
Jürgen Krenzer nennt es den „Ah-wie-schön-Effekt“. Auf der Milseburg in der Rhön kann man ihn genießen, den weiten Blick über die Landschaft. Krenzer führt seine Gäste gerne auf den 835 Meter hohen Berg, weil man hier sieht, warum die Rhön in Reiseprospekten als „Land der offenen Fernen“ vermarktet wird. Nichts „Modernes“ stört den Landschaftsgenuss im Dreiländereck von Bayern, Hessen und Thüringen. Vor allem – keine Windräder.
„Solch eine offene Landschaft ohne sichtbare Zeichen technischer Zivilisation ist in Deutschland selten geworden“, sagt der Gastwirt und überzeugte Lokalpatriot. Die Vorstellung, dass sich auch hier einmal Windkraft-Ungetüme drehen könnten, ist ihm ein Graus. Er fürchtet nicht nur um das Panorama, sondern auch um seine Gäste. Seit ein paar Jahren setzt er im Biosphärenreservat Rhön erfolgreich auf Ökotourismus mit regionaler Identität. Die üblichen, mehr oder weniger austauschbaren Wellnessangebote sind nicht sein Ding. „Wir haben hier doch schon längst Wellness“, kalauert Krenzer. „Auf 185 000 Hektar.“
Seit die Politik ernst zu machen scheint mit der Energiewende, sind überall in Bayern Bürgerinitiativen aus dem Boden geschossen, die Front machen gegen Biogasanlagen, Solarparks, Pumpspeicherkraftwerke und – vor allem – Windkraftwerke. Im Landkreis Aichach ist etwa die Initiative „Rückenwind fürs Erlauholz“ aktiv, die gegen einen Windpark in einem Waldgebiet der Bayerischen Staatsforsten kämpft. Die Initiative „Gegenwind Jurahöhe“ engagiert sich gegen Monsterpropeller zwischen Beilngries und Hersbruck. Ganz schlicht „Unser Wald e.V.“ nennen sich Windkraftgegner im Landkreis Dachau.
Ihre Befürchtungen sind immer ähnlich: Es geht um drohende Landschaftsverschandelung, störenden Schattenwurf und Lärmbelästigungen durch riesige Rotoren in der Nähe von Wohngebieten, gefährlichen Eiswurf im Winter und negative Auswirkungen auf den Artenschutz. In relativ unberührten Regionen wie der Rhön kommt noch ein weiteres Argument hinzu: Windräder als Touristenschreck. Die weiten, oft baumlosen Hochflächen dieses Mittelgebirges sind nicht nur für Naturfans ein Dorado, sondern auch für potenzielle Windmüller. Längst haben sich Windkraftinvestoren die besten Claims gesichert. Ob und wo sie bauen können, hängt jetzt unter anderem von den Regionalplanern ab, die die Mühlen in „Vorranggebieten“ konzentrieren, große Teile der Rhön aber von den Anlagen freihalten wollen. Derzeit sind Windkraftanlagen im Biosphärenreservat Rhön tabu. „Ob die Dämme halten, wissen wir noch nicht“, sagt Martin Kremer von der Hessischen Verwaltungsstelle des Reservats. Auch er kann sich in der Rhön nur schwer Horden von Windrädern vorstellen.
Stören sich Touristen wirklich an Windkraftwerken in der Urlaubslandschaft? Um mit harten Fakten aufwarten zu können, hatte der Bundesverband Deutsche Mittelgebirge bei der Uni Jena eine repräsentative Studie zur „Akzeptanz von Windenergieanlagen in deutschen Mittelgebirgen“ erstellen lassen, deren Ergebnisse jüngst auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin vorgestellt wurden. Demnach stehen 31 Prozent der Befragten einer Zunahme von Windmühlen in deutschen Mittelgebirgen negativ gegenüber.
Wenn auch nur ein Viertel der Gäste wegen der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch Windmühlen zu Hause bliebe oder anderswo Erholung suche, sei dies für den Rhön-Tourismus eine Katastrophe, sagt Michael Pfaff, Geschäftsführer der Tourismus GmbH in Bad Neustadt. Allein in der Bayerischen Rhön drohten ein Rückgang der touristischen Wertschöpfung in Höhe von 60 Millionen Euro und der mögliche Verlust von 1650 Arbeitsplätzen. „Für eine Wanderhütte würden Umsatzeinbußen von 26 Prozent bei der ohnehin klammen Situation der Gastronomie unweigerlich zur Schließung führen.“
Professionelle Windkraftbefürworter halten das für Schwarzmalerei. „Alles sehr subjektiv“, sagt ein Sprecher des Bundesverbandes Windenergie. „Die einen sagen, es verschandelt die Landschaft, die anderen finden es schön.“ Ob es so schlimm kommen wird, wie manche Windkraftskeptiker befürchten, ist unklar. Die Staatsregierung hält an ihren Ausbauzielen fest, wonach bis 2021 sechs bis zehn Prozent des Stromverbrauchs durch Windenergie gedeckt werden sollen. Dafür wären bis zu 1500 neue Windräder nötig, zusätzlich zu den 554, die sich heute schon im Freistaat drehen. Eine mögliche Kürzung der Einspeisevergütung nach dem EEG für Windstrom könnte auch dazu führen, dass Windkraftwerke nur noch an exponierten Standorten in den häufig landschaftsgeschützten Mittelgebirgsregionen rentabel werden. Der Druck auf die schönen bayerischen Landschaften würde dann zunehmen, sagt Herbert Barthel, Energiereferent des Bundes Naturschutz in Bayern.
frido49
DENN, wenn wir weiter soviel CO² in die Luft pusten, wirds auch in der Rhön bald anders aussehen. Und mal ehrlich, da ist ein Windpark das kleinere Übel.
Und wenn der Herr Krenzer damit angibt, das man hier in der Rhön 185000 HEKTAR Fläche hat, wird sich sicher eine Ecke finden lassen, an der es auch für Pseudoökos hinnehmbar ist. Ansonsten: grün anmalen.
Wenn wir die Rhön und andere Ecken retten wollen, müssen wir die Möglichkeiten nutzen die sie bieten