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WÜRZBURG
Gurlitt-Kunstfund ist ab Freitag zu sehen
„Es war einiges los im Kulturspeicher“, sagt Würzburgs Kulturreferent Muchtar Al Ghusain. Und das, obwohl am Montag das Museum am Alten Hafen gar nicht geöffnet ist.
Geschenk von Wolfgang Gurlitt: 1957 schenkte der Berliner Kunsthändler der Städtischen Galerie in Würzburg mehrere Grafiken. Jedes der Blätter ist ein Porträt Wolfgang Gurlitts. Erst jetzt wurden sie im Depot des Kulturspeichers wieder entdeckt. Das Bild oben ist von Edvard Munch.
Foto: Abbildungen: Kulturspeicher, Daniel Biscan; BPK | Geschenk von Wolfgang Gurlitt: 1957 schenkte der Berliner Kunsthändler der Städtischen Galerie in Würzburg mehrere Grafiken. Jedes der Blätter ist ein Porträt Wolfgang Gurlitts.
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 19.11.2013 19:37 Uhr

Auch am Dienstag ist noch keine Ruhe eingekehrt. Der Grund sind die im Museumsdepot überraschend wiederentdeckten Grafiken von Lovis Corinth, Oskar Kokoschka, Alfred Kubin, Edvard Munch, Max Pechstein und René Sintenis. Es sind jedoch nicht die Namen der Künstler allein, welche die Aufmerksamkeit der Medien aus dem ganzen Land nach Würzburg lenkten. Es ist der Name „ Gurlitt“.

Wie berichtet, führte ein Hinweis dieser Zeitung zum „Würzburger Kunstfund“. Eine Recherche im Main-Post-Archiv ergab, dass Wolfgang Gurlitt im Jahr 1957 der Städtischen Galerie insgesamt neun Grafiken geschenkt hatte: Werke der oben genannten Künstler. Sie zeigen alle Porträts des Berliner Kunsthändlers, der zu dieser Zeit bereits im österreichischen Linz lebte. Wolfgang Gurlitt ist der Cousin von Hildebrand Gurlitt. Dessen Sohn Cornelius Gurlitt hortete in seiner Schwabinger Wohnung über Jahrzehnte den „Münchner Kunstfund“, der seit über zwei Wochen weltweit für Diskussionen sorgt.

„Natürlich freuen wir uns“, sagt Würzburgs Kulturreferent, „wir sind aber auch sehr sensibilisiert“. Muchtar Al Ghusain verweist auf die Geschichte der 1941 neu gegründeten Städtischen Galerie, die sich seit 2002 im Kulturspeicher befindet, „und deren Aufarbeitung uns ein wichtiges Anliegen ist“. Im Fokus steht dabei der erste Direktor Heiner Dikreiter und dessen Vorliebe für den von den Nazis bevorzugten Kunststil. Als erste Bestandsaufnahme zu diesem Thema wurde im Frühjahr im Kulturspeicher die Ausstellung „Tradition und Propaganda“ gezeigt.

Ambivalente Figur

„Auch eine Figur wie Wolfgang Gurlitt ist ambivalent zu beurteilen“, so Al Ghusain. Deshalb habe neben dem „schönen Aspekt“ der Wiederentdeckung der Grafiken von großen Künstlern auch die Sorge im Raum gestanden, dass sie mit „NS-Raubkunst“ in Zusammenhang gebracht werden könnten. Dies schließen Muchtar Al Ghusain und Marlene Lauter, die Leiterin des Museums im Kulturspeicher, jedoch aus. „Da es sich bei den Blättern um Porträts von Wolfgang Gurlitt handelt, kann es sich nicht um Raubkunst handeln.“ Der Fund der Grafiken sei jedoch laut Muchtar Al Ghusain „eine weitere Gelegenheit, uns mit der Museumsgeschichte auseinanderzusetzen“. Aus diesem Grund werden die Arbeiten von Corinth, Kokoschka, Kubin, Munch, Pechstein und Sintenis bereits ab diesem Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt. „Sie werden gerade gerahmt und sind im Bereich der Städtischen Galerie im Kulturspeicher zu sehen“, so Al Ghusain.

Fotoserie

Auch die Frage der Inventarisierung des riesigen, rund 30 000 Werke umfassenden Museumsdepots, wird nun erneut aufgegriffen. Denn noch ist nicht bekannt, welche weiteren Schätze sich im Depot befinden – und wo die restlichen drei Grafiken sind, die Wolfgang Gurlitt laut dem Zeitungsbericht von 1957 der Städtischen Galerie geschenkt hat.

Problem der Inventarisierung

Museumschefin Marlene Lauter rechtfertigt sich, dass es ja nur sie und ihre Stellvertreterin Henrike Holsing im Haus gebe. „Wir bräuchten einfach mehr Mitarbeiter.“ Auch der Kulturreferent ist sich des Problems bewusst. „Natürlich wäre es wünschenswert, dass alle Werke so inventarisiert und digitalisiert sind, sodass sie auf Knopfdruck abgerufen werden könnten.“ Er weiß, dass die Inventarisierung momentan „nur so nebenbei“ erledigt wird. „Wir haben da noch einiges nachzuholen.“ Deshalb ist es ihm ein Anliegen, für diese Aufgabe eine zeitlich befristete Stelle zu schaffen. Auch bei Marketing und Öffentlichkeitsarbeit sollen laut Muchtar Al Ghusain die beiden Kunsthistorikerinnen entlastet werden, damit sie sich ihrer eigentlichen Arbeit widmen könnten.

Fotoserie

Neuigkeiten gibt es auch beim Münchner Kunstfund. Die Staatsanwaltschaft Augsburg will Cornelius Gurlitt zahlreiche Bilder so schnell wie möglich zurückgeben. Dabei geht es um Kunstwerke, die nicht im Verdacht stehen, NS-Raubkunst zu sein und „zweifelsfrei im Eigentum des Beschuldigten stehen“. Diese sollen ihm „unverzüglich zur Rücknahme angeboten werden“, teilte der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz am Dienstag mit. Er forderte die eingesetzte Taskforce auf, die die Herkunft der Bilder ermitteln soll, ihm entsprechende Informationen zukommen zu lassen.

Nach bisherigen Erkenntnissen müssen rund 970 der etwa 1400 gefundenen Werke von Experten überprüft werden. Mindestens 400 Bilder gehören dem Kunsthändlersohn Gurlitt nach bisherigen Kenntnissen zu Recht. Mit Informationen von dpa

 
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