Auf himmlischen Beistand waren die Landwirte schon immer angewiesen, bei der Firma Landtechnik Müller in Holzhausen (Lkr. Schweinfurt) gibt es ihn jetzt serienmäßig: RTK, „Real Time Kinematik“, nennt sich der neueste Schrei der Frühjahrsmesse, satellitengestützte Navigation für Ackerfahrzeuge. Juniorchef Christian Müller zeigt stolz auf die nagelneue Sendeanlage, hoch über dem Ortsteil von Dittelbrunn.
Das beschauliche Dorf darunter platzt an diesem Wochenende aus allen Nähten, mit 30 000, vielleicht sogar 40 000 Besuchern aus der ganzen Region. „Wir können es eigentlich nur am Bier- und Bratwürstchenverkauf schätzen“, meint Müller. Der Endzwanziger steht für die jüngste Führungsebene des Großbetriebs, mit rund 120 Mitarbeitern und mehreren Filialen in Ober- wie Unterfranken.
Die RTK-Station nun soll in 20 Kilometern Umkreis für Präzision beim Spurenfahren sorgen: Mit höchstens 2,5 Zentimetern Abweichung beim Spritzen, Düngen oder Säen, was vor allem für Großbetriebe interessant sei, so der Experte: „Hier summieren sich auch kleine Abweichungen in einer Parzelle schnell.“ Auf 150 Hektar spare man bereits einige Tausend Euro im Jahr. Da seien Anschaffungskosten von 2000 bis 20 000 Euro, je nach Ausführung, schnell wieder drin. Per Mast wird das GPS-Signal auf eine Antenne am Traktor übertragen. Ein Lenksystem greift dem Fahrer dezent ins Rad, sogar ein Autopilot ist möglich. Das Display sieht ebenfalls futuristisch aus: Weltraumtechnik für den Landmann des 21. Jahrhunderts. Bis zum Landwirtschaftsroboter ist es da nicht mehr weit.
In einem weiteren Radius, von etwa 50 Kilometern, kann das RTK-Signal noch per Mobilfunk empfangen werden – und hält die Furche immer noch auf fünf Zentimeter genau. In den neuen Bundesländern, mit ihren ehemaligen LPGs, sei diese Spar- und Lenkhilfe schon verbreitet, so Seniorchef Leo Müller stolz. Im Landkreis ist die Anlage wohl einzigartig. Vor zwanzig Jahren wurden vom Mast aus die Dienstfahrzeuge des Familienbetriebs angefunkt. Nun, im Handyzeitalter, greift die Firma von dort aus zu den (künstlichen) Sternen.
Das herkömmliche Zentralgestirn sorgt an drei Tagen für Sonnenschein und wolkenlosen Himmel: „Wahnsinn“, staunt ein Besucher ob des sonntäglichen Autogedränges auf dem Parkplatz. Auch die klassische Landtechnik hat eben ihren Charme, nicht nur für Familienväter: vom Rasentrimmer über Schwader bis hin zum PS-starken Riesentraktor. Der legt vor Publikum einen Schleppertanz hin, einen nicht viel kleineren Trecker im Huckepack. Nebenan zerschreddert ein „Wood Terminator“ Baumstämme in Windeseile zu Holzhackschnitzeln. Es braucht schon eine Hebebühne, um das gesamte Firmenareal, inklusive Kälbchen, Clowns und Nostalgiekarussell, überblicken zu können: die steht dank einer Dachdeckerfirma aus Rottershausen bereit, mit 13 Metern Höhe.
„Wir wollen unseren Kunden etwas zurückgeben“, sagt Christian Müller zum opulenten Rahmenprogramm: Am Freitag sorgte der bayerische Staatsminister Thomas Kreuzer für den politischen Teil, zum Thema „Energiewende.“ Gefolgt von Bambi-Gewinner und Schlagerstar Patrick Lindner, beim „Kaffeekränzchen“ auf der Show-Bühne (wir berichteten in der Samstagsausgabe).
Schweinfurter Modehäuser zeigen in der Halle Neuheiten der Saison, für Jung und Alt. Mit bei der Modenschau dabei: der Dittelbrunner Gemeinderat und der neue Bürgermeister Willi Warmuth, in fescher Tracht. Viel Haut zeigt eine Ramba-Samba-Truppe, dazu gibt es jede Menge Blasmusik, von der Rannunger Blaskapelle bis zu den Damen der „bayerischen 7“. Gesucht werden auch adrette Jungbäuerinnen, als Models für den ersten „Müller Jahreskalender 2013“. Ein bisschen Seelenmassage für die Landwirtschaft, in Zeiten von Existenzsorgen, Klimawandel und Fernsehklischees: Die bietet die Frühjahrsmesse auch, bereits zum 45. Mal.