Es klatscht. Blitzschnell setzt Jeremy Bursalioglu mit der rechten Hand nach. Boxhandschuhe prallen aufeinander. Gummisohlen quietschen, Turnschuhe tänzeln um schwarze Lederslipper. Dann lässt Uwe Hück die Fäuste sinken. Feine Schweißperlen glitzern auf der Stirn des Porsche-Betriebsratchefs. Er nickt anerkennend, lächelt. Jeremy strahlt.
Die beiden ungleichen Gegner stehen sich im alten Jugendzentrum im Würzburger Stadtteil Zellerau gegenüber. Uwe Hück, ehemaliger Thaibox-Europameister und heute selbst Trainer, besucht das Box Team Tommy. Der Verein wurde 2009 mit dem Integrationspreis der Regierung von Unterfranken ausgezeichnet. Rund ein Dutzend Jugendliche sowie erwachsene Freizeitboxer gehören zum Team. „Siebzig Prozent sind Ausländer, Russen, Italiener oder Albaner“, sagt Leiter Tommy Schult. Er ist Amerikaner, seine Söhne Jeremy und Calvin Bursalioglu boxen ebenfalls.
In den vergangenen Jahren trainierte der Verein in der Hauptschule Zellerau, die finanziellen Mittel für eigene Räume fehlten. Das soll sich nun ändern. Aus dem ehemaligen Jugendzentrum Spieli wird in den nächsten Wochen ein modernes Boxzentrum für das Team. Noch gibt es keinen Boxring und keine Duschen. Gefördert von der Initiative „Integration durch Sport“ des Bundesministeriums des Inneren wird jedoch der Bauschutt bald aus dem Gebäude verschwinden. Das Projekt sei Teil eines „ganzheitlichen Ansatzes“, mit dem man in den Brennpunktstadtteilen Zellerau und Heuchelhof eine neue Mitte schaffen wolle, sagt Würzburgs Oberbürgermeister Georg Rosenthal. Dazu gehöre vor allem der Aufbau von Bildungs- und Jugendprojekten. Ein Konzept, das Uwe Hück gefällt.
Vom Heimkind zum Porsche-Boss
„Integration ist nur erfolgreich, wenn man Jugendlichen Perspektiven aufzeigt“, sagt der Betriebsratschef von Porsche. Das Boxen beispielsweise sei eine Möglichkeit, Respekt voreinander zu lernen. „Boxer setzen sich mit der eigenen Aggression auseinander und lernen sie sinnvoll einzusetzen“, sagt einer, der es wissen muss. Uwe Hück hat sich „oft genug im Leben durchgeboxt“, wie er sagt. Geboren wurde er am 22. Mai 1962 in Stuttgart. Wahrscheinlich. Eine Geburtsurkunde gibt es nicht. Aufgewachsen ist Uwe Hück in Heimen, in denen er sich ebenso durchboxen musste wie später auf dem Weg vom Lackierer an die Spitze des Stuttgarter Automobilkonzerns.
Spende fürs neue Boxzentrum
Vor dem Würzburger Jugendzentrum fährt Hück an diesem Nachmittag im silbernen Sportwagen vor, wirkt in schwarzem Anzug mit Firmen-Emblem am Revers in den heruntergekommenen Räumen im ersten Moment fehl am Platz. Dennoch passt er hinein in diese Welt. „Es ist die Welt aus der ich komme“, sagt der gebürtige Schwabe. Breitbeinig steht er vor den Jugendlichen, ist mit seinen knapp 1,90-Meter Körpergröße beinahe doppelt so groß wie das jüngste Teammitglied Delil. Für die Jungs soll der prominente Gast Ansporn sein, denn: „Hück hat es geschafft und anfangs hatte er auch nicht mehr Möglichkeiten, als die Jugendlichen hier“, sagt Tommy Schult. Die Rolle des Vorbilds nimmt Hück gern an. Er sagt abgegriffene Sätze wie „Disziplin ist das A und O“, „Das Trikot schwitzt nicht von alleine“ oder „Man muss sein Leben selbst anpacken“. Aber: Er lebt danach.
Anpacken wollen auch in der Zellerau alle. Geschätzt fehlen zur Fertigstellung des Boxzentrums noch rund 30 000 Euro. „Wenn die Stadt die eine Hälfte zahlt, zahle ich die andere“, sagt Hück. Anpacken. So sieht das für ihn aus. Tommy Schult will Hücks Angebot nutzen und der Stadt und den Projekt-Förderern schnellstmöglich eine genaue Kostenaufstellung übergeben. „Dass wir dann helfen, ist unstrittig“, sagt Georg Rosenthal.
Bis dahin werkeln die Boxer selbst weiter, überstreichen die bunten Wände in hellem Weiß. Nur ein großes Graffiti von Mike Tyson soll bleiben, als passender Hintergrund zum Training. Drei- bis fünfmal in der Woche kommen die meisten, auch Calvin Bursalioglu, frisch gekürter Bayerischer U-19-Meister. Jeder der jungen Kämpfer durfte sich mit Uwe Hück messen. Für Calvin ein Highlight: „Der hat mich schon beim reinkommen fasziniert, allein schon wegen der Größe.“ Er klatscht seine Teamkollegen mit den dicken Handschuhen ab. Für sie ist das Boxen Leidenschaft. „Wenn unser Zentrum fertig ist, haben wir viel bessere Möglichkeiten als in der Turnhalle“, sagt Calvin und kickt eine abgebrochene Leiste zur Seite. Bald sollen es Boxsäcke sein.