Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle unterzeichneten am 22. Januar 1963 im Pariser Elysée-Palast den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit – den Elysée-Vertrag. 50 Jahre danach treffen sich am Dienstag Bundestag und Assemblée Nationale in Berlin zur gemeinsamen Sondersitzung, auch die beiden Regierungen tagen gemeinsam. Das Jubiläum ist Anlass für ein Gespräch mit dem Würzburger Oberstudienrat Wolfgang O. Hugo (58), der das Entstehen von Partnerschaften zwischen seiner Heimatstadt und Caen, zwischen dem Bezirk Unterfranken und dem Département Calvados und vielen Gemeinden dieser Regionen fördernd begleitete. Hugo sagt: Wie Deutsche und Franzosen miteinander umgehen, ist für das Gedeihen Europas von entscheidender Bedeutung.
Wolfgang O. Hugo: Nein, damals war ich keine zehn Jahre alt.
Hugo: 1972, bei einem Schüleraustausch mit Paris. 1973, als meine Eltern nicht nach Italien in den Urlaub fuhren, sondern nach Frankreich. Und 1974, als ich erstmals Caen besuchte.
Hugo: Ich fand, die Franzosen sind so, wie man sie sich eben vorstellt. Locker, umgänglich, tolerant. Sicher nicht in jeder Situation. Ich habe mir 1974, kurz nach dem 30. Jahrestag der alliierten Invasion in der Normandie, mehrfach die Präsentation der Ereignisse im Museum in Arromanches (Stadt an der Küste der Normandie, einer der Orte der Landung) angeschaut. Als ich mir zu fragen erlaubte, ob nicht die Darstellung des D-Days etwas sehr einseitig sei, bin ich von einem der Museumswärter mit einem zumindest strafenden Blick bedacht worden. Da merkte ich, dass sich noch vieles bewegen musste in den Köpfen der Menschen.
Hugo: Es gab Überlegungen für eine solche Partnerschaft schon Jahre vor dem Zustandekommen. Entscheidend war am Ende, dass ein Politiker die Idee aufgriff und umsetzte: der damalige Bezirkstagspräsident Dr. Franz Gerstner. Er war als 18-Jähriger in der Normandie gewesen und hatte bereits die Städtepartnerschaft Würzburg – Caen mit angeschoben. Das Thema entwickelte fortan eine eigene Dynamik. Da war es nur logisch, die Partnerschaften der beiden Bezirkshauptstädte, der Handwerkskammern und der Universitäten auf das Département Calvados und auf Unterfranken auszudehnen.
Hugo: Natürlich. Da sind zunächst einmal die vielen, vielen Namenlosen, die ganz früh für Verständigung und Partnerschaft eintraten, weil sie sich sagten, wir müssen etwas tun, damit sich die Spirale der Gewalt zwischen Deutschen und Franzosen nicht wieder zu drehen beginnt. Auf deutscher Seite dürfen Otto A. Schmidt von der Deutsch-Französischen Gesellschaft, Bruno Rottenbach und Eugen Emmerling (beide Partnerschaftsbeauftragte der Stadt Würzburg) nicht fehlen. Weitere Namen will ich nicht nennen. Die Liste würde lang, und ich könnte einige wichtige Personen vergessen.
Hugo: Ich möchte einen Moment der Geschichte nicht missen – den, als die Mauer fiel. Da waren plötzlich im deutsch-französischen Verhältnis die einfachen Bürger viel wichtiger als die Politiker. Während französische Politiker, allen voran Präsident François Mitterrand, beim Gedanken an ein vereinigtes und wirtschaftlich erstarkendes Deutschland offensichtlich erschraken und zögerten, hatte die Masse der Franzosen viel Verständnis für den Wunsch der Deutschen, in einem vereinigten Land zu leben. Für Vertrauen sorgte der Satz von Bundeskanzler Helmut Kohl, Deutschland werde über die wiedergefundene Einheit Europa nicht vergessen. Ich war 1990 bei einem Tag der Partnergemeinden im Calvados. Da konnte ich spüren, wie wichtig die Botschaft Kohls war, die da lautete: Wir werden bei allem Engagement für Ostdeutschland die Integration Europas nicht bremsen.
Hugo: Feierlichkeiten gehören dazu. Es wird sie auch künftig geben, beispielsweise bei den 70. Jahrestagen der Zerstörung Caens 2014 und Würzburgs 2015. Sie ersetzen natürlich die Begegnungen des Alltags nicht. Für eine ganz tolle Sache halte ich, dass man versucht, einzelne Fachbereiche auf Bezirksebene zusammenzubringen: Fischer mit Fischern, Vermessungsingenieure mit Vermessungsingenieuren. Bei den Lehrern funktioniert das auch manchmal (schmunzelt). Das ist eine gegenseitige Bereicherung, die mich an einen Satz des CDU-Politikers Rainer Barzel denken lässt, der einer der Koordinatoren deutsch-französischer Verständigung war. Barzel sagte 1988: „Seit der Rhein nicht mehr Frankreich und Deutschland trennt, lebt Europa auf.“ Dahinter steht das Bewusstsein: Wenn es dem anderen schlecht geht, kann es uns nicht gut gehen.
