Beim Thema assistierte Sterbehilfe ist die deutsche Gesellschaft gespalten. Es gibt juristische Abwägungen und Unsicherheiten sowie moralisch-ethische Bedenken. Befürworter pochen auf ein selbstbestimmtes Lebensende, um einen eventuellen qualvollen Sterbeprozess nicht unnötig zu verlängern. Gegner befürchten, dass die Möglichkeit der begleiteten Selbsttötung schwerkranke pflegebedürftige Menschen unter Druck setzt, ihr Leben vorzeitig zu beenden, damit sie niemanden zur Last fallen. Politiker diskutieren ohne Fraktionszwang, ob und wie Sterbehilfe gesetzlich geregelt wird. Im Herbst will der Bundestag zu einem Ergebnis kommen.
Uneins ist aber auch die Ärzteschaft. Das Ergebnis einer 2012 durchgeführten und 2014 veröffentlichten Querschnittsumfrage der Universität Bochum über „Ärztliche Handlungspraxis am Lebensende“ spiegelt diese kontroverse Meinungslage wider. Einer der Autoren ist Privatdozent Dr. Jan Schildmann vom Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin. Am Sonntag, 14. Juni, wird er bei seinem Vortrag in Würzburg in der Akademie Frankenwarte auch auf die Studie eingehen (siehe Hinweis im unten stehenden Info-Kasten).
Grob umrissen ergab die Umfrage unter 734 Ärzten über deren Erfahrung mit und ihre Einstellung zur ärztlich assistierten Selbsttötung laut Jan Schildmann folgendes: Gut jeder fünfte Befragte war bereits von Patienten um eine Beihilfe zum Suizid gebeten worden. 42 Prozent können sich dies auf keinen Fall vorstellen, 40 Prozent unter bestimmten Bedingungen, 18 Prozent waren unentschieden. Ein berufsrechtliches Verbot der ärztlichen Assistenz zur Selbsttötung wurde von jedem dritten Befragten (33,7 Prozent) abgelehnt, jeder vierte hat ein solches Verbot befürwortet, 41 Prozent waren unentschieden.
Jan Schildmann verweist in diesem Zusammenhang auf die vom Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bundesärztekammer durchgeführte Umfrage von 2010: Damals war der Anteil der Ärzte, die es sich in keinem Fall vorstellen können eine ärztliche Assistenz zur Selbsttötung zu leisten, mit 61 Prozent deutlich höher als in der Bochumer Befragung mit 42 Prozent.
Die Bochumer Studie ist – im Gegensatz zur Bundesärztekammer-Befragung – nicht repräsentativ. Die Teilnahme bei diesem heiklen Thema wurde größtenteils verweigert. Alle 17 Landesärztekammern wurden laut Schildmann angeschrieben, fünf haben ihre Zustimmung gegeben (Saarland, Nordrhein, Westfalen-Lippe, Thüringen, Sachsen), sechs lehnten ab (darunter Bayern und Baden-Württemberg), sechs weitere reagierten überhaupt nicht. Allerdings wären auch bei gutem Rücklauf die Daten für Deutschland nicht repräsentativ gewesen, so Schildmann.