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WÜRZBURG
Infoabend: Mit Schwerhörigkeit gut leben
Wichtige technische Hilfe für Schwerhörige: Mit Hilfe einer Induktionsschleife kann Theo Köller das Fernsehprogramm wieder verstehen.
Foto: t. Müller | Wichtige technische Hilfe für Schwerhörige: Mit Hilfe einer Induktionsschleife kann Theo Köller das Fernsehprogramm wieder verstehen.
Von unserem Redaktionsmitglied Hannah Sanders
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:03 Uhr

60 Jahre alt war Theo Köller, als die Welt um ihn herum begann, leiser zu werden. Immer öfter musste der Würzburger nachfragen: Wie bitte? Bei der Arbeit, Köller war Verkaufsleiter im Einzelhandel, hat er es besonders gemerkt. Wenn ein Kollege im Rausgehen noch weitersprach, verstand Köller nur Bruchstücke. Es folgte der Besuch beim Arzt und ein Hörtest. Diagnose: Beginnende Schwerhörigkeit. Heute ist Köller 78 Jahre alt und hat auf dem linken Ohr nur noch 50 Prozent Hörvermögen. Auf dem rechten noch weniger.

Rund 720 000 Menschen in Bayern sind mittelgradig und 180 000 hochgradig schwerhörig, schätzt der Landesverband Bayern der Schwerhörigen und Ertaubten. Das ist jeder 14. Bürger im Freistaat. Die Dunkelziffer ist höher, da Betroffene mit leichten Beeinträchtigungen in den Statistiken nicht auftauchen. Zunehmend sind auch junge Menschen von Hörproblemen betroffen, berichtet Verbandsvorsitzender Manfred Hartmann. „Schwerhörigkeit kann jeden treffen“, sagt er. Die Ursachen sind vielfältig: Dröhnende Musik aus Kopfhörern oder in der Disco kann ebenso zu Hörschäden führen wie ein lautes Umfeld beispielsweise bei der Arbeit. Auch Vererbung, Krankheiten oder Unfälle können Ursache für ein nachlassendes Gehör sein.

Die Einschränkungen des Hörvermögens verändern das Leben der Betroffenen teilweise drastisch. Im Beruf kann die Schwerhörigkeit zum Problem werden. Alltägliche Dinge wie Telefonieren sind kaum noch möglich. Eine gesellige Runde mit Freunden wird zum Frust-Erlebnis, wenn man nicht mehr mitreden und mitlachen kann. Ständig muss der Betroffene nachfragen und erntet dabei womöglich ein ungeduldiges 'Das war jetzt nicht so wichtig.' Hartmann: „Da kommen viele in ein seelisches Tief.“ Die Folge seien häufig sozialer Rückzug und Vereinsamung.

Dass Schwerhörigkeit unsichtbar ist, macht die Situation der Betroffenen nicht einfacher: Für Außenstehende ist die Behinderung nur am Hörgerät zu erkennen und diese sind inzwischen meist so klein und dezent, dass sie kaum auffallen. Weiß der Gesprächspartner nicht von den akustischen Verständnisproblemen, kommt es häufig zu Missverständnissen, sagt Hartmann. Deshalb sei es wichtig, gleich am Anfang zu sagen: Bitte sprechen Sie langsam und deutlich, ich bin schwerhörig.

Theo Köller hat immer ein Kärtchen dabei, auf dem solche Gesprächs-Tipps stehen. Die kann er bei Bedarf vorzeigen, etwa beim Behördengang oder bei alltäglichen Besorgungen. Seine Familie und sein Freundeskreis wissen aber auch ohne diese Erinnerungshilfe, worauf es zu achten gilt. Sein Hörgerät ist im Alltag sein ständiger Begleiter. „Ohne Hörgerät kann ich mit meinem Mann nicht mehr reden“, sagt Ehefrau Anita. Köller testete viele verschiedene Geräte, bis er eins fand, mit dem er zurechtkommt. „Das ist schon gewöhnungsbedürftig, da muss man sich informieren und viel ausprobieren“, sagt Köller, „und dann muss man es natürlich tragen – und einschalten.“

Für den Fernseher hat Köller sich eine induktive Höranlage zugelegt: Diese leitet den Ton des Fernsehers an sein Hörgerät weiter. So kann er das Programm hören. Induktive Höranlagen funktionieren aber nicht nur für eine einzelne Person. In immer mehr öffentlichen Räumen, etwa Kirchen oder Theatersälen, werden die Induktionsschleifen eingebaut. Für Schwerhörige eine Möglichkeit, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Der bayrische Landesverband der Schwerhörigen und Ertaubten setzt sich dafür ein, dass die Kommunen Induktionsschleifen einbauen. „Die Behörden sind schon sensibler geworden, was die Bedürfnisse der Schwerhörigen angeht“, so Hartmann, „es muss aber noch einiges nachgeholt werden, gerade hier in Unterfranken.“

Infoabend Schwerhörigkeit

„Hilfe – ich höre schwer“: Das ist der Titel eines Infoabends zum Thema Schwerhörigkeit, der von der Main-Post-Akademie, dem Landesverband Bayern der Schwerhörigen und Ertaubten sowie dem Alumniverein der Uni Würzburg organisiert wird. Die Veranstaltung richtet sich an Schwerhörige und deren Umfeld. Die Podiumsdiskussion, an der Experten und Betroffene teilnehmen, stellt die Frage, wie man gemeinsam mit Schwerhörigkeit umgehen kann. Der Infoabend findet am 12. April im Casino der Main-Post, Berner Straße 2 in Würzburg statt. Beginn ist um 19 Uhr. Eine Induktionsschleife und ein Schriftdolmetscher stehen zur Verfügung. Ab 18 Uhr sowie nach der Veranstaltung wird ein Hörtest angeboten. Der Eintritt kostet fünf Euro. Eine Anmeldung ist erforderlich und per Telefon möglich unter (09 31) 60 01 60 09 sowie online unter www.mainpost.de/akademie. text: hsa

 
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