zurück
RIENECK
Fünf verdrängte Morde von Rieneck
Eine Frau will ihrer Heimatstadt eine Tafel stiften zur Erinnerung an ein Kriegsverbrechen vor fast 70 Jahren - sie darf nicht. Eine Geschichte über den schwierigen Umgang mit Geschichte.
Michael Fillies
 und  Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 13.01.2015 16:01 Uhr

Rieneck ist ein liebenswertes Städtchen. Der 2000-Einwohner-Ort in Main-Spessart klemmt sich an den Berghang oberhalb des Flüsschens Sinn; viele Gässchen, viel Wald drumherum, viel gepflegtes Brauchtum und eine große Geschichte, weithin sichtbar durch die mächtige Burg der namengebenden, im 16. Jahrhundert ausgestorbenen Grafen, heute Bundeszentrum des Verbandes Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder.

Wie so viele liebenswerte Städte und Städtchen kennt auch Rieneck dunkle Zeiten. An grausame mittelalterliche Praktiken erinnert beispielsweise ein Halseisen am einstigen Pranger am Alten Rathaus. An den Blutzoll der Kriege und an die ausgerottete jüdische Gemeinde wird mit einem Kriegerdenkmal erinnert. An die Ermordung von fünf Kriegsgefangenen vor bald 70 Jahren durch einen Würzburger Obernazi und Rienecker Hitler-Jungen aber soll nichts erinnern.

Eine Gedenktafel zu dem absichtlich vergessenen Geschehen versucht seit zwei Jahren die Rieneckerin Elfriede Krutsch ihrem Heimatstädtchen zu stiften. Die in Berlin lebende 65-jährige Ärztin und ihre Verwandtschaft in Rieneck sind seither Anfeindungen und auch anonymer bösartiger Verleumdungen und Drohungen ausgesetzt. „Hier wurden fünf russische Männer durch Naziterror ermordet. Wir gedenken der Opfer“, so soll die schlichte Inschrift der Gedenktafel am Sternheckenweg, dem Ort der Hinrichtung, lauten. Zweimal lehnte der Stadtrat ab. Beim ersten Mal im April 2012 stimmte nur Bürgermeister Wolfgang Küber für einen Gedenkstein mit Tafel. Der Rest des Stadtrats vermisste nähere Informationen über das Geschehen – das allerdings, vor allem älteren Rieneckern, sehr wohl bekannt ist. Es wird erzählt, intern, in verschiedenen Versionen und immer hinter vorgehaltener Hand.

In öffentlicher Beratung befand der Stadtrat mehrheitlich, die bereits vor Jahren am Kriegerdenkmal angebrachte Gedenktafel zur Erinnerung an alle Opfer des Nationalsozialismus sei angemessen und ausreichend. Damit fand sich Elfriede Krutsch nicht ab. Am selben Ort der gefallenen Wehrmachtssoldaten – vielfach selbst Täter – und der Opfer des Naziterrors zu gedenken, hält sie für unmöglich. Was sie aus Erzählungen über das Kriegsverbrechen wusste, präzisierte auf ihre Bitte der Hobbyhistoriker Ulf Fischer aus dem Nachbarort Langenprozelten. Sein Fazit: Die fünf sowjetischen Kriegsgefangenen wurden ermordet – „sie waren einfach zur falschen Zeit am falschen Ort“.

Mit amtlichen Unterlagen aus den Nachkriegsjahren untermauerte Krutsch ihren Antrag. Die erneute Beratung (und Ablehnung) am 15. September 2014 fiel dem Stadtrat schwerer: Zunächst wollte die Dritte Bürgermeisterin den Tagesordnungsordnungspunkt streichen lassen, man habe bereits einmal darüber abgestimmt. Wohl, weil die Stifterin der Tafel eigens aus Berlin angereist war, stimmte die Mehrheit dagegen. Aber auf Antrag einer anderen Stadträtin wurde das offenbar unangenehme Thema mit acht gegen sieben Stimmen widerrechtlich in den nichtöffentlichen Sitzungsteil geschoben, die Anwesenheit von Elfriede Krutsch jedoch gestattet.

Das Ergebnis dort teilte die 65-Jährige fassungslos der Lokalredaktion dieser Zeitung mit: „In der nichtöffentlichen Sitzung konnte ich ausführlich meinen Antrag begründen. Er wurde mit vier Ja- und elf Nein-Stimmen abgelehnt. Als Begründung wurde unter anderem genannt, dass man Rücksicht auf noch lebende Täter (Mittlerweile lebt von ihnen keiner mehr, d. Red.) und deren Nachkommen zu nehmen habe. Der Antrag komme zu früh, da noch beteiligte Zeitzeugen leben. Man wolle nicht alles an die breite Öffentlichkeit bringen! Gedenksteine würden sowieso nichts ändern, dies sei an der weltpolitischen Lage zu erkennen. Mit keinem Wort wurde der erschossenen Kriegsgefangenen oder ihrer Angehörigen gedacht.“

Enttäuscht schrieb Elfriede Krutsch an die Redaktion: „Der Rienecker Stadtrat ist zurzeit nicht bereit, die Geschichte während der Nazizeit aufzuarbeiten und möchte sie gerne in das Jenseits verschieben. Und das 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges und 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges. 'Wer seine Geschichte nicht aufarbeitet, ist gezwungen sie zu wiederholen!' Dieses Zitat von Erich Fried wünsche ich uns nicht.“

Das von der Stadtratsmehrheit gewünschte anhaltende Verschweigen bewirkte heftig das Gegenteil. Die Zeitungsberichte darüber unter den Überschriften „Schweigen über Rienecker Kriegsverbrechen“ und „Gedenktafel in Rieneck unerwünscht“ schlugen Wellen, andere Zeitungen und das Bayerische Fernsehen berichteten. Zahlreiche Leser äußerten sich, meistenteils mit Unverständnis und Erschütterung über die Mehrheitsentscheidung des Stadtrats.

