Knoblauch, Kamille oder Kümmel – diese Pflanzen kennen viele Menschen aus der Küche. Doch nur manche wissen, dass es auch Heilpflanzen sind. In dem Seminar „Ätherische Öle aus dem Klostergarten“, veranstaltet von der Forschergruppe Klostermedizin, drehte sich alles um die Wirkung solcher Heilpflanzen. Veranstaltungsort war der Kräutergarten von Kloster Oberzell bei Würzburg.
Schon in der Steinzeit setzten Menschen Pflanzen bei Beschwerden ein, davon zeugen Pflanzenreste, die man in Tongefäßen gefunden hat, erläutert Johannes Gottfried Mayer den 16 Seminarteilnehmerinnen. Mayer ist Germanist und Historiker. Bereits 1984 begann er seine Untersuchungen zur mittelalterlichen Medizin. Er war Gründungsmitglied der Forschergruppe Klostermedizin im Jahr 1999. Sie ist ein gemeinsames Projekt des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg und des Arzneimittelherstellers Abtei. Ziel dieses interdisziplinären Projektes ist es, das historische Wissen über Heilpflanzen zu erforschen, zu bewahren und für heute nutzbar zu machen.
Das frühe und hohe Mittelalter gilt als die Blütezeit der Klostermedizin. In den mittelalterlichen Klöstern schufen Mönche die Grundlagen der akademischen Medizin des Mittelalters. Als Begründer der Klostermedizin gilt der Heilige Benedikt, der um 527 das Kloster Monte Cassino gründete und eine eigene Klosterregel schrieb. „Kapitel 36 der Benediktinerregeln setzt sich mit der Krankenpflege auseinander.“
Die Klöster haben die Regeln des Heiligen Benedikts umgesetzt, das wissen Historiker beispielsweise aus dem St. Gallener Klosterplan. Er entstand vermutlich um 820 im Kloster Reichenau und ist im Besitz der Stiftsbibliothek St. Gallen. Darauf sind bereits eine Krankenstation und ein Kräutergarten eingezeichnet. Jahrhundertelang übernahmen die Mönche die medizinische Versorgung der Menschen. Die Ordensleute studierten das Wissen der antiken Heilkunde, vertieften ihre Kenntnisse durch eigene Forschungen und unterwiesen sich gegenseitig. „Die Klostermedizin verbindet die Lehre von den Heilkräutern, den Arzneipflanzen, der Ernährungskunde und des christlichen Glaubens zu einer ganzheitlichen Medizin.“
Zu den wichtigsten Inhaltsstoffen der Pflanzen gehören ätherische Öle, erklärt die Apothekerin Katharina Mantel, die zur Forschergruppe Klostermedizin gehört. Ätherische Öle setzen sich wiederum aus zahlreichen Stoffen zusammen, die der Pflanze dazu dienen, Insekten zur Bestäubung anzulocken, Schädlinge fernzuhalten und sich gegen Krankheiten zu schützen, die zum Beispiel durch Bakterien oder Pilze hervorgerufen werden.
Das gebräuchlichste Verfahren zur Gewinnung von ätherischen Ölen ist die Wasserdampfdestillation. Die Seminarteilnehmer dürfen an diesem Tag selbst destillieren. Einige ätherische Öle lösen sich auch in Alkohol. Für Mayer sind ätherische Öle hochinteressante und wirksame Stoffe. „Alle Gewürze in der Küche haben einen hohen Anteil an ätherischen Ölen“, erläutert der Pflanzenexperte. Sie fördern die Verdauung, regen die Darmtätigkeit an und wirken positiv auf den Verdauungsapparat. Thymian enthält das ätherische Öl Thymol. „Das ist ein sehr intensiver Stoff“, sagt Mayer. Thymol wirkt desinfizierend, entzündungshemmend, schleimlösend und verdauungsfördernd.
Heute sollen Kräuterduftkissen gefertigt werden: Muntermach-Kissen mit Pfefferminz und Rosmarin. Dazu geht es in den Klostergarten. Dort wächst Ringelblume neben Estragon, Rosmarin neben Schlüsselblume, koreanische Minze neben Lavendel. Mit Lavendel hat im Klostergarten Oberzell alles begonnen, verrät Schwester Leandra, die den Kräutergarten vor gut 23 Jahren angelegt hat. „Ich konnte schlecht schlafen, daher habe ich angefangen, Lavendel und Melisse anzubauen.“ Das Kraut blüht im Juni in allen verschiedenen Blautönen und auch in Weiß.
Die älteste erhaltene medizinische Handschrift im deutschsprachigen Raum wurde im letzten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts, zur Zeit Karl des Großen, in der Reichsabtei Lorsch bei Worms angefertigt. Es heißt deshalb „Lorscher Arzneibuch“. Heute wird es in der Staatsbibliothek in Bamberg aufbewahrt. Am 19. Juni 2013 wurde das Lorscher Arzneibuch als erste Schrift aus der Epoche der Klostermedizin (8. bis 12. Jahrhundert) in das Weltdokumentenerbe der Unesco aufgenommen. Das freut Johannes Mayer besonders, da die Forschergruppe nicht zuletzt aus der wissenschaftlichen Aufbereitung und Übersetzung des Lorscher Arzneibuches hervorgegangen ist, die in den 1980ern im Institut für Geschichte der Medizin in Würzburg stattfanden.
Über 600 Heilpflanzen haben die Forscher bislang erfasst – 120 davon ausführlich bearbeitet. Die Ergebnisse fließen in eine große Datenbank ein. Johannes Mayer hat dazu ein Buch geschrieben, das „Große Buch der Klosterheilkunde“. „Wir wollen nicht die Schulmedizin ersetzen“, sagt Mayer. „Aber wir wollen altes Wissen wieder zugänglich machen.“
Das Lorscher Arzneibuch
„Erlebnis Klostermedizin“– unter diesem Motto bietet die Forschergruppe ein Seminar über das Lorscher Arzneibuch an. Das Lorscher Arzneibuch ist das älteste erhaltene Arzneibuch aus dem Zeitalter der Klostermedizin und zugleich das älteste Werk seiner Art, das auf deutschem Boden entstanden ist. Um 795 im Reichskloster Lorsch bei Worms geschrieben, befindet es sich seit gut 1000 Jahren in Bamberg. Neben der Geisteshaltung überliefert das Buch zahlreiche hochinteressante Rezepturen, die aufgrund der genauen Gewichtsangaben gut herzustellen sind. Der Kurs stellt das Arzneibuch vor, außerdem werden sinnvolle Mittel hergestellt. Der Kurs wird zweimal angeboten: 11. bis 13. Juli 2014 und 14. bis 16. Juli 2014. Alle Infos im Internet: www.klostermedizin.de text: clK