Der Energiekonzern E.ON will das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) bereits Ende Mai 2015 abschalten. Das ist sieben Monate früher als geplant. Die Absicht wird im Raum Schweinfurt einhellig begrüßt. Bereits im Februar hatte KKG-Chef Reinhold Scheuring vor Journalisten angedeutet, dass der Betreiber bei der in diesem Mai anstehenden Revision keine neuen Brennelemente einbauen könnte. Dann würde das Kraftwerk bis zur damals geplanten Stilllegung Ende 2015 weniger Strom produzieren beziehungsweise vorzeitig vom Netz gehen.
E.ON-Sprecherin Petra Uhlmann bestätigte am Freitag gegenüber dieser Zeitung, dass das Unternehmen die Abschaltung zum 31. Mai 2015 bei der Bundesnetzagentur und dem Netzbetreiber Tennet angemeldet habe und nannte dafür wirtschaftliche Gründe. Die Brennelementesteuer würde sich bei einer Revision auf 80 Millionen Euro summieren. Das sei – neben den Kosten für die Brennelemente selbst – der Hauptgrund für die frühere Stilllegung.
Grafenrheinfelds Bürgermeisterin Sabine Lutz ist von der Ankündigung nicht überrascht. Wirtschaftlich sei das vorzeitige Aus für ihre 3400-Bürger-Gemeinde kein Problem. Nachdem E.ON schon seit zwei Jahren keine Gewerbesteuer mehr zahle, habe man sich eingerichtet. Ihr Augenmerk gelte jetzt den Beschäftigten, für die E.ON eine besondere Verantwortung habe.
Auf sie zielt auch Landrat Florian Töpper. Der Sozialdemokrat kann seine Freude über das frühere Ende nicht verhehlen und fordert mit Blick auf die Beschäftigten den sofortigen Rückbau. Was die Versorgungssicherheit betrifft, setzt Töpper auf Aussagen der Staatskanzlei. Staatsministerin Christine Haderthauer hatte nach der letzten Kabinettssitzung entgegen früheren Einschätzungen betont, dass diese nicht gefährdet sei.
Der Schweinfurter Oberbürgermeister Sebastian Remelé ist da vorsichtiger, weil geplante Entlastungstrassen noch nicht zur Verfügung stünden. Der CSU-Politiker verweist darauf, dass die Bundesnetzagentur der vorzeitigen Abschaltung noch zustimmen müsse. In der Schweinfurter Industrie herrsche zwar kein Alarmzustand, Manager wiesen jedoch immer wieder auf die Sorge um die Versorgungssicherheit und den hohen Energiepreis hin.
Im Auto auf der Fahrt zu einer Atommüllfachtagung in Berlin erreichte Babs Günther, Sprecherin des Schweinfurter Aktionsbündnisses gegen Atomenergie, die Meldung vom Antrag auf vorzeitige Abschaltung. Am Telefon begrüßte sie die Entscheidung „prinzipiell“. Der weitere Betrieb sei „zu gefährlich“, das Atommüllproblem völlig offen, so Günther, und die Beweggründe von E.ON „keinesfalls Menschenfreundlichkeit“. Kein Verständnis hat sie für den Weiterbetrieb bis Mai 2015, da jetzt feststehe, dass das Atomkraftwerk zur Versorgungssicherheit nicht gebraucht werde. Sie fordert eine Schließung möglichst sofort und eine offene Debatte über den Rückbau, wobei noch ungezählte Fragen offen stünden.
SPD und Grüne in Bayern begrüßen den vorzeitigen Ausstieg übereinstimmend. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann glaubt, dass die Energiewende eine neue Dynamik entwickele. Blamiert sei Ministerpräsident Horst Seehofer, der beim Poker um einen möglichen Steuerrabatt noch fest an der Seite von E.ON gestanden habe.
Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Natascha Kohnen, kritisiert Wirtschaftsministerin Ilse Aigner: „Während die ersten Atomkraftwerke vom Netz gehen, wissen die Menschen immer noch nicht, woher der Strom morgen kommen soll.“ Netzbetreiber Tennet sieht die Versorgungssicherheit in den Monaten bis zum ursprünglichen Ausstiegstermin jedoch nicht gefährdet.
Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld
Erste Überlegungen für den Bau eines Kernkraftwerkes in Grafenrheinfeld KKG wurden im August 1969 bekannt. Drei Jahre später formierte sich der Widerstand, an dem sich auch bürgerliche Kreise aus der nahegelegenen Stadt Schweinfurt beteiligten. Genehmigt wurde das Atomkraftwerk 1974, in Volllastbetrieb ging es 1982. Seit dieser Zeit hat es 318 Milliarden Kilowatt Strom produziert, genug, um drei Millionen Haushalte komplett zu versorgen. Unter den deutschen Kernkraftwerken gilt Grafenrheinfeld als das zweitproduktivste. Auf das KKG entfallen laut E.ON 14 Prozent der bayerischen Stromerzeugungskapazität. 300 Mitarbeiter und die jährlichen Revisionen mit 1000 externen Beschäftigten ließen 13 Millionen Euro Kaufkraft im Jahr in die Region fließen. Von der Gewerbesteuer hat vor allem die Gemeinde Grafenrheinfeld profitiert. Neun Atomkraftwerke sind in Deutschland noch am Netz, sie sollen schrittweise bis zum Jahr 2022 stillgelegt werden. Text: kör