Bis zum diesjährigen Würzburger Stadtfest sind es noch knapp drei Monate, da kreisen die Gedanken von Leonard Landois schon längst um den September 2013. Vor allem die Finanzen machen dem Geschäftsführer vom Stadtmarketing „Würzburg macht Spaß“ Sorgen. Der Grund: Die geplante Reform der GEMA-Gebühren. Zum 1. Januar 2013 legt die „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“ neue Tarife zur Abgabe bei Veranstaltungen mit Musik zugrunde, die nicht nur den Betreibern von Diskotheken und Musikkneipen Mehrkosten verursachen, sondern auch nicht-kommerzielle Veranstaltungen verteuern.
„Nächstes Jahr steigen die Gebühren um rund 80 Prozent“, sagt Landois. Derzeit bezahle der Verein rund 3400 Euro. Den Veranstaltern wird dabei genau das zum Verhängnis, worauf sie besonders stolz sind: die Weiträumigkeit. Die Abgabe an die GEMA richtet sich nämlich nach Eintrittspreis und Fläche. Während Besucher beim Stadtfest zwar keinen Eintritt bezahlen, schlägt dafür die Fläche der gesamten Innenstadt zu Buche. „Dabei spielt keine Rolle, wo sich die Musikquellen befinden“, ergänzt Landois und betont, dass ein Stadtfest doch davon lebe, auf möglichst vielen Straßen und Plätzen Aktionen zu bieten: „Und es ist ja nicht unsere Absicht, Geld damit zu verdienen.“ Die GEMA wolle mit den vereinfachten Tarifen alle Kunden gleich behandeln. Aber Gleichheit sei nicht automatisch gleichzusetzen mit Gerechtigkeit.
- Gegner der GEMA-Reform haben eine Online-Petition gestartet. Hier finden Sie die Begründung samt Pro- und Contra-Debatte.
Bisher ist unklar, wie „Würzburg macht Spaß“ die zusätzlichen Kosten finanzieren könnte. „Wir wollen nicht, dass es zulasten der Teilnehmer geht“, so Landois. Zwar nimmt der Verein mit den Standgebühren Geld ein; das wird aber hauptsächlich in die Bewerbung und Gestaltung des Festes gesteckt. „Letztes Jahr hatten wir ein Plus von gerade mal 20 Euro“, berichtet der Geschäftsführer. Er befürchtet, dass die GEMA-Mehrkosten zu einer Kommerzialisierung solcher Veranstaltungen führen, weil die Veranstalter verstärkt auf Sponsoren angewiesen sein werden.
Noch hofft er allerdings, dass die GEMA sich auf eine Sonderregelung einlässt. So führt die Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland (bcsd) derzeit Verhandlungen mit der Gesellschaft. Jürgen Block, Geschäftsführer der bcsd in Berlin, kritisiert: „Die Umstellung auf die Berechnung nach Fläche erfolgte ja bereits 2011, aber die Tarife werden deutschlandweit nicht einheitlich umgesetzt.“ Während einige Städte sich mit den jeweiligen Direktionen der GEMA gütlich einigten und Einzelabsprachen trafen, bedrohten die Mehrkosten die Existenz von Veranstaltungen wie verkaufsoffenen Sonntagen, Weihnachtsmärkten und Stadtfesten. Hinzu komme nun noch die Gebührensteigerung im Januar 2013.„Wir wollen bei der GEMA ein Problembewusstsein schaffen“, so Block. „Schließlich schneiden sie sich ins eigene Fleisch, wenn die Veranstalter weniger Künstler buchen.“
Denn um die hohen GEMA-Gebühren auszugleichen, muss mitunter an anderer Stelle gespart werden. Ralf Hofmann organisiert mit seiner Agentur „Blues Agency“ das Stadtfest in Schweinfurt. „Wir haben hauptsächlich zwei Stellschrauben: das Programm und die gestalterischen Maßnahmen.“ In diesem Jahr wird das Stadtfest kleiner ausfallen als noch 2011 – der Schillerplatz fällt als Veranstaltungsfläche komplett weg. Damit reagierte die Agentur auch auf die höheren GEMA-Abgaben. „Wir hatten im letzten Jahr eine Gebührenerhöhung von 50 Prozent“, so Hofmann. „Und wir bewegen uns insgesamt bereits im hohen vierstelligen Bereich.“ Die Flächenberechnung der GEMA vom ersten bis zum letzten Bierstand und von Hauswand zu Hauswand kann er nicht nachvollziehen. „Da wird überhaupt nicht beachtet, ob in einer Straße Musik gespielt wird oder nicht.“
Es scheint, als sei die GEMA zu Verhandlungen bereit. Neben einem Schiedsverfahren mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter führt sie laut Sprecher Franco Walther parallel Verhandlungen mit verschiedenen Verbänden. „Wir haben zu einem runden Tisch eingeladen“, so Walther. Die Besonderheiten von nicht-kommerziellen Veranstaltungen würden da sicher auch wieder ein Thema sein. Generell sei die Berechnung der gesamten Fläche bei Veranstaltungen mit Musik aber in Ordnung – das habe auch der Bundesgerichtshof im letzten Jahr bestätigt.
