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WÜRZBURG
Harter Kampf gegen Tuberkulose
Tuberkulose       -  Die Infektionskrankheit Tuberkulose ist auch in Europa längst nicht ausgerottet. Foto: Rainer Jensen/Archiv
| Die Infektionskrankheit Tuberkulose ist auch in Europa längst nicht ausgerottet. Foto: Rainer Jensen/Archiv
cam
 |  aktualisiert: 23.03.2015 19:23 Uhr

Rund 8,7 Millionen Menschen sind im vergangenen Jahr an Tuberkulose erkrankt, etwa 1,3 Millionen an der Krankheit gestorben. Auf diese Zahlen macht die in Würzburg ansässige Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe zum heutigen Welt-Tuberkulosetag aufmerksam. Geschäftsführer Burkard Kömm erklärt, warum der Kampf gegen die Infektionskrankheit so schwer ist und warum man beispielsweise bei der Behandlung von Lepra wesentlich besser vorankommt.

Frage: Was verbirgt sich hinter der Krankheit Tuberkulose?

Burkard Kömm: Sie ist – im Vergleich zur Lepra, deren Bekämpfung sich die DAHW auch verschrieben hat – wesentlich weiter verbreitet. Wir können Tuberkulose zwar mit Medikamenten behandeln, aber allein im vergangenen Jahr sind 8,7 Millionen Menschen weltweit erkrankt und 1,3 Millionen gestorben. Und das, obwohl man die meisten hätte heilen können. Die Zahl der Infizierten nimmt zwar pro Jahr rund zwei Prozent ab, aber das ist eben immer noch zu wenig.

Wo liegt die Problematik bei der Behandlung?

Kömm: Das größte Problem ist, dass sich Resistenzen gegen die Antibiotika entwickeln, mit denen wir die Tuberkulose behandeln. Da hilft dann nur eine Kombination aus sieben bis acht verschiedenen Antibiotika, die man zwei Jahre lang nehmen muss. Die Behandlung hat aber erhebliche Nebenwirkungen; so werden die meisten komplett taub. Aber man hat nur die Wahl: Entweder, man nimmt die Nebenwirkungen in Kauf – oder man stirbt. Ein weiteres Problem ist, dass die Behandlung wahnsinnig teuer ist – sie kostet bis zu 5000 Euro. Es ist zudem eine Herausforderung, den Patienten klarzumachen, dass die Medikamente mindestens neun Monate genommen werden müssen, auch wenn die Beschwerden schon drei Monate nach Beginn der Behandlung deutlich nachlassen. Aber das Bakterium ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgetötet. Wenn Betroffene dann mit der Behandlung aufhören, weil sie sich etwa die Fahrt zum Hilfszentrum nicht mehr leisten können, entstehen Resistenzen. Wir hatten zwei Patienten in Pakistan, für die konnten wir nichts mehr tun. Die waren resistent gegen alle Antibiotika, die es auf dem Markt gibt. Das Schlimme ist, dass einer dieser Patienten einfach verschwunden ist. Und wen immer er mit seinem resistenten Erreger ansteckt, der ist dem Tode geweiht.

Tuberkulose ist also hochansteckend?

Kömm: Ja. Die Krankheit wird über die Luft übertragen. Nicht nur über intensiven körperlichen Kontakt. Tuberkulose kann also auch im Bus oder im Flugzeug übertragen werden.

Mit Lepra infiziert man sich nicht so leicht, oder?

Kömm: Nein. Ganz und gar nicht. Gerade wir Europäer mit unserem guten Immunsystem haben kaum ein Risiko, uns zu infizieren, selbst dann nicht, wenn wir Leprakranke berühren.

Was ist Lepra für eine Krankheit?