Differenziert die Reaktionen in Rieneck: Jüngere befürworten eine Gedenktafel, Ältere lehnen sie strikt ab: Beleidigungen und Drohungen erhielten Elfriede Krutsch und die Lokalredaktion dieser Zeitung. Anrufer bestritten die Beteiligung Einheimischer an der Erschießung; Krutsch sei selbst- und geltungssüchtig und solle ihre Gedenktafel in Berlin, am besten in ihrem Schlafzimmer aufhängen; fragten, warum man „so ein Geschiss um die Russen“ mache; das Rienecker Standgericht (das es nicht gab) sei im Recht gewesen; es sei alles ganz anders gewesen und überhaupt: Das sei lange her und gehe niemanden etwas an. Ein ehemaliger Stadtrat kündigte sein Zeitungsabo mit der Begründung, falls diese Gedenktafel aufgestellt würde, wisse er nicht, was er dazu seinen Kindern erklären solle; er möge auch Berlin nicht, weil dort an jeder Ecke Gedenk- und Mahntafeln hingen . . .

Es meldete sich allerdings auch ein Augenzeuge, der das bis dahin Bekannte bestätigte. Der 85-jährige gebürtige Rienecker war dabei, als der Würzburger SA-Chef am 29. März 1945 das Erschießungskommando zusammenstellte: ein 17-Jähriger, zwei 16-Jährige, ein 15-Jähriger und gar ein 13-Jähriger. In bewegten Worten schildert der 85 Jahre alte Mann am Telefon, dass auch sein damaliger bester Freund, ein Jahr älter und Sohn des Rienecker NSDAP-Ortsgruppenleiters und Schulleiters, als einer der fünf Schützen bestimmt wurde. Reguläre Soldaten seien nicht dabei gewesen. Sollte sich das Erschießungskommando der Hitler-Jungen weigern, „dann gibt's ein Kriegsgericht, dann seid ihr dran“, habe der SA-Chef gedroht. Immer wieder versagt dem 85-Jährigen bei der Schilderung die Stimme. Er entschuldigt sich dafür: „Das war so schrecklich!“ Das Angebot, das Gespräch zu verschieben, lehnt der Mann ab: „Ich will das loswerden.“ Die sowjetischen Kriegsgefangenen waren irgendwie freigekommen – „Die dachten, der Krieg ist aus“ – und wieder eingefangen worden, als sie sich wie alle Rienecker an einem beschädigten Versorgungszug in einem Tunnel bedienten. Der hatte vor allem begehrte Nahrungsmittel geladen, „Frontkämpferpackungen, Zucker – es war ganz erstaunlich“. Die Gefangenen wurden am Rathaus vorgeführt und von dem SA-Chef zum Tod verurteilt. Zitternd habe der 16-jährige Sohn des Rienecker Parteichefs gesagt: „Vadder, ich kann doch kenn erschieß'!“ Der habe geantwortet: „Du musst mit, sonst sind wir dran. Du musst ja nicht treffen.“

Die Recherchen zu dem Fall ergaben, dass die Beteiligten unterschiedlich damit umgegangen sind. Zuvorderst aber wurde vertuscht. Die bis heute feststellbare allgemeine Legendenbildung setzte gleich nach dem Kriegsende ein: Als im Oktober 1946 das damalige Landratsamt Gemünden im Auftrag der Kriegsgräberfürsorge in Rieneck wegen eines Massengrabs nachfragte, antwortete der Bürgermeister sicher nicht in Unkenntnis: „Wie in Erfahrung gebracht werden konnte, wurden vor dem Zusammenbruch durch ein Standgericht (!) der Wehrmacht (!) einige Russen, vermutlich vier bis sechs, angeblich wegen Plünderung, erschossen. Das Sammelgrab soll (!) sich in der Nähe des Steinbruchs, außerhalb der Ortschaft befinden. Die Pflege des Grabes übernimmt die Gemeinde und die augenblicklichen Instandsetzungskosten belaufen sich auf ca. 50,- RM.“

Ähnlich verhält es sich mit der Pogromnacht 1938. Die Verbrechen in Rieneck wurden im Gegensatz zu den meisten andernorts nie aufgeklärt. Zu widersprüchlich waren die in den Jahren bis 1951 gesammelten Zeugenaussagen, die bis zu der Behauptung reichten, fremde Kinder aus einem Erholungsheim hätten ein jüdisches Haus gestürmt. Darüber wird kommendes Jahr im dann erscheinenden dritten Synagogengedenkband Bayern „Mehr als Steine . . .“ zu lesen sein. Hans Schlumberger, Pfarrer und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsprojekts, schrieb im Frühsommer 2014 – also vor der Diskussion um die Gedenktafel – im Entwurf für den ausführlichen Artikel über die Rienecker Synagoge als Resümee des 1951 gescheiterten Prozesses vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Würzburg: „Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass die hier erfolgreich wirksam gewordene Art des Umgangs mit Gewalt, öffentlich geschehenem Unrecht und benennbarer, aber nie offen benannter Schuld und die damit einhergehenden Schweigegebote, Familien- und Ortsgeheimnisse und ethisch verwerflichen Rücksichten in einem überschaubaren Gemeinwesen auch für die Nachgeborenen, die dafür nicht verantwortlich waren, ohne belastende Folgen geblieben sind und noch bleiben werden. Die nicht nur aufdeckende, erhellende und sühnende, sondern dadurch auch ordnende und Frieden und Vertrauen stiftende Funktion des Strafrechts ist hier noch weniger als an anderen Orten zum Tragen gekommen. Sie blieb nicht nur den Opfern vorenthalten, sondern auch den Tätern und dem gesamten Ort.“