„Dass die einzelnen Direktionen die Tarife nicht einheitlich auslegen, davon wissen wir nichts“, so Walther. „Wir sind zur Gleichbehandlung verpflichtet.“ Auch glaube er nicht, dass die Kostenerhöhungen sich negativ auf die Buchung von Künstlern auswirken werden. Die Schiedsstelle habe schließlich eine angemessene Vergütung der Urheber in Form von zehn Prozent der Einnahmen vorgeschlagen. Den Vorwurf, unverhandelte Tarife veröffentlicht zu haben, weist Walther zurück. „Das liegt nicht unbedingt an uns. Die Verbände haben sich im Vorfeld geweigert, mit uns zu sprechen.“
Eine vorläufige Sonderregelung hat indes bereits der Bund Deutscher Karneval (BDK) erreicht – das bestätigt zumindest dessen Vorsitzender Volker Wagner aus Waldfischbach (Rheinland-Pfalz) auf Anfrage. Für die Session 2012/2013 gelten demnach weiterhin die alten Tarife, weil die finanziellen Planungen für die Veranstaltungen bereits abgeschlossen sind. Für die Zukunft sind weitere Verhandlungen geplant. GEMA-Sprecher Franco Walther wusste von dieser Einigung allerdings noch nichts.
„Wir müssten für die Veranstaltungen wesentlich mehr bezahlen“, sagt Angelika Arnold vom Fastnacht Verband Franken in Unterfranken. „Das bedeutet höhere Eintrittspreise und weniger Besucher.“ Zwar blieben die Kosten bei Eintrittsgeldern von bis zu neun Euro ähnlich, aber darüber würden erhebliche Mehrkosten entstehen. „Das gefährdet die Finanzierung der Vereine“, so Arnold. „Manche Veranstaltungen rechnen sich ja nur gerade so.“ Bei den Faschingsumzügen hingegen sei die Erhöhung nicht gravierend. Hier sammelt der Veranstalter die Gebühr, die pro Wagen mit Musik oder Kapelle anfällt, von den jeweiligen Gruppen ein.
Ebenfalls glimpflich davon kommt der Verein Würzburger Festwirte, der jedes Jahr die Weinparade und das Weindorf auf dem Marktplatz ausrichtet. „Wir spielen keine Musik und sind deshalb von der Reform nicht betroffen“, so der Vorsitzende Andreas Korger. Trotzdem steht Korger der GEMA-Reform negativ gegenüber: „Ich bin für einen vernünftigen Rahmen, aber jetzt wurde es übertrieben.“
Die Tarifreform der GEMA
Die Abkürzung „GEMA“ steht für „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“. Als staatlich anerkannte Treuhänderin verwaltet die GEMA laut eigenen Angaben die Rechte von über 64 000 Mitgliedern (Komponisten, Textautoren und Musikverleger) und über zwei Millionen ausländischen Berechtigten. Nach Abzug der Verwaltungskosten schüttet die GEMA alle Einnahmen an die in- und ausländischen Urheber aus, deren Rechte genutzt wurden. Die GEMA selbst macht dabei keinen Gewinn.
Elf verschiedene Tarife galten bisher für die Abgabe an die GEMA. Um das Tarifsystem zu vereinfachen und nachvollziehbarer zu machen, sollen diese ab 1. Januar 2013 in zwei Tarife zusammengeführt werden. Die zugrunde liegenden Parameter sind die Veranstaltungsfläche und das Eintrittsgeld. Die GEMA erklärt, dass kleine und mittlere Veranstaltungen entlastet werden, während Veranstaltungen mit großen Flächen und mit hohem Eintrittsgeld teurer würden. Sie folge mit der Reform der Spruchpraxis der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt, die Vergütung der Urheber bei zehn Prozent des geldwerten Vorteils einer Veranstaltung anzusetzen.
Kritik an der Reform kommt vor allem vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) sowie von der Bundesvereinigung der Musikveranstalter. Inzwischen wurde ein Schiedsstellenverfahren eingeleitet, um eine Einigung über die neuen Tarife zu erzielen. Die Schiedsstelle beim Patent- und Markenamt hat nun maximal zwölf Monate Zeit, die Tarife zu prüfen. Text: reb