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WÜRZBURG
Immer mehr Jägerinnen gehen auf die Pirsch

Von unserem Redaktionsmitglied

Claudia Kneifel

 |  aktualisiert: 08.01.2016 10:42 Uhr

Im Bayerischen Jagdverband sind die Frauen auf dem Vormarsch. Der Bayerische Jagdverband (BJV) verzeichnet aktuell rund 45 600 Mitglieder. Davon sind 3405 Frauen. Das entspricht einem Anteil von knapp acht Prozent. „Es ist eine stark steigende Tendenz beim Frauenanteil im BJV feststellbar, was vor allem der Blick auf die Neuzugänge verdeutlicht“, erklärt BJV-Pressereferentin Barbara Ettl. So sind dem Verband 2012 knapp 1800 neue Mitglieder beigetreten. Davon waren 278 Jägerinnen. Das entspricht einer Quote von knapp 16 Prozent.

„Zu Beginn meiner ersten Amtszeit 1994 war die Jagd reine Männersache. Frauen waren im Verband eine Seltenheit, ihr Anteil lag bei einem Prozent“, sagt BJV-Präsident Jürgen Vocke. Frauen waren bestenfalls gefragt, wenn es um die Zubereitung von Wildbret ging. Vocke: „Heute haben wir im BJV das Jägerinnen-Forum, eine Gruppe, die speziell die Interessen der Frauen vertritt und sich besonders stark macht in Umweltfragen und der Bildungsarbeit für Kinder- und Jugendliche. Frauen sind bei uns aber auch im Kreisvorsitz und im Präsidium.“

Auch in Unterfranken haben immer mehr Frauen Interesse an der Jagd, sagt Manfred Ländner, Vorsitzender des BJV in der Kreisgruppe Würzburg. Viele suchen das nachhaltige Naturerlebnis, das sie in der Jagd finden. „Die Menschen sehnen sich nach Begegnungen mit der Natur als Kontrast zu Geschäftswelt und zur anonymisierten Kommunikation“, so Ländner.

Ingrid Stenger, 53, aus Großwallstadt (Lkr. Miltenberg) ist so eine passionierte Jägerin. „Schon als Kind bin ich mit meinem Vater zur Jagd gegangen“, erzählt Stenger, die auch Vorsitzende des Jägerinnenforums für Unterfranken ist. Als Ingrid Stenger mit 29 Jahren ihren Jagdschein gemacht hat, galt sie noch als Exotin. Damals lag der Frauenanteil unter den Jägern bei nur einem Prozent. „Im Wald kann man so viel lernen“, sagt sie. Rücksicht nehmen, Grenzen akzeptieren, die Natur und die Kreatur achten, all das gehört zur Jagd und gefällt der 53-Jährigen. Fast täglich geht sie in ihr Revier und sieht nach dem Rechten.

Der Trend zur Natur ist in der Gesellschaft angekommen. Das zeige sich auch im Wiederaufleben der Tracht und dem Erfolg von Magazinen, die sich dem Landleben widmen. Auch Designerin Martina Höller und der Textilkaufmann Stefan Wemhöner sind passionierte Jäger.

„Ich genieße es, in aller Frühe auf dem Hochsitz zu sitzen. Nur ich und die Natur.“
Ingrid Stenger, Jägerin aus Großwallstadt

Im August 2010 gründeten sie in Dettelbach (Lkr. Kitzingen) eine Manufaktur für Jagd- und Landgarderobe. Vom Knopf bis zur Hose wird alles selbst entworfen und hergestellt – vorrangig in Deutschland und in Ungarn. „Franken & Cie“ nennt sich das Unternehmen. Höller und Wemhöner lieben die Jagd, die Natur und Tiere. „In dem Ozean von Bekleidung vermissten wir qualitätsvolle Produkte für Menschen, die fürs gehobene Landleben angezogen sein wollen.“ Solche Mode entwirft Martina Höller. Das Lieblingsstück der Designerin: eine rote Jagdjacke für die Gesellschaftsjagd. Bevor sie entwirft, studiert Höller alte Bilder und Stiche. „Schon Kaiser Franz Josef hat solche Jagdjacken getragen“, sagt sie. Ihren Jagdschein hat die 45-Jährige vor fünf Jahren gemacht. Seitdem geht sie einmal die Woche auf die Jagd, das ist ihre Art der Meditation.

Doch wie jagen Frauen? Jagen sie anders als Männer? Lassen sie öfter den Finger gerade und verzichten auf den Beutenachweis? Die Universität Bremen untersuchte in einer Studie zur Psychologie der Jagd, was den Jäger und die Jägerin zur Jagd motiviert. Für ihre Untersuchung werteten die Forscher die Motive von mehr als 600 jagenden Frauen und Männern aus und fassten dabei vier Hauptantriebsgruppen zur Jagdausübung zusammen: Die Jagd als soziale Anerkennung, die Jagd zur notwendigen Hege, die Jagd als Gegensatz zum Alltag und Entspannung vom Stress und die Jagd als Wildbretgewinnung.

Während Frauen die Jagd als Statussymbol und Mittel für soziale Anerkennung eindeutig ablehnen, ist ihnen der Hegegedanke umso wichtiger. Das bestätigt auch Ingrid Stenger: „Für mich ist es wichtig, mein Revier zu pflegen und auch Schulklassen und Kindergartengruppen in den Wald zu führen“, sagt sie. Mehr Bedeutung als die Männer bemessen Jägerinnen der Jagd als Abwechslung und Entspannung vom Alltag zu. „Ich genieße es, in aller Frühe auf dem Hochsitz zu sitzen. Nur ich und die Natur“, sagt Stenger. Einzig bei der Wildbretgewinnung stimmen die Motive von Jägersfrau und Jägersmann überein.

Von dem Trend zur Jagd profitiert auch Frankonia. „Jagdmode ist ein wachsender Markt“, sagt Geschäftsführer Till-Gneomar Danckworth. Frankonia mit Hauptsitz in Würzburg und Rottendorf ist das älteste Unternehmen in Deutschland, das sich seit 1908 der Jagdmode verschrieben hat. Kann man also von einer neuen Jagdlust sprechen? „Ja, es macht wieder Lust, viel Zeit in der Natur zu verbringen. Aber Jagd ist mehr als nur spazieren gehen. Als Jäger sind Sie erstklassig ausgebildet, um die komplexen Zusammenhänge draußen zu verstehen und zu unterstützen“, erklärt Oliver Dorn, Chefredakteur des Jagdmagazins „Halali“. Und natürlich macht die Jagd Spaß. Sie hat auch etwas Archaisches. „Wir müssen uns nicht mehr nur durch Jagd ernähren. Es macht aber mehr Spaß, ein erstklassiges Lebensmittel selber zu erbeuten, als nur auf Supermarktware zu setzen“, sagt Dorn.

 
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