Die fünf Hitlerjungen jedenfalls gestanden erst drei Jahre später und nach einem zwölfstündigen Kreuzverhör in Gemünden die Hinrichtung ein. Folgen hatte das nicht für sie. Lediglich der Älteste, zur Tatzeit 17 Jahre alt und als Fähnleinführer Chef der Rienecker HJ, wurde zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt. Er kam aber in den Genuss einer Jugendamnestie. In der Entscheidung der Würzburger Spruchkammer heißt es, der Beschuldigte habe nachweisen können, dass er sich nicht völkerrechtswidrig gegenüber Kriegsgefangenen benommen habe. Er soll aber bis zu seinem Tod gern in privatem Kreis erzählt haben, dass er bei der Hinrichtung einem nur angeschossenen Kriegsgefangenen den „Gnadenschuss“ gegeben habe.

Ein anderer Beteiligter schrieb vor zwölf Jahren seine Erinnerungen an die Jugendzeit nieder. Detailliert beschreibt er etwa das Abenteuer einer Schwarzschlachtung – „Das waren eben Kriegsepisoden, die meiner Ansicht nach festgehalten werden müssen“. Er beschreibt die Pogromnacht 1938 mit großer Anteilnahme für sechs jüdische Familien und benennt sechs (Rienecker) Haupttäter unter den SA-Leuten, die er als „braunen Pöbel“ bezeichnet. Er beschreibt auch die Hinrichtung der Kriegsgefangenen und nennt sich und die vier anderen Hitlerjungen, die dafür ausgesucht worden waren. Die Schilderung dieses dramatischen Erlebnisses aber wirkt seltsam distanziert und ist auf 14 Sätze beschränkt. Das Ereignis selbst: „Gemeinsam mit Soldaten in Luftwaffenuniform wurde zum Hinrichtungsplatz marschiert. Die russischen Soldaten mussten ihr Grab ausheben und Aufstellung nehmen. Uns Hitlerjungen wurde zu verstehen gegeben, dass, wenn wir eine Befehlsverweigerung vornehmen, uns dasselbe Schicksal ereilen könne, das den Gefangenen zugedacht sei.“ Kein Wort über die sicherlich durchlittenen Seelenqualen sowie belastenden Vernehmungen und das zwölfstündige Kreuzverhör. In tief bewegten Worten aber folgt dann die Erinnerung an das nahe, kriegszerstörte Gemünden mit vielen Getöteten zwischen den Bahngleisen.

Eine Rieneckerin schrieb am 27. September 2014 in einem Leserbrief: „Die der Nein-Entscheidung des Rienecker Stadtrates zugrunde liegende Absicht ist, die auf der einen Seite des grauenvollen Geschehens Beteiligten und deren Angehörige zu schützen. In meinen Augen nimmt eine solche Gedenktafel niemandem einen Schutz weg. Sie gibt den damaligen Opfern und dem Geschehen einen Namen und einen Ort. Sie gibt dadurch den Opfern Würde zurück, den Lebenden die Möglichkeit, zu gedenken und zu trauern. Die Gedenktafel könnte auch den Beteiligten und ihren Nachkommen eine Hilfe sein. Denn nicht nur die Erschossenen waren Opfer. Die Mitglieder des Erschießungskommandos waren zwar Täter, aber auch Opfer. Opfer, missbraucht für die Zwecke des Naziterrorregimes. Die Gedenktafel könnte insofern für die Rienecker Bürger auch Anlass sein, den grauen Schleier, der über dem Geschehen liegt, zu lüften, sich diesen Geschehnissen der Nazizeit zu stellen und damit ein Stück Geschichte gemeinsam zu verarbeiten.“

Es gibt also Zeugenaussagen, es gibt Erzählungen, es gibt Erinnerungen, aber es gibt auch Dokumente. Wer, wie diese Zeitung, die Gerichtsakten von damals studiert, für den ergibt sich ein klares Bild: Ohne Standgericht oder die Verhandlung eines ordentlichen Kriegsgerichtes befahl der Würzburger SA-Brigade- und Volkssturmführer Hans Olpp, 47, an Gründonnerstag 1945 willkürlich die Erschießung von fünf unbekannten russischen Kriegsgefangenen. Schießen mussten fünf Rienecker Hitlerjungen im Alter von 13 bis 17 Jahren, darunter auch der Sohn des NSDAP-Ortsgruppenleiters. 1950 musste sich der Würzburger SA-Chef in einem Schwurgerichtsprozess für die Tat vom 29. März 1945 verantworten. Olpp hatte von Gauleiter Otto Hellmuth die Order, im Städtchen Rieneck wieder Ruhe und Ordnung herzustellen, nachdem zwei Tage zuvor ein waghalsiges amerikanisches Kommandounternehmen, bekannt als „Task Force Baum“, in Richtung Kriegsgefangenenlager Hammelburg durchgestoßen war. Auf Olpps Befehl mussten fünf Rienecker Hitlerjungen die Gefangenen mit Karabinern im Anschlag durch den Ort zu einem außerhalb gelegenen Steinbruch treiben. An der sogenannten Sternhecke angekommen, wurden die Russen gezwungen, ihr eigenes Grab zu schaufeln. Die Hitlerjungen erschossen sie dann von hinten. Zur Erschießung sollen sich auch zwei Soldaten aus dem Lazarett freiwillig gemeldet haben. Weil nicht alle Gefangenen auf der Stelle tot waren, wurde ins Grab hinein nachgeschossen. Anschließend verscharrte man die Toten. Nach der Tat verschwand Olpp, der aus Kirchheim unter Teck bei Stuttgart stammte, genauso schnell wieder, wie er in den Spessart gekommen war.

