Der Verzicht von Andreas Kümmert auf die Teilnahme beim Eurovision Song Contest (ESC) nach seinem Sieg beim Vorentscheid ist auch am Tag nach dem Fernseh-Eklat Tagesgespräch nicht nur in der Heimat des unterfränkischen Bluessängers. Wie in Teilen der Auflage bereits berichtet, verzichtete der 28-Jährige auf das Ticket zum weltweit größten Musikfestival am 23. Mai in Wien, obwohl ihn die TV-Zuschauer zu ihrem Wunschkandidaten gekürt hatten.
3,2 Millionen Menschen schalteten die Liveübertragung aus Hannover am Donnerstagabend ein, rund 750 000 weniger als im Vorjahr. Kümmert sang sich mit seiner Reibeisenstimme in die Herzen des Publikums. Mit dem rockigen „Heart of Stone“ sollte er in Wien auftreten, auch die Ballade „Home is in my Hands“ sorgte für Ovationen. Die sieben Mitbewerber hatten keine Chance. Beim Telefon-Voting gab es laut ARD 1,54 Millionen Anrufe. In allen Runden lag Kümmert vorn. Im Finale entschieden sich sagenhafte 78,7 Prozent der Anrufer für den Gemündener. 21,3 Prozent stimmten für die Hamburger Sängerin Ann Sophie.
Die 24-Jährige rückt nun für Kümmert nach, der betont hatte, er sei nicht in der Verfassung, die Zuschauer-Wahl anzunehmen. Offenbar habe der Sänger während des Auftritts gespürt, dass er „seinem Traum“ nicht folgen könne, so Sigi Schuler, Manager bei der Plattenfirma Universal. Der zu erwartende Medientrubel, das Interesse an seiner Person auch über den Bühnenauftritt hinaus habe ihm Angst gemacht. ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber zeigte sich fassungslos über diesen in der deutschen ESC-Geschichte einzigartigen Zwischenfall, zollte Kümmert aber Respekt für den Mut, Nein zu sagen.
In Kümmerts Heimatstadt Gemünden (Lkr. Main-Spessart) schwankten die Reaktionen der Menschen zwischen Unverständnis und Respekt für den Sänger. Dessen 73-jähriger Opa Walter Joa fand, sein Enkel sei sich treu geblieben: „Andreas liebt die große Show überhaupt nicht.“ Der Rummel sei riesig, „und was, wenn ein Mensch an so einem Erfolg kaputtgeht, an dem ganzen Kommerz?“
Auch Musikerkollegen in der Region versuchten, Kümmert zu erklären. Dieser sei ein unberechenbarer Typ, der nicht mache, „was man von ihm erwartet“, sagte der Gitarrist Jochen Volpert. In Internetforen wird Verständnis für Kümmert geäußert, viele Fernsehzuschauer machen aber auch ihrem Ärger Luft. Wer sich beim ESC bewerbe, müsse sich auch an die Spielregeln halten, heißt es.
Kümmert selbst äußerte sich nach der Sendung nicht mehr, er war auch am Freitag nicht zu erreichen. Ein an diesem Samstag in Karlstadt geplantes Konzert mit Kümmert war am Freitagabend noch nicht abgesagt.
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