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Nazi-Treffen mit Tonstörung
Kürnach - Die Szenerie war erschreckend. Dort, wo es sonst so idyllisch ruhig ist, auf einem abgelegenen Aussiedlerhof im fränkischen Kürnach (Landkreis Würzburg) trafen sich Mitte Juli etwa 600 Skinheads zu einer angeblich privaten Geburtstagsfeier.
Von unserem Mitarbeiter Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 03.12.2006 22:29 Uhr
Kürnach war nur eine zufällige Notlösung. Eigentlich hätte das Konzert der Skinhead-Bands in Miltenberg stattfinden sollen. Dort allerdings bekamen die Veranstalter keine Genehmigung. Über Umwege trafen sie in Kürnach auf einen Landwirt, dem es finanziell nicht besonders gut geht. Unter dem Vorwand, in der Scheune des Bauern eine private Geburtstagsfeier abhalten zu wollen, erhielten die Organisatoren des Skinhead-Treffens das Einverständnis des Kürnachers und der braune Spuk nahm seinen Lauf. Etwa gegen 14 Uhr, so berichten Augenzeugen, trafen die ersten Neo-Nazis am 17. Juli auf dem abgelegenen Gelände ein. Auch die Polizei bekam Wind von dem Geschehen und war, wie Pressesprecher Wolfgang Glücker mitteilt, mit ausreichenden Kräften im Einsatz und führte im Umfeld umfangreiche Kontrollen durch. Sieben Personen, so der Polizeisprecher, wurden vorübergehend festgenommen. Auch 380 CDs mit rechtsextremistischem Liedgut wurden sichergestellt.

Wie erst am Mittwoch durch einen Filmbeitrag im Magazin "Zeitspiegel" des Bayerischen Fernsehens bekannt wurde, ist das Skinhead-Treffen von der Vereinigung "Hammerskins" veranstaltet worden. Auch das Landesamt für Verfassungsschutz hat dies mittlerweile gegenüber der Main-Post bestätigt. In der Fernseh-Reportage wurden auch sonst eher seltene Video-Aufnahmen von einem Beobachter der rechten Szene gezeigt. Während es außerhalb der Scheune "ruhig und ordentlich" zuging, traten in der Halle drei Skinhead-Bands auf. Darunter die Gruppe "Tonstörung", die in der rechten Szene unter anderem durch eine Neuverfassung des SA-Liedes "Blut muss fließen" als äußerst populär gilt. Hinter verschlossenen Türen und für die Gesetzeshüter unsichtbar hing auf der Bühne die Flagge des Veranstalters "Hammerskins Franken". Auch Hitlergrüße, Sieg-Heil-Rufe, Liedzeilen wie "Wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik" sind auf den Insider-Video-Aufnahmen zu sehen und zu hören.

Die Organisatoren des Konzertes, die Skinheadvereinigung Hammerskins, ist den bayerischen Verfassungsschützern als gewaltbereit bekannt. 120 Mitglieder soll es bundesweit geben, doch in Bayern konnte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz nur Einzelpersonen ausmachen. Im Halbjahresbericht des Landesamtes, der am Mittwoch von Innenminister Günter Beckstein vorgestellt wurde, ist die rechtsextreme Gruppierung gar nicht erwähnt. Im Gegenteil: Die Verfassungsschützer gehen von einem ?allgemeinen Rückgang der szene-spezifischen Aktivitäten? aus und auch die Zahl der Skinhead-Konzerte in Bayern sei rückläufig ? von 13 Konzerten im ersten Halbjahr 2003 auf sechs Veranstaltungen im vergleichbaren Zeitraum 2004.

Der im Fernsehbericht zitierte Beobachter des Kürnacher Nazi-Treffens jedoch hatte einen anderen Eindruck. Er sprach davon, dass die Hammerskins äußerst organisiert auftraten. Etwa 15 Jugendliche, das ist auf den Filmaufnahmen zu sehen, gebärdeten sich als "schwarze Sheriffs" und trugen T-Shirts mit dem Logo der Hammerskins. Auch Getränkebons mit dem gleichen Zeichen darauf wurden verteilt. Die bayerischen Verfassungsschützer jedoch, so ein Sprecher gegenüber dieser Zeitung, betrachten die Hammerskins weiter als "elitären Zirkel", dem in Bayern nur wenige Einzelpersonen angehören.

Für die Polizeidirektion Würzburg ist der Besitzer des Aussiedlerhofes der eigentliche Veranstalter des Treffens. Gegen ihn, so Wolfgang Glücker, werde nun wegen möglicher Verstöße gegen das Gaststättengesetz und gegen die Bauordnung ermittelt. Die Veranstaltung in Kürnach selbst hätte nur dann verboten werden können, wenn die Polizei im Vorfeld des Skinhead-Konzertes Straftaten festgestellt hätte oder "gravierende ordnungsrechtliche Verstöße vorliegen. Einen Zugang zum Veranstaltungsgelände hatte die Polizei nicht", sagte Glücker. Die Masche allerdings, ein Skinhead-Konzert als Geburtstagsfeier zu tarnen, ist nicht neu. Das Landeskriminalamt Niedersachen warnte bereits im Jahr 2001 in einer Informationsbroschüre davor, dass "Rechtsextremisten unter dem Vorwand einer Geburtstagsfeier unter Beteiligung von Skindbands größere Treffen oder Veranstaltungen organisieren".

 
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