Vermutlich waren die Nazi-Größen in Mainfranken in jenen Tagen Ende März 1945 in heller Aufregung. Die aus Aschaffenburg kommende amerikanische Panzertruppe war auf Befehl von General George Patton, der seinen Schwiegersohn aus dem Lager Hammelburg befreit haben wollte, 80 Kilometer weit hinter die deutschen Linien vorgestoßen. Der Zug mit 314 US-Soldaten und 57 Fahrzeugen wurde letztlich zwar aufgerieben. Doch die regulären US-Truppen waren nicht mehr weit, von den Amerikanern befreite Kriegsgefangene liefen herum, und die Bevölkerung sollte wieder auf Linie gebracht werden. In Rieneck sollen beim Durchmarsch der Amerikaner weiße Bettlaken aus den Fenstern gehangen haben zum Zeichen der Aufgabe, zudem hatte sich der Leiter des Rienecker Lazaretts gegen Panzersperren und das Parken von Militärfahrzeugen im Lazarettbereich gewehrt.

In der Gegend fanden damals einige Exzesse statt. Im Nachbarort Burgsinn wurden – angeblich von einer SS-Einheit aus Wildflecken – drei Tage nach dem Rienecker Verbrechen elf, wie es heißt, russische Kriegsgefangene erschossen, die im Ort versucht hatten, Hilfe oder Essen zu bekommen. Wahrscheinlich hatten sie zu einem Transport von rund 700 sowjetischen Kriegsgefangenen gehört, die das US-Kommando fünf Tage zuvor, am 27. März, zwischen Burgsinn und Gräfendorf befreit hatte. Schon im Februar 1945 eingerichtete Standgerichte verurteilten in jenen Tagen tatsächliche oder angebliche Deserteure sowie auch Zivilisten, die sich zu unvorsichtigen Äußerungen hatten hinreißen lassen. Seit 9. März zogen zudem sogenannte fliegende Standgerichte, Mordbanden in Uniform, durchs Land und exekutierten ihre Opfer meist auf der Stelle. In Lohr wurde ein Arzt hingerichtet, in Zellingen ein Landwirt, in Marktheidenfeld zwei Soldaten, in Aschaffenburg ein Leutnant.

Am 28. März, einen Tag vor dem Vorfall in Rieneck, notierte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels in sein Tagebuch über einen Bericht aus Würzburg am Morgen: „Die Gauleitung teilt mit, dass man dort völlig der Lage Herr sei und dass Aschaffenburg wieder vom Feind freigekämpft worden sei. Unser Reichspropagandaamtsleiter Dr. Fischer hat sich besonders liebevoll derjenigen angenommen, die beim Herannahen des Feindes weiße Fahnen gehisst haben. Sie werden im Gau Mainfranken einer rabiaten Behandlung unterworfen, die sie auch verdienen.“

In dieser, für die Nazis torschlusspanischen Zeit ließ sich Hans Olpp, seit November in Würzburg und seit Februar außerdem Führer des Volkssturmbataillons „Veitshöchheim“, zusammen mit dem Würzburger Reichspropagandaamtsleiter Werner Fischer nach Rieneck fahren, um „die Ordnung wiederherzustellen“. Womöglich hatte er vor, ein Exempel zu statuieren. Der Fahrer sollte später Olpps Hauptbelastungszeuge werden. Der Arzt aber, der das Rienecker Lazarett leitete, gab auch in der persönlichen Auseinandersetzung mit Olpp nicht nach.

Als der SA-Chef, an diesem 29. März 1945 in der Uniform eines Wehrmachtsoffiziers, obwohl er keiner war, nach diesen für ihn frustrierenden Verhandlungen an den nahen Platz am damaligen Rathaus kam, befand sich dort eine große Menschenmenge. In der Situation müssen fünf von Soldaten eskortierte Russen am Rathaus vorbeigekommen sein. Ob sie zu dem zwei Tage zuvor bei Burgsinn befreiten Transport gehörten oder aus dem Kriegsgefangenenlager in Burgsinn stammten, oder, wie manche Rienecker behaupten, Insassen eines kleinen Rienecker Arbeitslagers waren, bleibt in den Prozessakten unklar. Ein Rienecker behauptet gar, es habe sich um prominente Russen gehandelt, die sein Vater, der in den Tagen darauf von Nazi-Schergen erschossen worden sei, zu bewachen gehabt habe.

Die fünf Kriegsgefangenen sollen zuvor einen in einem Bahntunnel abgestellten Wehrmachtszug geplündert haben. Dies taten sie womöglich sogar zusammen mit ihren Bewachern, denn wohl die gesamte Rienecker Bevölkerung bediente sich dort. Man erzählt sich heute noch von Säcken voller Zucker. Bei den Russen fanden sich angeblich Zigaretten, Schokolade und Rasiermesser. Ein älterer Rienecker, der in der Menge am Rathaus dabeistand, soll daher wegen des Vorwurfs der Plünderung gerufen haben: „Da waren auch Parteigenossen dabei.“

Doch Hans Olpp wollte die russischen Plünderer gleich erschießen lassen. Er habe einen „gebieterischen Eindruck“ gemacht, erinnerte sich ein Zeuge. Hinzu kam, dass eine Krankenschwester laut rief, sie sei im Tunnel von einem der Russen geschlagen, nach einer anderen Version mit einem Rasiermesser bedroht oder verletzt worden.

Er fragte die versammelte Menge, wo der Volkssturm sei. Dann bestimmte er fünf Hitlerjungen, die größten, die herumstanden, Gewehre und Schaufeln zu holen. Einer der Russen soll nach diesem „Todesurteil“ unter Hinweis auf Frau und Kinder noch auf Knien um sein Leben gefleht haben. Vergebens.

