbildung von Studierenden der Fächer Medizin und Zahnmedizin. Zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten gehört unter anderem die Pathogenität und molekulare Epidemiologie von Meningokokken. Von 2002 bis 2004 war er stellvertretender Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Meningokokken. Vogel ist verheiratet und hat zwei Kinder.

 
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