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Plötzlich Eltern
Adoption: Silke und Christopher Frey erzählen über ihr Leben mit drei Kindern verschiedener Herkunft – und von ihrer großen Liebe zu ihnen.
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 23.12.2015 11:54 Uhr

Konzentriert befüllt der kleine Bennet im Garten den Burgbrunnen seiner Ritterburg mit Wasser. Dass da einiges danebengeht, stört den Vierjährigen nicht. Er ist selbstbewusst, schließlich hat er ja seine Matschhose an. Währenddessen spielt seine zehnjährige Schwester Angelina Fußball. „Ich bin Bayern-Fan“, sagt sie, grinst und balanciert den Ball auf ihrem rechten Knie.

Der achtjährige Ian spielt sogar im Verein, gönnt sich aber gerade eine Auszeit in der Sonnenliege. Auch Mama Silke Frey genießt das sommerliche Wetter und kümmert sich um die Pflanzen. Gleich kommt auch ihr Mann, Christopher Frey, nach Hause. Er arbeitet als Anwalt in Würzburg. Eine ganz normale Familie. Mit dem kleinen Unterschied, dass die drei Kinder nicht die leiblichen Kinder der Freys sind. Angelina und Ian sind adoptiert, Bennet lebt zur Vollzeitpflege bei den Freys.

„Wichtig ist nicht, sie geboren zu haben, sondern sie großzuziehen und ihnen Liebe zu schenken“, sagt Silke Frey. Multikultureller als bei der Versbacher Familie kann es kaum zugehen: Angelina hat kolumbianische Wurzeln, Ian eine südkoreanische Mutter und einen deutschen Vater, und der kleine, dunkelhäutige Bennet ist Deutsch-Amerikaner. „Wenn wir unterwegs sind, fallen wir natürlich auf.“

Schon von klein auf wusste die heute 40-Jährige, dass sie einmal Kinder haben möchte. Zwei leibliche und ein adoptiertes – so war der Plan. Nachdem Silke und der gleichaltrige Christopher geheiratet hatten, und die damals 28-Jährige nach einem Jahr immer noch nicht schwanger war, begann sie sich Sorgen zu machen. „Man fragt sich schon, was mit einem nicht stimmt. Vor allem, wenn im Freundeskreis alle problemlos schwanger werden“, erzählt Silke Frey offen.

Das junge Ehepaar versuchte es mit einer Hormonbehandlung. Aufgrund des Alters rechneten die Ärzte ihnen beste Chancen aus. Doch es wollte nicht klappen. „Nach ein paar erfolglosen Versuchen beschloss ich, die Einnahme der Hormone zu beenden. Es ist einfach sehr anstrengend für den Körper.“ Es habe dann einige Zeit gedauert, die eigene Kinderlosigkeit anzunehmen. Aber „ich wusste ja, dass ich mir vorstellen kann, ein Kind zu adoptieren.“ Auch ihrem Mann gefiel der Gedanke, und das Paar entschied sich für die Auslandsadoption eines Kindes aus Kolumbien über eine anerkannte deutsche Vermittlungsagentur.

Schon das Ausfüllen der Fragebögen stellte die erste Hürde dar. „Man wird mit theoretischen Fragen überrannt, die einen teilweise überfordern. Wir haben das Formular immer wieder zur Seite gelegt und mehrere Wochen gebraucht, bis alles ausgefüllt war“, erinnert sie sich. Dann folgten Gespräche, Hausbesuche, psychologische Gutachten – sowohl von der Vermittlungsstelle als auch vom Jugendamt. „Es muss einem klar sein, dass man zum Wohle des Kindes auf Herz und Nieren getestet wird“, erklärt Christopher Frey. „Aber wir haben ja nichts zu verheimlichen.“

Nachdem der bürokratische Teil, insbesondere das Übersetzen der Unterlagen, erledigt war, dauerte es noch ein Jahr, bis der ersehnte Anruf kam. „Das werde ich nie vergessen. Wir sind dann nach Bogotá in Kolumbien geflogen, und alles ging ganz schnell. Plötzlich waren wir Eltern“, erzählt Silke Frey. Fläschchen geben hier, Windeln wechseln dort, kurze Nächte und die elterliche Sorge, was dem Baby denn fehlen könnte, wenn es schreit. Da war Angelina neun Monate alt. „Wir waren drei Wochen mit ihr in Kolumbien, bis die Formalitäten der Adoption erledigt waren. Vom ersten Moment an hatten wir sie in unser Herz geschlossen.“

Ähnlich war es zwei Jahre später bei Ian. „Allerdings war er erst fünf Tage alt, als wir ihn im Krankenhaus abholten“. Mit einem Säugling zu Hause – das sei eine Herausforderung gewesen. Zumal die Inlandsadoption über das Jugendamt Würzburg die Freys im Urlaub in Ägypten überraschte. „Wir kamen zurück und brauchten von jetzt auf gleich Kinderbettchen, Kinderwagen, Windeln und Fläschchen.“ Froh ist die quirlige Finanzbuchhalterin bis heute über die Unterstützung aus dem Jugendamt Würzburg. Ihre Ansprechpartnerin Jutta Hartmann habe bei allen Problemen zur Seite gestanden.

