Vor zehn Jahren noch sprach die Grünen-Landesvorsitzende Margarete Bause am Grab von Petra Kelly. Wenn sich heuer am 1. Oktober der Todestag der grünen Galionsfigur zum 20. Mal jährt, ist sie bei den früheren Parteifreunden fast vergessen. Die Würzburger Tibet-Initiative ist es, die regelmäßig an die streitbare Menschenrechtsaktivistin und Pazifistin erinnert. Zum sechsten Mal lädt Sprecher Bernd J. Fertig am Sonntag zu einer kleinen Feier ans Grab auf dem Waldfriedhof. Dort wurde Petra Kelly am 26. Oktober 1992 beerdigt.
Zwischen zehn und 20 Interessierte sind es, die Fertig alljährlich an die Ruhestätte führt. Der Grabstein ist eine steinerne Kerze, auf die eine drehbare Weltkugel montiert ist, dekoriert mit Szenen aus dem politischen Leben der Kelly. Darunter ein Spruch, der ihr Wirken gut charakterisiert: „Mit dem Herzen denken“. Menschenrechte, Frieden, Ökologie – schonungslos bis zur Selbstaufgabe hat Petra Kelly für ihre Ideale gestritten. Sie hat vielen mit ihrer Gradlinigkeit Mut gemacht, mit ihrer Kompromisslosigkeit aber auch etliche vor den Kopf gestoßen.
Bereits in den 60er Jahren in den USA kämpft Kelly gegen Rassismus und Krieg. Früh engagiert sie sich in der Umwelt- und Friedensbewegung. Ideologische Grenzen kennt sie nicht. Dem von China besetzten Tibet gilt ihre Unterstützung ebenso wie der demokratischen Opposition im Ostblock. In Deutschland ist ihr Name untrennbar verbunden mit der Gründung der Grünen. 1983 gehört die leidenschaftliche Pazifistin zu den ersten Grünen-Abgeordneten im Deutschen Bundestag.
An ihrer Seite Gert Bastian, Jahrgang 1923. Der General a. D., 1980 vom Bundesverteidigungsminister wegen seiner Kritik an der NATO-Nachrüstung als Kommandeur der 12. Panzerdivision in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) abberufen, wird politisch und privat Kellys ständiger Begleiter im weltweiten Einsatz für die Unterdrückten, aber auch bei zahllosen Querelen in der eigenen Partei.
Nachdem die West-Grünen 1990 den Wiedereinzug in den Bundestag verpassen, wird es still um die beiden. Viele Legenden ranken sich um ihr verzweifeltes Bemühen um öffentliche Resonanz, um ihre privaten Beziehungskämpfe, um die hilflos-tragische Abhängigkeit voneinander.
Am 19. Oktober 1992 entdeckt eine Nachbarin die Leichen von Petra Kelly und Gert Bastian in deren Bonner Haus. Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass der Ex-General vermutlich schon in der Nacht zum 1. Oktober seine schlafende Lebensgefährtin und anschließend sich selbst erschossen hat. Die Justiz geht von einem „doppelten Selbstmord“ aus. Weggefährten bezweifeln indes, dass Petra Kelly sterben wollte.
Über 500 Gäste kommen zur Trauerfeier auf den Waldfriedhof, darunter prominente Grüne wie Joschka Fischer und Antje Vollmer, die DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley, der russische Schriftsteller Lew Kopelew und der Publizist Franz Alt. Pfarrer Jörg Zink, Mitstreiter in der Friedensbewegung, würdigt Petra Kelly als „Jeanne d'Arc unserer Tage“.
Warum aber Würzburg? Petra Kelly ruht im Grab an der Seite ihrer Halbschwester Grace Patricia. Diese war 1970 mit nur zehneinhalb Jahren an Krebs gestorben. Nachdem die Krankheit 1966 ausgebrochen war, ließ sich ihr Vater John Kelly, Oberstleutnant bei der US-Armee, nach Deutschland versetzen. In einer Heidelberger Spezialklinik wurde die kleine Grace behandelt. Die Familie wohnte, so die Recherchen von Bernd J. Fertig, von 1967 bis 1969 in den Würzburger Leighton Barracks, später dann in Mannheim.
Petra Kelly studierte seinerzeit bereits in den USA, besuchte aber so oft sie konnte die geliebte Schwester in Deutschland. „Weil Petra Kelly kaum Geld hatte, die Flüge zu bezahlen, schrieb sie dem damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, er solle ihr ein Ticket zum Krankenbesuch besorgen“, erzählt Fertig und lacht: „Sie setzte schon damals auf ihre später viel gefürchtete ,letter-power'.“ Die Hartnäckigkeit zahlte sich aus: „Die Würzburger Caritas hat ihr den Flug bezahlt.“ Auf ähnliche Weise habe Petra Kelly auch eine Papstaudienz für Grace durchgedrückt.
Bei Spaziergängen soll sich die Schwester rund um den Waldfriedhof besonders wohl gefühlt haben. „Deshalb“, so der Sprecher der Tibet-Initiative, „fiel die Entscheidung für das Familiengrab in Würzburg“. Anekdoten, die helfen, die Erinnerung wachzuhalten – an die, wie Fertig sagt, „ungekrönte Königin der europäischen Friedensbewegung“.
Die Gedenkfeier der Tibet-Initiative Würzburg für Petra Kelly am Sonntag, 30. September, beginnt um 14 Uhr am Grab auf dem Waldfriedhof.
Petra Kelly
Geboren 1947 wächst Petra Kelly in Günzburg und ab 1959 in den USA auf. Während ihres Politikstudiums in Washington engagiert sie sich im Präsidentschaftswahlkampf für Robert Kennedy. Ab 1972 ist sie in Brüssel für die Europäische Kommission tätig. 1979 ist sie Gründungsmitglied der Grünen und Kandidatin für das Europaparlament. Schwerpunkt ihrer politischen Tätigkeit ist die Umwelt-, Friedens- und Minderheiten-Politik. 1983 gehört sie der ersten Bundestagsfraktion der Grünen an; im Parlament bleibt sie bis 1990. Petra Kellys am Ende tödliche Beziehung zu dem früheren Bundeswehrgeneral Gert Bastian, ist unter anderem Thema eines Buchs von Alice Schwarzer („Eine tödliche Liebe“, 1994) und eines sehenswerten ARD-Fernsehfilms („Kelly/Bastian – Geschichte einer Hoffnung“, 2001). Text: Micz