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BAD KISSINGEN
Einsätze von Spezialeinheiten sorgen für Furore
Von unserem Redaktionsmitglied Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:39 Uhr

Polizei-Spezialeinsatzkräfte (SEK) stürmten an einem Sonntag Anfang Juni um Mitternacht sechs Objekte im Landkreis Bad Kissingen auf der Suche nach Falschgeld. Fündig wurden sie nicht. Als sie weg waren, verzeichneten Besitzer und Bewohner der vier Pizzerien und zwei Wohnungen schwere Sachbeschädigungen. Schadensersatz durch die Justiz wurde erst in einem Fall zuerkannt. Nach Ansicht des sicherheitspolitischen Sprechers im Landtag, Harald Schneider (SPD/Karlstadt), muss ein finanzieller Ausgleich erfolgen, wenn die Durchsuchung „ungerechtfertigt“ war.

Die Vorgehensweise der vermummten und mit Maschinenpistolen bewaffneten SEK-Kräfte versetzte die Eigentümer in Schrecken: Eingangstüren wurden aufgebrochen, einmal wurde der Hauseingang mit lautem Knall gesprengt. Ein Gastwirt erzählte, wie man ihn am Boden in Handschellen legte, einem Beschäftigten habe man eine Laserpistole an die Stirn gehalten. In einem anderen Restaurant wurden alle Vorräte geöffnet und vernichtet. Erbost reagierte ein weiterer Besitzer, weil seine Kinder aus dem Überfall traumatisiert hervorgegangen seien.

Die Einsätze im Landkreis am 3. Juni 2012 waren Teil einer großen Polizeiaktion: Zeitgleich wurden an mehreren Orten Bayerns und Hessens Objekte durchsucht. Denn schon im Vorfeld war in Hessen gegen mehrere Leute ermittelt worden, die Falschgeld verbreiteten. Der zuständige Oberstaatsanwaltschaft Thomas Geschwinde (Hanau) sprach in diesem Zusammenhang von „Bandenkriminalität“ und „organisiertem Verbrechen“ und rechtfertigte das Vorgehen der SEK-Leute damit, dass „Gefahr im Verzug“ war. Die gesuchten Personen hätten Waffen haben können, und man habe die Einsatzkräfte schützen müssen.

Nach Recherchen dieser Zeitung handelt es sich bei den im Verdacht stehenden rund 20 Personen um einschlägig bekannte Leute, die öfter aus Hessen in den Landkreis reisten. Man observierte sie in der Annahme, dass sie hier gefälschte Euro-Noten bunkern. Ende Mai 2012 verstärkten sie ihre Aktivitäten im Landkreis, so dass die Staatsanwaltschaft den Zugriff in Hessen und Bayern einleitete.

Für die Durchsuchung der bayerischen Objekte hatte man das Landeskriminalamt München um Amtshilfe gebeten, obwohl die Ermittlungen von der Frankfurter Polizei geführt werden. Dementsprechend unklar war offenbar eine Zeit lang, welches Bundesland nun für die von den Einsatzkräften verursachten Schäden im Landkreis Bad Kissingen aufkommen würde. Denn dass die Pizzerienbetreiber in bestimmten Fällen Chancen auf einen finanziellen Ausgleich haben, hatte die Staatsanwaltschaft schon im Juni bejaht.

Gezahlt werden können Ansprüche erst, wenn die Ermittlungen zu dem Falschgeld-Fall abgeschlossen sind. Da es sich aber um einen „großen Verfahrenskomplex“ handelt, rechnet Geschwinde erst „Ende des Jahres“ mit der Überstellung der Polizeiakten an ihn, sagte er am Montag auf Anfrage dieser Zeitung. Was eine mögliche finanzielle Entschädigung für die Gastwirte angeht, sieht er die hessische Justiz in der Pflicht.

Die Mafia in Franken

Mehrere Rechtsanwälte sind mit den Folgen der SEK-Einsätze betraut. „Es ist ein Trauerspiel“, sagt einer im Gespräch mit dieser Zeitung und meint damit auch, dass seine Fragen vom Staatsanwalt nicht beantwortet werden. Erfreuliches berichtet ein anderer Rechtsanwalt: „Die Kostenübernahme ist zugesagt.“ Vor vier Wochen habe sich die Justiz, in diesem Fall die bayerische, bereit erklärt, Schadensausgleich herzustellen.

Im Zusammenhang mit diesem Falschgeld-Fall war auch von „der Mafia“ die Rede. Es gibt auch in Franken mafiöse Strukturen, sagt Landtags-Sicherheitsexperte Schneider und nennt den Raum Aschaffenburg. Kleinere Städte wie Bad Kissingen dienen oft als Rückzugsräume für kriminelle Handlanger. Verstehen könne er Leute schon, die sich wegen der SEK-Einsätze empören. „Aber das wird vielleicht noch öfter vorkommen, denn die Dunkelziffer für solche Delikte ist hoch.“

 
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  • M. D.
    Im Jahr 2009 hat ein völlig Unbeteilgter in einer fränkischen Kneipe die Aussage fallen lassen, er müsse jetzt heim, weil er einem -damals international - Gesuchten was zu essen bringen müsse, der bei ihm auf' m Dachboden hockt. Großes Gelächter.

    Nachdem ein zufällig Mithörender sich hiermit bei der Polizei wichtig machte, geschah Ähnliches wie oben geschildert.

    Eine Entschädigung an das Opfer wurde VERWEIGERT, mit der Begründung "selber schuld".

    Es ist nicht nur das völlig überzogene, alarmistische und zum Teil paranoid Überreagierende der Staatsgewalt - ES IST VOR ALLEM DIE WEIGERUNG, FÜR FEHLER, AKTIONISMUS UND STAATLICHE ÜBERREAKTIONEN VERANTWORTUNG ZU ÜBERNEHMEN, DIE LÄNGST GRENZEN ÜBERSCHRITTEN HAT!

    Das SEK führt nur aus!! Die Entscheidung, OB und vor allem WIE treffen offenbar oft Leute, die scheinbar Angst vor dem eigenen Schatten haben.. Für die Folgen und die Kosten müssen sie ja nicht haften....
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  • Veraltete Benutzerkennung
    ... dass bei der deutschen Polizei schon Laserpistolen im Einsatz sind. Das klingt doch vielversprechend für die Zukunft ... zwinkern
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