Bislang gab es von der Mikrowelt nur mikroskopische Fotografien. Jahrelang hat Diller getüftelt – und einen in acht Achsen bewegbaren Objekthalter entwickelt, um das Präparat aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Jetzt können Tausende von Bildern mit einer eigens entwickelten Software zu einem Kameraflug verarbeitet werden. Am Wochenende sind die bewegten Bilder erstmals im Fernsehen zu sehen.
Herr Diller, das Terra X-Team kündigt eine Weltpremiere an. Was passiert zum ersten Mal? Was bedeutet Premiere?
Stefan Diller: Das Rasterelektronenmikroskop liefert normalerweise nur unbewegte Bilder. Das neue und damit eine Weltpremiere ist nun die Bewegung des Präparats auf einer speziellen Motorbühne, die so gesteuert wird, dass es einem „Hubschrauberflug“ um die Mikrostruktur gleichkommt. Dabei werden 41 einzelne Parameter pro Einstellung an das Elektronenmikroskop geschickt, 25 Einstellungen wiederum ergeben eine Sekunde Video. Im Prinzip ist es ein Animationsfilm, den ich da im REM mache. Es wird ein Pfad festgelegt, wie ein Objekt in acht Achsen im REM bewegt wird.
Diller: Die spezielle 8-Achs-Motorbühne und die sehr komplexe Steuersoftware. Sie wurde in mehr als halbjähriger Arbeit von der Würzburger Softwareschmiede IRIS Solutions entwickelt, eine Superleistung.
Diller: Stimmt. Das bewegte farbige REM-Bild legt da noch etwas darauf. Das Objekt wird nicht mehr zwei-, sondern dreidimensional erfassbar. Und die Zusammenhänge aller Teile sind jetzt viel leichter erkennbar. Das freut auch den Uniprofessor, nicht nur den Laien. Um den Quantenphysiker Werner Heisenberg etwas abgeändert zu zitieren: „Das Ganze, in diesem Fall der Film, ist größer als die Summe seiner Einzelbilder.“
Diller: Was mich anfangs inspiriert hat, war der Film, der im Island-Pavillon auf der expo 2000 in Hannover lief: ein toller Hubschrauberflug über die Sehenswürdigkeiten der Insel. Damals dachte ich schon: So etwas möchte ich mal im Bereich Mikrostrukturen machen.
Diller: Die Idee gab es schon seit fast 15 Jahren. Praktisch habe ich das Projekt vor etwa drei Jahren begonnen, mit ersten Steuertests der im REM eingebauten Motorbühne. Dann wurde schnell klar, dass sowohl eine genauere Motorbühne wie auch eine größere Entwicklung für die Automatiksteuerung des REMs und eine noch größere Arbeit für die Software, die alles zusammen steuert, notwendig war.
Diller: Schwierigkeiten gibt es da unendlich viele. Man muss ja umgekehrt denken wie bei der normalen Filmerei: Im Elektronenmikroskop gibt es im herkömmlichen Sinn keine Kamera, sie kann also nicht um ein Objekt bewegt werden. Hier ist es genau umgekehrt: Das Objekt muss so bewegt werden, dass die Bilder nach einer umherfliegenden Kamera aussehen.
Diller: Das „Arbeitspferd“ im Labor ist mein altes, aber in vielen Bereichen modernisiertes und speziell angepasstes Philips 525 REM. Neben IRIS in Würzburg habe ich Unterstützung von vielen weiteren Personen und Firmen erhalten. Das spezielle Scansystem von point electronic in Halle, die für mich viele notwendige Änderungen verwirklicht haben, macht daraus farbige Bilder, die dann den Film ergeben. Nicht zu vergessen: kleindiek nanotechnik aus Reutlingen. Durch ihre spezielle, mit Micro-Piezomotoren bewegte 5-Achsen-Bühne lässt sich das Präparat sehr exakt und genau bewegen. Erst dadurch gelingen nun Bewegungen im richtigen Nanobereich. Deswegen nenne ich meine Filme auch „Nanoflights“.
Diller: Pro Sekunde sichtbarer Film werden zwischen 25 und 60 Bilder im REM gescannt, meist in HDTV-Auflösung. Ein einziger Scan benötigt rund 1,5 Minuten, das heißt pro Arbeitsstunde entsteht – wenn alles perfekt läuft – etwa eine Sekunde Film.
Diller: Das erste Objekt war eine Honigbiene, dann kam eine Brennnesseloberfläche. Bei TerraX wird jetzt ein Flug über Strukturen an einem Glasflügelfalter, Greta oto, gezeigt. Durch die Größe und Empfindlichkeit war es das bisher am schwierigsten zu präparierende Objekt bei mir im Labor. Der Glasflügelfalter benötigte alle drei Tugenden des Elektronenmikroskopikers: Geduld, Geduld, Geduld. Als Nächstes steht noch einmal die Honigbiene im „Casting“, dann einige Pflanzenoberflächen.
Diller: Leider lassen sich keine lebenden Tiere und ihre Strukturen sinnvoll in hoher Qualität im Elektronenmikroskop abbilden. Aber vielleicht findet sich da irgendwann noch eine Möglichkeit . . . Ebenso ist es nur mit viel Zeitaufwand – oder einem wesentlich besseren REM – möglich, im Bereich von Vergrößerungen über 10 000-fach zu arbeiten. Aber: Eine Lösung zeichnet sich auch hier ab.
Diller: Eigener Wunsch nach neuen visuellen Erfahrungen, und das Gefühl etwas wirklich Neues zu machen.
Diller: Der Würzburger Bienenforscher Professor Jürgen Tautz hat den Kontakt vermittelt. Am Anfang der Filmidee sollte die Biene im Vordergrund stehen. Dann kam allerdings der Falter zur Ausführung. Das ZDF war von Anfang an mit dabei.
Stefan Diller
Der Wissenschaftsfotograf aus Würzburg arbeitet seit vielen Jahren mit Elektronenmikroskopen und spürt damit Strukturen des Kleinsten nach. Fernsehtipp: Die Filmaufnahmen von Stefan Diller sind zu sehen in TerraX: am Samstag, 23. März, ab 20.15 Uhr auf ZDFneo, am Sonntag, 24. März, dann um 19.30 Uhr im ZDF.