Hugo: Stimmt schon. Aber es gibt noch emotionale Momente, wenn Sie mit einer Schulklasse über die Friedhöfe der Weltkriege gehen. Die Jugendlichen sehen, wie jung diejenigen waren, die auf den Schlachtfeldern ums Leben kamen. Das wühlt auf.
Hugo: Wir müssen uns fragen, wie wir wirtschaftliche Interessen sichern können, ohne dass der Partner das Gefühl hat, es gehe zu seinen Lasten. Wie Deutsche und Franzosen miteinander umgehen, ist exemplarisch für die Zusammenarbeit in Europa. Die wird auf Dauer nur funktionieren, wenn sich kleinere Länder nicht vor den Kopf gestoßen fühlen.
Wolfgang O. Hugo
Der Würzburger Oberstudienrat, Jahrgang 1954, ist Autor beziehungsweise Mitautor mehrerer Beiträge und Bücher über Frankreich, insbesondere über die Normandie und das Département Calvados. Er war sechs Jahre Partnerschaftsbeauftragter der Stadt Würzburg, ist Mitglied im Vorstand der Deutsch-Französischen Gesellschaft Würzburg und im Partnerschaftskomitee des Bezirks Unterfranken. Hugo erhielt zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt das Bundesverdienstkreuz am Bande und die Verdienstmedaille des Départements Calvados.
Am 4. Februar spricht Wolfgang O. Hugo im Ratssaal des Rathauses Würzburg über: „Wie Deutsche und Franzosen zueinander fanden“. Beginn 18.30 Uhr (Eintritt frei).
Karte: Deutsch-Französische Partnerschaften in der Region
Stationen einer freundschaftlichen Beziehung:
Bereits vor dem Elysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 hatte die Bischofsstadt Würzburg die Fühler nach Frankreich ausgestreckt. Heute sind 38 unterfränkische Gemeinden unter dem Dach der Regionalpartnerschaft mit Calvados.
- 1958 Gründung der Deutsch-Französischen Gesellschaft (DFG) Würzburg
- 1959 Gründung der Französisch-Deutschen Gesellschaft Caen (ACCA)
- 1962 Unterzeichnung der Städtepartnerschaft Würzburg – Caen
- 1966 Unterzeichnung der Partnerschaft Handwerkskammer für Unterfranken – Handwerkskammer Caen/Calvados
- 1969 Unterzeichnung der Städtepartnerschaft Bad Neustadt/Saale und Falaise (Calvados)
- 1977 Unterzeichnung der Partnerschaft Universität Würzburg – Universität Caen, die bereits seit 1962 kooperieren
- 1980 Staatsbesuch von Valéry Giscard d'Estaing, Präsident der Republik Frankreich, in Würzburg
- 1984 Kongress der Vereinigung der Deutsch-Französischen Gesellschaften in Frankreich und Deutschland (VDFG) in Würzburg
- 1984 Unterzeichnung der Partnerschaft Zellingen (Lkr. Main-Spessart) und Louvigny bei Caen
- 1986 Unterzeichnung der Partnerschaft zwischen dem Bezirk Unterfranken und dem Département Calvados durch Franz Gerstner und Michel d'Ornano in Schloss Bénouville bei Caen – Gemeinsame Beteiligung der Stadt Würzburg, der Handwerkskammer für Unterfranken und des Bezirks Unterfranken an der Herbstmesse Foire de Caen
- 1987 Gegenunterzeichnung der Partnerschaft Unterfranken – Calvados in der Residenz von Würzburg
- 1991 Das Département Calvados ist Ehrengast auf der Mainfrankenmesse in Würzburg
- 1992 Unterzeichnung der Partnerschaft der Jugend von Unterfranken und Calvados in Würzburg
- 2002 Französische Kultur- und Genusswochen in Unterfranken
- 2012: 50 Jahre Städtepartnerschaft Würzburg – Caen, 25 Jahre Regionalpartnerschaft Unterfranken – Calvados, unter deren Dach 38 Gemeinden mit Gemeinden im Calvados verschwistert sind. Weitere rund 50 Gemeinden haben Partner in anderen Teilen Frankreichs, wie Höchberg in Luz-Saint-Sauveur (Pyrenäen), Randersacker (Vouvray/Loire) und Schweinfurt (Châteaudun).