Kömm: Lepra und Tuberkulose sind Infektionskrankheiten, die durch eng verwandte Bakterien verursacht werden. Bei der Lepra zerstören sie die Nerven. Das heißt, es treten vor allem in den Fingern, in den Füßen, im Gesicht und in den Ohren Schäden auf. Die Leute verlieren das Gefühl in diesen Gliedmaßen, können sie zum Teil auch nicht mehr nutzen. Zu den typischen Lepra-Behinderungen kommt es, wenn die Menschen sich dann bei der Arbeit oder beim Kochen verletzen, es aufgrund der Gefühllosigkeit aber nicht merken. Die Wunde infiziert sich, fängt an zu eitern, und irgendwann ist die Entzündung so weit fortgeschritten, dass man amputieren muss.

Aber Lepra ist doch seit 1981 heilbar, oder?

Kömm: Ja. Ich sage immer, in Würzburg gab es zwei wesentliche medizinische Errungenschaften – das eine ist die Entdeckung der Röntgenstrahlen, das andere die Entdeckung der Lepra-Behandlungstherapie.

Wie haben sich die Zahlen der Lepra-Kranken seitdem entwickelt?

Kömm: Noch vor zwanzig Jahren hatten wir pro Jahr 1,3 Millionen neue Fälle. Jetzt sind wir – nach den Statistiken der Weltgesundheitsorganisation – bei 220 000 bis 250 000 neuen Fällen pro Jahr. Alles in allem sind es etwa vier Millionen Menschen weltweit, die an Lepra erkrankt oder von Lepra gezeichnet sind, obwohl sie geheilt sind. Die beispielsweise mit Behinderungen leben müssen.

Was erwarten Sie sich von der am Mittwoch beginnenden Vollversammlung der Internationalen Vereinigung der Lepra-Hilfswerke (ILEP)?

Kömm: Es geht vor allem um Koordination und Austausch. Ein großes Anliegen ist es uns, Patienten in Zukunft noch früher ausfindig zu machen – damit wir sie heilen können, bevor ihr Nervensystem geschädigt wird.

Was war für Sie der schlimmste, was der schönste Moment Ihrer Arbeit für die DAHW?

Kömm: Die liegen eng beieinander. Der schlimmste Moment war vor einem Jahr. Da war ich in Nigeria in einem Krankenhaus und musste feststellen, dass eine Stunde, bevor wir kamen, eine Frau mit resistenter Tuberkulose dort war. Das Krankenhaus musste die Patientin nach Hause schicken, weil es keine Medikamente für die Behandlung und keinen Platz gab. Uns war klar, da wird eine wandelnde Zeitbombe nach Hause geschickt, wo sie vermutlich noch andere ansteckt, und wir können nichts tun. Der schönste Moment war eine Woche später. Da haben wir mit dem Ministerium beschlossen, dass wir in einem Missionskrankenhaus die Tuberkulosestation mithilfe der DAHW umbauen. So konnten wir innerhalb von vier Wochen 25 zusätzliche Betten zur Behandlung von Patienten mit resistenter Tuberkulose zur Verfügung stellen.

Die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe

Burkard Kömm ist seit 1. Mai 2009 Geschäftsführer der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW). Der gebürtige Unterfranke aus dem Arnsteiner Stadtteil Gänheim hat neben einer kaufmännischen und einer medizinischen Ausbildung auch Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit. So war er in Nairobi tätig, wo er die kenianische Regierung beim Aufbau einer Finanzierung für das Gesundheitssystem beriet. Zuvor hatte Kömm in Nigeria und Uganda gearbeitet.

Die DAHW hat ihre Wurzeln im Jahr 1957. Der Verein hieß zunächst „Deutsches Aussätzigen-Hilfswerk“. Die Würzburger Hermann Kober und seine Frau Irene waren Mitbegründer der Organisation. Von Beginn an machte es sich Kober, der bis zu seinem Tod an der Spitze des Hilfswerks stand, zur Aufgabe, „den Verlassenen und Ausgestoßenen zu helfen“. Von Mittwoch bis Freitag findet in Würzburg die Vollversammlung der Internationalen Vereinigung der Lepra-Hilfswerke (ILEP) statt, bei der rund 50 Teilnehmer aus 30 Ländern neue Strategien ausarbeiten und die Weichen für die kommenden Jahre stellen werden.

 
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