Der Malermeister und Kreishandwerksmeister Hans Olpp, bereits seit 1922 NSDAP-Mitglied, war vor dem Krieg SA-Standartenführer in Ludwigsburg gewesen. Im Zuge der Machtübernahme Adolf Hitlers war er in seinem Heimatort Kirchheim für die Verhaftung von zwölf Kirchheimer SPD- und KPD-Mitgliedern verantwortlich. Nach der Pogromnacht 1938 soll er sich gebrüstet haben, er habe die Ludwigsburger Synagoge selbst in Brand gesteckt. Davon wollte er später freilich nichts mehr wissen.

Nachdem er am Frankreich-Feldzug teilgenommen hatte, kam der stramme Nazi in die oberste SA-Führung nach München, im November 1944 wurde er nach Würzburg versetzt. Nach dem Krieg tauchte Olpp als angeblicher Kunstmaler namens Hans-Joachim Kolb unter, wohnte bis zu seiner Entdeckung Anfang 1948 nur 20 Kilometer entfernt von seinem Heimatort. Er kam ins Internierungslager Ludwigsburg.

Wegen der Erschießung in Rieneck konzentrierten sich die Ermittlungen nach dem Krieg zunächst auf den NSDAP-Ortsgruppenleiter in Rieneck, den Schulleiter. Auch er war zum Kriegsende für einige Monate untergetaucht, konnte aber später bis zur regulären Pensionierung Schulleiter in Rieneck bleiben.

Die fünf Hitlerjungen gestanden 1948 vor der Spruchkammer in Gemünden nach einem zwölfstündigen Kreuzverhör, an dem Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Einer sprach von einem Öls oder Ölsner, der den Schießbefehl gegeben habe. Als der ehemalige Fahrer Olpps von der Sache erfuhr, meldete er sich mit der belastenden Aussage gegen Olpp. Als der gefunden war – im Internierungslager –, gab er zu, in Rieneck gewesen zu sein. Ihm seien plündernde Russen vorgeführt worden. Die Bevölkerung und Soldaten hätten „heftig gegen die Russen Stellung genommen“, sagte er aus, er sei aber ohne Maßnahmen gegen sie wieder weggefahren. Von der Erschießung wisse er nichts.

Im August 1950 dann kam es vor dem Schwurgericht in Würzburg zum Verfahren wegen Mordes gegen Hans Olpp. Nun bestritt er, überhaupt je in Rieneck gewesen zu sein, zudem habe er immer nur die braune SA-Uniform, nie Feldgrau getragen. Mehrere Zeugen erkannten ihn jedoch wieder. Sein Fahrer sagte außerdem, dass Olpp, dessen Dienstkleidung am 16. März beim Luftangriff auf Würzburg in der Residenz verbrannt sei, an jenem Tag sehr wohl Wehrmachtsuniform trug. Auch ein Soldat, der zur Tatzeit im Lazarett Rieneck gewesen war, sagte aus, Olpp habe die feldgraue Uniform eines Sonderführers getragen.

Die zwölf Geschworenen erkannten Olpp in einer knappen Entscheidung nicht des Mordes, sondern des Totschlags für schuldig. Den drei berufsmäßigen Richtern oblag es, das Strafmaß bestimmen. Der Malermeister bekam milde fünf Jahre Zuchthaus. 15 hatte der Staatsanwalt gefordert. Zugunsten des Angeklagten sprach laut Urteil, dass Olpp nicht vorbestraft und in seiner Heimatstadt angesehen gewesen sei und er außerdem zu erblinden drohe. Der Angeklagte, einer der obersten Nazi-Machthaber im Gau Mainfranken, sei „letzten Endes ein Opfer jener Psychose geworden, die von den Machthabern des Dritten Reiches gerade in Bezug auf die angeblich von den Kriegsgefangenen ausgehenden Gefahren überall verbreitet worden war“. Die Tat jedoch sei „auch menschlich so unverständlich gefühllos“ gewesen, heißt es im Urteil.

Wie jedoch Unterlagen belegen, die dem Gericht vorgelegen hatten, war Hans Olpp wegen Urkundenfälschung und des Novemberpogroms nach dem Krieg sehr wohl bereits verurteilt worden, allerdings wurden die Urteile jeweils wieder aufgehoben. Bei der Synagogenbrandstiftung lautete die Begründung, der SA-Führer wäre nicht zum Einschreiten gegen die Brandschatzung verpflichtet gewesen. Dabei hatte er sie offensichtlich angeordnet. Ein im Rienecker Verfahren vom Gericht dreist umgedeutetes Gutachten eines Arztes am Bezirkskrankenhaus Lohr besagt zudem deutlich, dass Olpp die Erblindung nur simuliere, tatsächlich jedoch sehr gut sehe. Und aus seiner Heimatstadt ist bekannt, dass er den meisten als unangenehmer Zeitgenosse galt.

Auch die fünf Jahre Zuchthaus aus dem Urteil reduzierten sich schließlich auf nur eins: Der bayerische Justizminister gab seinem Gnadengesuch statt. Ein vehementer Unterstützer des Gesuchs war wieder der Vorsitzende Richter des Schwurgerichts, das ihn verurteilt hatte: Otto Albert. Er schrieb nun: „Ich bin durch die Gerichtsverhandlung nicht voll überzeugt worden, dass Olpp wirklich der Täter war.“ Warum sollte Olpp gerade an jenem Tag Feldgrau getragen haben, fragte Albert.

