Der „Milchsee“ und der „Butterberg“ der 1970er und 80er Jahre stehen für eine europäische Agrarpolitik, die die Bauern zur Überproduktion anhielt. Dies war aber nicht immer so. Am Anfang stand die Knappheit: Im Jahr 1915, ein Jahr nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, bekam die Bevölkerung die Verknappung der Lebensmittel deutlich zu spüren. Um neue Ankaufsstellen auf dem Land einzurichten, gründeten 32 Würzburger Milchhändler eine gemeinsame Milcheinkaufsgenossenschaft: die Keimzelle der heutigen „Milchwerke Mainfranken“. Nun feierten diese am Firmensitz in Würzburg ihr 100-jähriges Bestehen.
Erste Fruchtjoghurts 1965
Heute fehlen die Fruchtjoghurts und anderen Milchprodukte, die unter der Marke „Frankenland“ firmieren, in kaum einem Supermarkt-Kühlregal der Region. So spiegelt die Produktvielfalt die schwierigen Anfangsjahre kaum wieder. Denn zunächst blieben auch nach dem Krieg die Schwierigkeiten, die Bevölkerung ausreichend mit Milch zu beliefern.
Die Genossen setzten deshalb auf Eigeninitiative. Um ausreichend Rohstoff zu haben, übernahmen sie 1925 eine Molkerei im oberbayerischen Neuburg an der Donau.
Erst 1939 wurden dann die ersten 91 Landwirte als Mitglieder in die Genossenschaft aufgenommen. Die Gleichschaltung in der NS-Diktatur ermöglichte dies. Ein Jahr später begann der Bau einer neuen Molkerei in der Schweinfurter Straße in Würzburg. Der Anstieg der Produktionsmenge erfuhr jedoch durch die Zerstörungen des Krieges ein jähes Ende.
Erst mit den Jahren des Wirtschaftswunders folgten die goldenen Jahre der Würzburger Molkerei. Bei einer Genossenzahl von über 3000 kam es zu einer Aufwärtsentwicklung bei Milchmenge, Umsatz, Geschäftsanteilen und Eigenkapital. Erstmals wurden 1965 Fruchtjoghurts in den Sorten Erdbeere, Heidelbeere und Ananas verkauft. 1968 wurden Einwegverpackungen aus Plastik eingeführt. Im Jahr 1972 kam es zur Verschmelzung mit dem Butterwerk Gerolzhofen und der Umbenennung in „Milchwerke Mainfranken“.
Allerdings war es auch die Zeit des „Milchsees“, der Überproduktion von Milch, der ab 1962 in unregelmäßigen Abständen anschwoll. Die Einführung der Milchquote 1984 und den folgenden Absturz der Milchpreise überstanden in Unterfranken nur drei Molkereien.
Aus dieser Zeit ist vielen ein Ausspruch eines Mitglieds des Vorstands in Erinnerung geblieben: „Wenn wir mit dem Verkauf von Milchprodukten nichts mehr verdienen, machen wir eben Schuhcreme daraus“, beschrieb er die schwierige Lage.
Milchseen sind Vergangenheit
So weit kam es nicht. Mit der Zusammenlegung der beiden Betriebe in Gerolzhofen und Würzburg und dem Neubau des neuen Firmensitzes in der Louis-Pasteur-Straße konnten sich die Milchwerke als regionaler Anbieter in Unterfranken behaupten. In den folgenden Jahren wurden eine Reihe kleinerer Molkereien aus der Region übernommen.
Heute gehören der Genossenschaft 1500 Mitglieder an. Es gibt 218 Lieferanten aus Unterfranken und Thüringen. Die gelieferte Milchmenge beläuft sich auf 83 Millionen Kilogramm Milch. Milchseen und Butterberge gibt es heute nicht mehr. Dumping-Preise der Discounter sind jedoch seit Jahren Herausforderungen, denen sich Landwirte und Händler zu stellen haben.