
Während Kramme Fakten auflistete, warum das neue Gesetz ein arbeitsmarktpolitischer Meilenstein ist, bemängelten vor allem Juso-Mitglieder aus Unterfranken die zahlreichen vorgesehenen Ausnahmen. „Dies ist kein Lorbeerstrauß, den wir uns aufsetzen“, heißt es in einem Initiativantrag des Juso-Bezirksverbands, in dem ein Mindestlohn ohne Ausnahmen gefordert wird. Bernd Rützel, seit Samstag neuer Vorsitzender der Unterfranken-SPD, empfahl, den Antrag „als Material an die Bundestagsfraktion weiterzuleiten“. Damit waren die Delegierten jedoch nicht einverstanden. Sie nahmen den Initiativantrag entgegen seinem Rat mehrheitlich an.
Ausnahmen bedeuten für die Jusos, am Grundproblem vorbeizureden. „Wir haben zwar einen großen Schritt erreicht“, gab der Schweinfurter Juso Paul Petersen zu. Doch letztlich nicht das geliefert, was den Wählerinnen und Wählern im Wahlkampf versprochen wurde. Die Angst, dass die neuen Vorschriften im Mindestlohngesetz unterlaufen werden, ist bei den Jusos groß.
Dahinter steckt die Erfahrung, dass die Wirtschaft nur zu gern Katz und Maus mit der Politik spielt. Neue Gesetze machen es zwar nötig, über neue Taktiken zu brüten. Doch am Ende geht die Strategie der Wirtschaft, die Arbeit aus Konkurrenzgründen möglichst billig haben möchte, sehr oft auf.
Die Hartz-IV-Gesetze hätten gezeigt, dass Schlupflöcher von der Wirtschaft „gnadenlos ausgenutzt werden“, heißt es denn auch in dem Initiativantrag. Besonders groß ist der Unmut darüber, dass Jugendliche unter 18 Jahren, wenn sie neben der Schule einen Minijob machen, auch künftig weniger Geld bekommen sollen als ihre älteren Kollegen im gleichen Betrieb.
Dass es für einen Betriebsrat zum Vabanquespiel werden kann, sich für verbriefte Arbeitnehmerrechte einzusetzen, zeigt das Vorgehen der Großbäckerei Götz-Brot. Der Bezirksparteitag kritisierte per Antrag im Beisein des gekündigten Betriebsratsvorsitzenden Torben Ackermann „auf schärfste“ die Entwicklungen bei dem Unternehmen. Er fordert alle Bürgerinnen und Bürger auf, beim Einkauf in einer der Bäckereifilialen nach den dortigen Arbeitsbedingungen zu fragen.
Dass ein geplantes Krisentreffen von Wolfgang Götz mit SPD-Politikern im Vorfeld des Parteitags abermals platzte, sorgt bei den Genossen nicht eben für eine bessere Stimmung gegenüber der Firma aus Waldbüttelbrunn. Beim Parteitag wurde allerdings auch daran erinnert, dass Götz-Brot kein Einzelfall ist. So betonte Thorsten Raschert, Betriebsratsvorsitzender bei Opti-Wohnwelt: „Auch in Möbelhäusern in der Region werden Betriebsräte gemobbt.“