Olpps Verteidiger schrieb im Gnadengesuch, dass jedes Kriegs- oder Standgericht die angeblichen Plünderer zum Tode hätte verurteilen dürfen. „Was der damalige Befehlshaber getan hat, war also ein Vorgriff auf die Standgerichtsbarkeit“ und könne mit den „wirklichen Gräueltaten“ in den russisch besetzten Gebieten „überhaupt nicht in Vergleich gesetzt werden“. Außerdem bestritt er, dass sein Mandant Befehlshaber gewesen war.

Der Häftling selbst beteuerte seine Unschuld. „Mein Leben lang habe ich nichts anderes getan, wie mich als anständigen Mensch durchs Leben zu bringen“, schrieb er in seinem Gnadengesuch. „Überall habe ich nur meine Pflicht erfüllt.“ Mithilfe seines Bruders, mit dem er sich später zerstritt, baute er sich nach der Begnadigung einen eigenen Malerbetrieb auf. Hans Olpp starb am 30. Juni 1985 im Alter von 88 Jahren in seiner Heimatstadt Kirchheim. Von den fünf Rienecker HJ-Schützen lebt heute ebenfalls keiner mehr.

Sich der Geschichte zu stellen, dazu hat Rieneck weiter Gelegenheit. Die Rechtsaufsicht am Landratsamt Main-Spessart hat in dieser Woche den Gedenktafel-Beschluss des Rienecker Stadtrats wegen des offensichtlichen Verstoßes gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz von Ratssitzungen beanstandet. Die Behörde empfiehlt dem Stadtrat „zur Wahrung der Rechtmäßigkeit seines Handelns“ sich erneut mit dem Antrag zu befassen und darüber zu beschließen und zwar in öffentlicher Sitzung. Damit hat es der Stadtrat in der Hand, der Schande von 1945 keine zweite Schande 70 Jahre später hinzuzufügen; schließlich ist Rieneck ein liebenswertes Städtchen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Rieneck
Michael Fillies
Björn Kohlhepp
Erich Fried
Joseph Goebbels
SPD
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Wehrmacht
Wolfgang Küber
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Veraltete Benutzerkennung
    Schuld getrennt zu betrachten, nach dem Prinzip "dieser hat jene, jener hat diese Schuld". Im Einzelfall mag das gehen, in einem komplexen Fall wie das eines Weltkrieges nicht. Natürlich bestand für die Getöteten keine Schuld, doch "wieviel" Schuld hatten die Täter, die doch durchweg dem Jugendalter angehörten? Der Wahnsinn auf der untersten Ebene zeigt sich auf der obersten und wird plötzlich zum Prinzip für alle. Viele vergessen - den Auslöser des II.Weltkriegs - dass Hitler zusammen mit Stalin Polen überfallen hat. Man lese doch einmal das Buch von Montefiore über Stalin. Dieser hat genauso wie Hitler gemordet und ganze Biografien zerstört. Gesagt sei damit: es gibt Gewalt und Gewaltbereitschaft in allen Gesellschaften und wenn sie behördlich geschützt, ideologisch verordnet sind, dann gehen die Toten in die Millionen. Opfer und Täter von Rieneck sind von diesen Gewaltmenschen gefressen worden - und ich hoffe, dass sie uns zu einem Auftrag des Friedens werden. Mit oder ohne Tafel.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    In der Tat war es im Nationalsozialismus oft die bloße Erlaubnis durch Autoritäten, die das schreckliche Potenzial an Bosheit und Gewalt freigesetzt hat.

    Dass Menschen erträglich zusammenleben, ist nur möglich, wenn, wer Schlimmes getan hat, dafür die Verantwortung übernimmt. Wer aufgehetzt, gequält, beraubt oder getötet hat, ist dazu oft nicht bereit. Deshalb entwickeln alle menschlichen Gemeinschaften so etwas wie ein Justizsystem, um Unrecht zu ahnden und Täter zur Rede zu stellen. Absolute Gerechtigkeit ist Menschen nicht möglich. Aber das bisschen relative Gerechtigkeit, das wir schaffen können, ist lebenswichtig, weil vergossenes Blut zum Himmel schreit und, wenn es keine geordneten Verfahren gibt, Rache fordert, vor allem aber um mögliche Täter abzuschrecken, mögliche Opfer zu schützen und die Willkür der Stärkeren einzudämmen.

    Auch wenn menschliches Leben kein Schwarz/Weiß-Bild abgibt und sich in vielen Farbabstufungen zeigt: Wir müssen Schuldige und Opfer unterscheiden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Die Trauer um fünf junge Männer, die noch in den letzten Kriegstagen ums Leben gebracht worden sind, haben in Rieneck bisher keinen Ort. Mit einer Gedenktafel soll jetzt in würdiger Weise daran erinnert werden. Deren Text greift niemanden an. Er beschreibt zurückhaltend, was geschehen ist, und sagt "Wir gedenken".

    Einige Einwohner reagieren, als hätte man sie beschuldigt. Die Mehrheit der Rienecker haben sie vermutlich nicht hinter sich. Zu einem persönlichen Schuldbewusstsein hat wahrscheinlich niemand mehr tatsächliche Gründe.

    Was also zeigt sich hier? Weil die individuelle Schuld nach 1945 rechtlich nicht erfolgreich aufgearbeitet wurde, sind allgemeine Schuldgefühle geblieben und äußern sich in dumpf aggressiven Verhalten gegen die, die an die geschichtliche Wahrheit erinnern.

