Einen Papierflieger kann Robert Mandetzky noch steigen lassen. Doch die Zeiten, in denen er selbst am Steuerknüppel saß, sind vorbei. „Ich war 98 Jahre alt, als ich das letzte Mal allein geflogen bin“, erzählt Mandetzky. Seit März wohnt er im Willy-Brand-Haus der Arbeiterwohlfahrt in Bad Brückenau. „Ich bin zufrieden, sehr zufrieden“, sagt der alte Mann. „Ich habe Glück gehabt im Leben.“
Am 31. Mai 1913 erblickt Robert Mandetzky in Hindenburg im Riesengebirge das Licht der Welt. Heute heißt die Stadt Zabrze und liegt in Südpolen. Der Vater arbeitet als Maschinist, die Mutter sorgt für sechs Kinder. „Mit 15 bin ich das erste Mal geflogen“, erzählt Mandetzky. Im Alter von 20 Jahren war er schon Fluglehrer der Flugschule Oberschlesien. „Da habe ich auch meine ersten Rekorde geflogen.“
Zum Beispiel den Langstreckenrekord im Jahr 1935 von Grunau im Riesengebirge bis Posen in Polen. 170 Kilometer mit dem Segelflugzeug. „Das war eine Aufregung damals“, erinnert sich Mandetzky, „ich war drei Tage verschollen“. Während seine Fliegerfreunde noch nach ihm fahndeten, fand Mandetzky einen Platz in der Sommerresidenz des polnischen Staatspräsidenten. Er lächelt. 1935 wechselte Mandetzky als Hauptfluglehrer an die Flugschule Grunau. Er bildete viele fähige Flieger aus, unter ihnen auch Jack Bennett. Als erster Pilot der Berliner Luftbrücke machte sich Bennett einen Namen. Seine Uniform ist im Checkpoint Charlie ausgestellt. 1982 macht der Amerikaner die Adresse seines ehemaligen Lehrers auf einem internationalen Fliegertreffen ausfindig. „Wir waren bis zu seinem Tod eng verbunden.“
1939 wird Robert Mandetzky eingezogen. Er erprobt Kriegsflugzeuge und bildet Luftlandetruppen aus. Seine Schüler, so erzählt Mandetzky, wirkten bei der Eroberung von Fort Eben-Emael in Belgien mit. „Die Festung galt als uneinnehmbar.“ Mit Lastenseglern attackierte die Wehrmacht das Fort am 10. und 11. Mai 1940 und nahm die Festung ein.
Ganz zum Schluss, als der Krieg sich schon seinem Ende entgegen neigte, bildete Robert Mandetzky Kamikaze-Flieger aus. „Es ist Gott sei Dank nicht mehr zum Einsatz gekommen“, sagt Mandetzky ernst. Er selbst wird im April 1945 als Fallschirmjäger bei Berlin eingesetzt und schließlich von den Engländern interniert. Seine Familie flieht aus Niederschlesien in die russische Besatzungszone. Seine schlimmste Zeit aber war die DDR. „Ich stand von Anfang an unter der Bewachung der Stasi.“ Als gelernter Schlosser arbeitet er in einem Braunkohlewerk im Geisatal in der thüringischen Rhön. Die Behörden möchten ihn in die Armee holen. „Ich wollte nicht für die Russen fliegen.“ Stattdessen meldet sich Robert Mandetzky bei der Gesellschaft für Sport und Technik, bringt das Segelfliegen seiner Tochter bei.
Endlich, im Jahr 1982, gelingt die Ausreise in den Westen. Ein Versehen der Behörden, ist Mandetzky überzeugt. Warum aber lässt sich der Flieger in Bad Brückenau nieder? Mandetzkys Augen wandern zum Fenster, sein Blick wird sanft. „Wegen der Wasserkuppe ...“ In seinem Ruhestand hilft er dabei, das Deutsche Segelflugmuseum aufzubauen. „Mein Leben war ja Fliegen. Dass der Krieg gekommen ist, war schade. Sonst wäre ich Pilot geworden.“