Hat Peggy K. am Nachmittag des 7. Mai 2001, dem Tag ihres Verschwindens, noch gelebt? Das war eine der zentralen Fragen, die sich am ersten Verhandlungstag des Wiederaufnahmeverfahrens gegen Ulvi K. stellte. Der 36-Jährige war 2004 wegen Mordes an der damals neunjährigen Peggy K. verurteilt worden.
Vor dem Landgericht Bayreuth gaben Robert W., der Peggy von seiner Tätigkeit als Schülerlotse kannte, sowie Steffen R. und Jörg D., Klassenkameraden des Mädchens an, sie am Nachmittag des 7. Mai noch gesehen zu haben. Diese Aussage ist bedeutsam. Entspricht sie der Wahrheit, würde sie Ulvi K. entlasten, weil er für diesen Zeitpunkt ein Alibi hat.
Zum anderen ist die Aussage wichtig, weil die Zeugen Steffen R. und Jörg D. einen Tag nach Peggys Verschwinden bei der Polizei zunächst ausgesagt hatten, dass sie gesehen hätten, wie Peggy in einen roten Mercedes eingestiegen sei. Später widerriefen die beiden Jungen diese Angaben – aus Angst vor der Polizei, wie sie nun vor Gericht aussagten.
Die Beamten hätten sie getrennt befragt und ein Polizist habe laut Steffen R. gesagt: „Gib zu, dass du gelogen hast. Jörg hat es schon gestanden.“ Am Donnerstag konnten sich beide zwar nicht mehr an alle Details ihrer damaligen Aussage erinnern, bestätigten aber die Geschichte mit dem roten Auto. Staatsanwalt Daniel Götz schlug vor, die Vernehmungsbeamten von damals zu befragen. Er wolle nicht, dass der Eindruck stehen bleibe, sie hätten die Kinder unter Druck gesetzt. Aus gesundheitlichen Gründen, so der Richter, könne einer nicht mehr befragt werden. Der andere werde für den 5. Mai geladen.
Ein weiterer Aspekt wurde mithilfe des Zeugen Christian W. beleuchtet. W. ist Amtsrichter und hatte im Herbst 2010 Peter H. befragt. Jenen inzwischen verstorbenen, ehemaligen V-Mann und Mitpatienten von Ulvi K. Er hatte zunächst vor der Soko Peggy II behauptet, Ulvi K. habe ihm den Mord an Peggy gestanden. Sechs Jahre später widerrief Peter H. diese Aussage. W. glaubte ihm, dass Ulvi K. ihm den Mord nicht gestanden hatte.
Michael Euler, Anwalt von Ulvi K., erhob schwere Vorwürfe gegen Polizei und Justiz. Er sprach von fehlerhaften und fragwürdigen Ermittlungen, unerlaubten Verhörmethoden und Druck auf seinen Mandanten. „Mein Mandant ist auch gefoltert worden“, erklärte er. Ulvi K. habe damals den Mord an Peggy gestanden, weil ihm von der Polizei suggeriert worden sei, dass er dann nicht ins Gefängnis müsse – ein Ort, vor dem er panische Angst habe. So habe ein Beamter gesagt: „Und wenn du mit dem Verschwinden etwas zu tun hast, kommst du auch nicht ins Gefängnis, weil dir geholfen werden muss.“
Mit Suggestivfragen habe die Polizei seinen Mandanten in die Richtung gelenkt, in der sie ihn haben wollte. Bei der Vernehmung, so Euler, seien zudem zweifelhafte Methoden angewandt worden. Das bestritt Staatsanwältin Sandra Staade.
Euler zeigte sich mit den Entwicklungen des ersten Prozesstages weitgehend zufrieden. Der Prozess wird am heutigen Freitag fortgesetzt.