    Sollte wirklich an solchem verantwortungslosen Verhalten ein kluger Versuch scheitern, der Trauer und dem Gedenken einen Ort zu geben? Wer darf sich das Recht herausnehmen, solche Trauer zu verbieten?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. B.
    Hoffentlich lesen die Verantwortlichen von Rieneck ihre Kommentare. Sie haben das sehr gut zusammengefasst.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • O. P.
    ...noch leben. Dann wurden sie von einem SA-Mann und fünf Hitlerjungen erschossen und verscharrt. Ich halte es für einen Akt der Menschlichkeit, diesen fünf Männern, denen von Rieneckern das Leben genommen wurde, mit einer Gedenktafel eine Grabstelle zu errichten und ihnen einen Teil ihrer Würde zurückzugeben.
    Es ist schon traurig, dass dies von Seiten des Stadtrates abgelehnt wurde. Dass Frau Krutsch und ihre Verwandten auch noch bedroht werden, ist aber geradezu beschämend!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Kriegsverbrechen bleibt Kriegsverbrechen, egal, ob von den Guten oder Bösen begangen. Ein Akt der Menschlichkeit ist es, sich als Soldat und Offizier oder Wer-auch-immer-Verantwortlicher seinem Gewissen zu besinnen und im Krieg nicht verbrecherisch zu töten, also zu morrden - hier auch unabhängig von den Guten oder Bösen! Es gab schon immer die Genfer Konvention. Das ist auch unabhängig davon, wer den Krieg entfesselt hat. Wie gesagt: Im Krieg gibt es nur Verlierer! Ich kenne jedoch auch einen zwangsrekrutierten Ortsbauernführer, der im Krieg das Leben der Kriegsgefangenen gerettet hat, den Bäcker des Dorfes vor dem Volkssturm bewahrte, somit die Dorfversorgung sicherstellte und auch in diesen Zeiten nach seinem Gewissen handelte. Es war mein Opa! Ich bin mächtig stolz auf ihn! Schindlers-Liste in einer kleinen Ortschaft!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • O. P.
    Glauben Sie, dass Ihre Aufrechnung der Kriegsverbrechen die Verbrechen, die im Namen Deutschlands geschehen sind, relativiert? Lassen Sie es Ihrem Kind (falls Sie eines oder mehrere haben) auch durchgehen, wenn es sagt, aber der/die hat das auch gemacht? Ich höre immer wieder, man könne/solle/dürfe stolz sein auf Deutschland. Wenn man auf die guten Seiten des Landes stolz sein darf, muss man auch die schlechten Seiten des Landes akzeptieren. So sehr oder so wenig, wie man dafür verantwortlich ist, dass es in diesem Land große Dichter und Denker gab/gibt, so sehr oder wenig ist man für die Verbrechen, die im Namen Deutschlands geschahen, verantwortlich,. Das eine geht nicht ohne das andere. Wir können uns nur unserer historischen Verantwortung stellen, aber nicht der Verantwortung der Russen, Amerikaner und der anderen Alliierten. Wir können diesen geknechteten und ermordeten Menschen einen Teil Ihrer Würde zurückgeben. Das ist für mich ein Zeichen einer menschlichen Hochkultur.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • O. P.
    Diesen fünf ermordeten Russen eine Gedenktrafel zu verweigern, heißt nichts anderes, als ihnen auch nach ihrer Ermordung ihre Menschenwürde zu verweigern. Die Würde des Menschen ist unantastbar! Aufgrund der unglaublichen Verbrechen des Nazi-Regimes und den Millionen Mitläufern steht dieser Satz in unserem Grundgesetz. Er ist von immenser Bedeutung.
    Die Juden verleihen Menschen, die sich gegen Hitler-Deutschland stellten und für Menschlichkeit kämpften, den Titel "Gerechter unter den Völkern". Lassen Sie uns doch ein ganz kleines bisschen Gerechtigkeit üben. Sie sind zu Recht stolz auf Ihren Opa, der sich gegen Willkür und Diktatur stellte. Meinen Sie, er wäre gegen diese Gedenktafel?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Mit keinem Satz erwähnte ich, gegen die Gedenktafel zu sein - mein Opa gewiss auch nicht . Auch ich bin für die Gedenktafel in Rieneck und kann dem Stadtrat in seiner Abstimmung nicht folgen. Aber vielleicht ändert das sich ja noch!! Absicht war es nur, auf Kriegsverbrechen, die von jeder Seite begangen wurden, hinzuweisen. Auch was der deutschen Zivilbevölkerung angetan wurde, das darf nicht vergessen und verschwiegen werden, unabhängig von der Kriegsschuld. Sie sagen es - auch dies umfasst Art. 1 I GG.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • O. P.
    Es ist einfach unsäglich, wenn immer wieder Verbrechen gegengerechnet werden. Natürlich ist es furchtbar, was der deutschen Zivilbevölkerung widerfahren ist beim Einmarsch der Roten Armee und der Alliierten und auch in den Bombennächten. Aber man darf doch nicht Ursache und Wirkung verwechseln! Hitler-Deutschland hat den schlimmsten Krieg aller Zeiten entfacht und unsagbare, vorher nie geschehene Verbrechen verübt. Die Rote Armee musste auf ihrem Vormarsch über tausende Kilometer verbrannte Dörfer, ermordete Kinder, Frauen und Alte sehen. Wie soll in diesen Menschen kein Hass entstehen? Wie soll in alliierten Soldaten nach der Befreiung diverser KZs kein Hass entstehen?
    Nun zu Rieneck. Fünf junge Männer mussten ihr Land, ihre Heimat gegen eine Armee, die sich auf einem Vernichtungsfeldzug befand, verteidigen, wurden gefangengenommen und zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Ihre Familien, ihre Frauen, Kinder, Eltern wussten nicht, wo sie sich befinden und ob sie überhaupt...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. B.