Während das Paar Angelina aus dem Kinderheim abholte, war es bei Ian eine Offene Adoption. „Das Kind wurde mir von der leiblichen Mutter übergeben“, so Silke Frey. Ein schwieriger Moment für beide Frauen. „Ich würde keine Mutter verurteilen, die ihr Baby zur Adoption freigibt. Es ist eine sehr mutige Entscheidung, damit das Kind ein besseres Leben führen kann.“

Wichtig war den Freys, mit offenen Karten zu spielen. Es gab nicht „den besonderen Moment“, in dem ihre Kinder erfahren haben, dass sie adoptiert sind oder in Pflege leben. „Wir haben von Anfang an einfließen lassen, dass sie leibliche Eltern haben, die sie nicht großziehen können, aber dennoch lieb haben.“ Silke Frey redet von der „Bauchmama“ als leibliche Mutter und „ich bin die Mama, bei der das Kind aufwächst“.

Viele Bücher zum Thema Adoption reihen sich im Wohnzimmer aneinander. Eines von Ians Lieblingsbüchern heißt „Und dann kamst du – und wir wurden eine Familie“. Stolz zeigt er auf seine Schatztruhe mit Baby-Fotos und einem Ring, den ihm seine leibliche Mutter geschenkt hat. Zu ihr hat er Kontakt, ebenso zu seinen leiblichen Großeltern. Auch Ians Geschwister haben eine persönliche Schatztruhe. Den Freys war es so wichtig, dass die Kinder ihre Wurzeln kennen, dass sie sich auf die Suche nach Angelinas Familie in Kolumbien machten. Mit Erfolg. „Wenn Angelina groß ist und Kolumbien und ihre leibliche Mutter kennenlernen möchte, dann machen wir das.“ Ihr kolumbianisches Fußballtrikot jedenfalls hat die Zehnjährige sehr gerne an. „Vielleicht lerne ich auch mal Spanisch“, sagt sie. Nie haben Silke und Christopher Frey die Entscheidung zu adoptieren bereut. „Es war die beste unseres Lebens. Wir würden es genauso wieder tun, trotz mancher Schwierigkeiten“, sagt Silke Frey. Die Reaktionen im Freundes- und Bekanntenkreis waren positiv. Ebenso in der Öffentlichkeit. „Rassistische Bemerkungen sind mir zum Glück noch nicht untergekommen. Davor würde ich meine Kinder natürlich beschützen.“ Dass der kleine Bennet zur Vollzeitpflege lebt und das Sorgerecht weiter in den Händen der leiblichen Mutter liegt, mache im direkten Zusammenleben keinen Unterschied, erklärt Christopher Frey. Dank einer Vollmacht kann das Ehepaar für ihn umfassend Entscheidungen treffen.

„Er ist unser Jüngster und wir lieben ihn genauso wie unsere anderen Kinder.“ Kein Wunder, sitzt dem Vierjährigen doch der Schalk im Nacken. Während er eine Kostprobe seines Trommelkönnens gibt und Beifall erntet, schwingt sich Ian auf den Kletterbaum. Er grinst. Eine kleine Zahnlücke kommt zum Vorschein. Und Angelina ruft aus dem oberen Stockwerk: „Maaama, kannst Du mir einen Kakao machen?“ Eine ganz normale Familie eben.

Fakten rund um die Adoption

Adoption leitet sich vom Lateinischen „adoptio“ (annehmen) ab. Man versteht darunter die Annahme eines Kindes durch einen Erwachsenen oder ein Ehepaar, sodass dieses die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes erhält. Für verheiratete Paare, die an einer Adoption interessiert sind, gibt es zwei Möglichkeiten: die Adoption im Inland oder eine Auslandsadoption. Angestrebt wird von vielen deutschen Jugendämtern inzwischen eine offene Adoption. Diese ermöglicht den direkten Kontakt von leiblichen Eltern zu Kind und Adoptiveltern, erklärt Jutta Hartmann, die beim Jugendamt Würzburg für Adoption und Vollzeitpflege zuständig ist. „Die Erfahrung zeigt, dass eine frühzeitige Aufklärung des Kindes über seine Adoption der beste Weg ist.“ Bei der Inkognitoadoption – die früher die Regel war – bleiben die Daten für beide Seiten geheim. Das Adoptivkind hat aber ab dem Alter von 16 Jahren das Recht, in die Vermittlungsakten einzusehen. Bei einer halb offenen Adoption indes können die leiblichen Eltern Kontakt per Brief und Fotos halten – indirekt über das Jugendamt. Wenn sich ein Paar für eine Adoption entscheidet, ist das zuständige Jugendamt der Ansprechpartner. Ein selbst verfasster Lebensbericht, tabellarische Lebensläufe, Geburts- und Heiratsurkunden, erweiterte polizeiliche Führungszeugnisse, ärztliche Atteste, Verdienst- und Vermögensnachweise müssen zusammengetragen werden. Persönliche Gespräche und ein Hausbesuch stehen auf dem Plan. Für eine Auslandsadoption muss prinzipiell eine staatlich anerkannte Auslandsvermittlungsstelle eingeschaltet werden. Bewerber sollten sich auf lange Wartezeiten und Kosten für das Verfahren – je nach Herkunftsland des Kindes – bis zu 20 000 Euro einstellen.

Manche Bewerber können sich die Aufnahme eines Pflegekindes vorstellen. Das Eignungsverfahren für Pflegeeltern ist das gleiche wie bei Adoptionsbewerbern, die Elternschaft liegt aber weiterhin bei den leiblichen Eltern.

Mehr Informationen gibt es bei der Fachabteilung für Sozialpädagogische Fachdienste – Vollzeitpflege, Adoption, Tel. (09 31) 37 37 59, E-Mail: jutta.hartmann@stadt.wuerzburg.de

 
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