Der Prozess gegen den früheren Präsidenten des FC Bayern München, Uli Hoeneß, und die öffentlich gewordene Selbstanzeige der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer haben viele Steuersünder in Bayern aufgeschreckt. Bei Finanzämtern wird „gebeichtet“, was das Zeug hält: In Bayern gingen im ersten Quartal 2014 viermal so viele Selbstanzeigen ein wie im ersten Quartal 2013.
Von Januar bis März gab es nach Angaben des Finanzministeriums 2030 Selbstanzeigen von Bürgern, die bisher verborgene Kapitalerträge in der Schweiz nachmeldeten. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es nur 530. Deshalb sind nun zusätzliche Steuereinnahmen von 80 Millionen Euro (Vorjahr 23 Millionen) zu erwarten.
Wie viele Steuersünder aus Unterfranken kommen, ist schwer festzustellen. Zwei Anwälte aus der Region bestätigten dieser Zeitung, sie seien aktuell namhaften Mandanten bei der Selbstanzeige behilflich, nannten aber keine Namen. Auch die Finanzbehörden halten sich bedeckt. Beim Bayerischen Landesamt für Steuern heißt es: „Eine Veröffentlichung regionaler Zahlen könnte das Steuergeheimnis verletzen.“ Erfahrungsgemäß dürfte sich der Wert bei etwa einem Zehntel der landesweiten Zahlen bewegen; das wären für Unterfranken rund 200 Selbstanzeigen mit zusätzlichen Steuereinnahmen von rund acht Millionen Euro.
Schwere Fälle – die nicht durch eine wirksame Selbstanzeige der Strafverfolgung entgehen – landen in Unterfranken bei der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Steuer- und Wirtschaftsdelikte in Würzburg. „Tendenz steigend“ lässt sich aus der Bilanz des Leitenden Oberstaatsanwaltes Dietrich Geuder ablesen: 2011 waren es noch 124, im Jahr darauf 151 und im vorigen Jahr wurden 156 Verfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung eingeleitet. 2013 registrierten die Behörden in ganz Bayern 3940 Selbstanzeigen. Daraus resultierten Steuermehreinnahmen von 228 Millionen Euro. Ein ähnlicher Effekt wie nach dem Hoeneß-Prozess war bundesweit bereits 2008 nach der öffentlichkeitswirksamen Durchsuchung beim früheren Postchef Klaus Zumwinkel beobachtet worden.
Uli Hoeneß war wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen im März vom Landgericht München zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Es wird erwartet, dass er seine Haftstrafe nach Ostern antritt.
„In Bayern hatten wir seit 2010 über 11 100 Selbstanzeigen, durch die wir 850 Millionen Euro eingenommen haben“, sagt Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU). Er plädiert für eine deutliche Verschärfung des geltenden Rechts. Nach einer Selbstanzeige soll der Strafzuschlag verdoppelt werden auf zehn statt fünf Prozent. Selbstanzeigen sollen nur noch bis zu einem Limit von einer Million Euro strafbefreiend sein.
Söder war im Landtag immer wieder Ziel massiver Attacken der Opposition. Der unterfränkische Abgeordnete Volkmar Halbleib (SPD) hatte betont, man müsse davon ausgehen, dass die Dunkelziffer der hinterzogenen Beträge weit höher liege als von der Staatsregierung angegeben: „Insgesamt muss mit Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe gerechnet werden.“ Nach Einschätzung des SPD-Finanzexperten aus Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) werde Steuerhinterziehung im Freistaat besonders leicht gemacht, weil Bayern bei der Personalausstattung der Finanzämter im Ländervergleich Schlusslicht ist. Halbleib: „Die Staatsregierung muss sich vorhalten lassen, dass sie dadurch Steuerhinterzieher sehenden Auges davonkommen lässt.“
Bundesweit haben Selbstanzeigen seit 2010 drei Milliarden Euro Steuern eingebracht. Bei 70 000 Selbstanzeigen ging es im Schnitt um 50 000 Euro Steuern, die nachgezahlt wurden.