    Beantragen Sie den Gedenkstein doch. Es gibt Orte in Unterfranken, wo so einer steht ...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Schrecklich, was in Rieneck passierte. Aber: Meine Großtante, Brigitte Wiesler aus Oberthulba, wurde am 15.10.1944 in Gemünden, als Krankenschwester in Rotkreuzuniform erkennbar und tätig, von der Bordkanone eines amerikanischen Bombers mit MG-Salven, auf offener Straße, beim Helfen regelrecht zerfetzt und hingerichtet. Auch hier offenbarte sich der blanke Hass - auch das ist ein ungesühntes Kriegsverbrechen. Wo ist hier der Gedenkstein, all jenen Opfern, die in Gemünden als Zivilisten bei dem Bombardement ums Leben kamen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Das schreckliche Schicksal ihrer Großtante rührt einen an. Sie brachte ein grenzenlos wütender Krieg ( - und welcher Krieg seit 1914 hält sich schon an irgendwelche Grenzen? - ) um ihr Leben. Der Tod der fünf jungen Männer in Reineck hatte mit dem Krieg höchstens insofern zu tun, als der Krieg sie zu Gefangenen gemacht und ihnen wie der unterversorgten Bevölkerung ein paar Waggons mit Lebensmitteln zum "Organisieren" in die Nähe geliefert hatte, das in jenen Tagen niemand mehr ernsthaft als Unrecht empfand. Ihre jungen Leben wurden zu Opfern blanken Unrechts, das sich nicht scheute, ihre genau bestimmten Rechte als Kriegsgefangene wie die von Millionen anderer Gefangener, vor allem aus der Sowjetunion, mit Füßen zu treten. Meine Bitte: Setzen sie an die Stelle des "Aber", bevor Sie vom schlimmen und einer eigenen Erinnerung werten Geschick von Brigitte Wiesler berichten, ein "Und" oder ein "Mehr noch". Vermeiden Sie so den Anschein, Sie wollten etwas aufrechnen. Denn das geht nicht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Ich verstehe die Stadträte von Rieneck nicht. Dort sind während der Nazi-Dikatatur 5 Menschen unter schrecklichen Umständen umgekommen. Die Tat wurde danach nur sehr oberflächlich verfolgt. Wenn schon eine Frau so aktiv das Geschehene aufarbeitet, den Finger in die Wunden legt und einen Vorschlag macht, der problemlos umgesetzt werden kann, warum verweigert man sich dann? Will man einfach nur dem grünen Bürgermeister eins auswischen? Merkt man nicht, wie dieses unsägliche Verhalten der Stadt Rieneck auf Jahrzehnte ein braunes Image anhängt? Sie haben geschworen, Schaden von der Stadt Rieneck abzuwenden. Gegen diesen Eid verstoßen Sie!
    Ich verstehe auch das Landratsamt nicht, weshalb es sich feige aus der Verantwortung stiehlt. Der nichtöffentliche Beschluss ist nicht rechtens. Dass die kommunale Aufsicht dann unter Verweis auf bisher nicht erfolgte höchstrichterliche Urteile im Nichtstun versinkt, ist eine Schande. Herr Schiebel, Sie sind als Landrat gefordert, Stellung zu beziehen!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    ist um das Aufklärung und Humanismus schon immer einen Bogen gemacht haben, ist nichts Neues.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. R.
    Schauen und hören Sie einmal in unserem Land herum:
    Überall haben die Stadtoberen ihre liebe Not mit der Erinnerung an die schrecklichen Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus.
    Gedenktäfelchen, notgedrungen angebracht, um den Schein zu wahren, mit pauschalen standardisierten Formulierungen.
    Die Täter waren: der Naziterror, die damaligen Machthaber, Hass und Willkür usw.
    Man vermeidet, aus dem Täter eine Person zu machen.
    Täte man es, könnte die Gefahr drohen, nicht mehr in den nächsten Stadtrat gewählt zu werden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. W.
    Ihr ausführlicher und gründlich recherchierter Beitrag hat mich sehr bewegt. Es macht mich fassunglos, mit welch fahrlässiger Geschichtsvergessenheit, teilweise aber auch engstirniger Borniertheit manche Einwohner von Rieneck mit dem Thema heute umgehen. Gerade ein solches Mahnmal, wie von Frau Krutsch vorgeschlagen, könnte das Unfassbare, das vor 70 Jahren geschehen ist, ein wenig greifbarer für die Nachfahren machen. Es darf niemals vergessen werden, dass es gerade die - gesellschaftlich anerkannten - Pflichterfüller sind, die das von oben diktierte Unrecht tatsächlich ausführen. Mit Hinweis auf ihre erhaltenen Befehle entledigen sie sich ihrer persönlichen Verantwortung für ihre Taten. Nie wieder darf ein Staatsapparat solch große Macht über Menschen gewinnen, dass diese ungestraft derartige Verbrechen begehen können. Eine Genehmigung für das Aufstellen einer Gedenktafel wäre das Mindeste, das Rieneck hier im Namen der Menschlichkeit tun kann.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. B.
    Danke für Ihre Unterstützung, Sie haben das wunderbar geschrieben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    und reicht doch nicht. scheinbar werden denkmäler, zu einer bestimmten zeit errichtet, einer späteren zeit nicht mehr gerecht. Kann man ein denkmal für alle toten errichten? es wäre ideal - und dennoch schwierig, denn wer war opfer, wer täter? wer wurde gegen seinen willen in einen mörderischen krieg geschickt und wer hat wie und wen getötet? ... ehrlich, wer will hier noch antworten geben? russen und deutsche waren täter und opfer und mag wohl selbst im idealfall nur im einzelnen beschreiben, wer auf welcher seite zu finden ist. in rieneck ist wohl eine große chance vertan, vielleicht weil man selbst gefangen war in der traurigen sicht von hie täter und hie opfer.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. G.
    Achtung vor der Frau, die ein Verbrechen vor Ort zur Aufarbeitung zwingt und den Opfern
    ein spätes Erinnern schenkt. Die Urteile gegen die Täter nämlich sind eine Schande
    und ein Skandal für unser Rechtsempfinden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten