Mit der „Agenda 21“ hat 1992 die Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro ein Leitbild für eine nachhaltige Entwicklung der Welt entwickelt. Seither ist in Unterfranken ein breites Spektrum an Initiativen und Arbeitskreisen entstanden, die auf kommunaler Ebene neue Ideen für eine nachhaltige Lebensführung erarbeiten. Für Regierungspräsident Paul Beinhofer, der zu einer Tagung unterfränkische Agendaverantwortliche in die Erasmus-Neustetter-Halle in Rottendorf (Lkr. Würzburg) eingeladen hatte, handelt es sich hierbei um „Denkfabriken“, in denen Bürger gemeinsam an einer „zukunftsfähigen Entwicklung der Gemeinden“ arbeiten.
Mit Rottendorf hat die Regierung von Unterfranken eine Gemeinde ausgewählt, in der seit 1998 eine lebendige Agenda-21-Arbeit stattfindet. In zehn Arbeitskreisen, die neben ökologischen auch wirtschaftliche und soziale Fragen im Blick haben, engagieren sich rund 80 Bürger. Auf ihre Initiative gehen etwa ein P+R-Parkplatz am Bahnhof, eine neue Bahnunterführung zum neuen Industriegebiet und eine direkte Busverbindung zur Würzburger Universität zurück. Aber auch der Ausbau des Heimatmuseums, die Anlage neuer Wanderwege und die Unterstützung der Vereine gehören dazu. Im Vorjahr hat die Gemeinde für das Engagement das bayerische Gütesiegel „Nachhaltige Bürgerkommune Bayern“ erhalten. „Unsere Arbeit wird vom Gemeinderat anerkannt und nicht als Konkurrenz empfunden“, erklärte Norbert Gold vom Beirat des Rottendorfer Agenda-21-Projekts.
Auf einem Marktplatz für nachhaltige Projekte stellten sich zwanzig weitere Gruppen und Arbeitskreise vor. Die Projekte reichten vom „Schlaraffenburger Apfelsaft“, das die Stadt Aschaffenburg seit 2002 zusammen mit dem Landesbund für Vogelschutz durchführt, um die regionstypischen Streuobstwiesen zu erhalten, über das Erlebnisangebot „Königswald“ der Katholischen Jungen Gemeinde (KjG) Mömlingen im Odenwald bis zur Würzburger Allianz „Pro Straßenbahn“.
Als Umweltbeauftragter des Bistums Würzburg legte Edmund Gumpert dar, dass der Agenda-Prozess anfangs keineswegs ein Selbstläufer gewesen sei. In Deutschland seien den Beschlüssen von Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten vielerorts langjährige Bemühungen lokaler Initiativen und eine intensive Bildungsarbeit von Kirchen, Verbänden und Naturschützern vorausgegangen. „Die Bürger ließen sich nicht so leicht entmutigen, weder durch mildes Belächeln ihres Idealismus und ihrer vermeintlich verrückten Ideen noch durch die abwehrende Haltung gewählter Mandatsträger.“
Nach Ansicht von Professor Martin Faulstich, dem Vorsitzenden des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung, besteht auch nach zwanzig Jahren dringender Handlungsbedarf. „Wenn ökologische Grenzen nicht eingehalten werden, dann sind absehbar gravierende Auswirkungen auch für Wirtschaft und Gesellschaft zu befürchten“, sagte er in seinem Vortrag „Verantwortung in einer begrenzten Welt“. Dies ist auch der Grundgedanke des Umweltgutachtens, das er im Juni an Bundesumweltminister Peter Altmaier übergeben hat.