Vom Kinderzimmer aus soll ein 20-Jähriger aus Leipzig eines der größten Drogenhändlernetze in Deutschland betrieben haben. Das Rauschgift (beschlagnahmt wurden bei ihm 320 Kilogramm verschiedener Sorten) konnte online bestellt werden. Ende Februar wurde er festgenommen.
Am Mittwoch führten knapp 40 bundesweite Durchsuchungen zu möglichen Komplizen und Kunden, fünf Personen sollen in Untersuchungshaft sitzen. Durchsucht wurde nach Informationen dieser Zeitung auch bei drei Adressen in Würzburg, Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) und Gerbrunn (Lkr. Würzburg). Auch in Unterfranken soll es Festnahmen gegeben haben. Insgesamt wurden nach Polizeiangaben weitere 40 Kilo Drogen beschlagnahmt.
Der 20-Jährige, der noch bei seiner Mutter wohnte, bot die Ware unter konspirativen Vorsichtsmaßnahmen Tausenden von Kunden in aller Welt über sein Internet-Warenhaus unter der Adresse www.shiny-flakes.to (glänzende Flocken) an. Und „glänzende Flocken“ scheint der Junior-Dealer gemacht zu haben: In seinem Zimmer stapelten sich 320 Kilo Drogen im Marktwert von mehr als vier Millionen Euro sowie 48 000 Euro Bargeld. Allein seit Oktober 2014 soll er mehr als eine Million Euro Umsatz gemacht haben, hieß es am Donnerstag in Leipzig.
Die Mutter des 20-Jährigen soll gegenüber Ermittlern angegeben haben, von den kriminellen Internetaktivitäten ihres Sohnes nichts mitbekommen zu haben. „Die Mutter hat tatsächlich wohl von nichts gewusst, da sie das Zimmer meines Mandanten nie betreten hat“, sagte Strafverteidiger Stefan Costabel, der den Versandhändler vertritt. „Wenn sie arbeiten war, kam die Ware. Sonst saß er hinter verschlossener Tür.“ Der Verdächtige selbst schweigt zu den Vorwürfen.
Die Polizei soll durch eine Panne auf den Dealer aufmerksam geworden sein: Zwei Briefsendungen mit Drogen waren nicht ausreichend frankiert und gingen an (falsche) Absenderadressen zurück. Die Polizei begann, die Geschäfte zurückzuverfolgen, es gab Observationen und Scheinkäufe. Dann wurde der junge Mann festgenommen – gerade, als ihm ein Kurierfahrer neue Ware brachte.
Er hatte sich seine Internetkenntnisse offenbar zunutze gemacht und sein Geschäft gut getarnt. Die Internetseite www.shiny-flakes.to war auf der Pazifikinsel Tonga registriert und ähnelte im Aufbau der des seriösen Internethändlers Amazon. Aber bei ihm konnten Kunden per Mausklick Koks, Marihuana, Crystal und anderes nach Katalog bestellen. „Kleine Bestellungen werden freitags versandt, größere am Montag oder Dienstag“, teilte er Kunden mit.
Der Deal nach Vorbild des US-Unternehmens „Silk Road“ lief getarnt über Umleitungen und wurde zeitweise in verborgenen Teilen des Internets abgewickelt, die man nur mit speziellen Browsern erreicht. Später konnten auch ganz normale Web-Nutzer bestellen. Kunden empfahl der 20-Jährige, wie man sich vor Entdeckung schützt: einfach einen falschen Namen an den Briefkasten kleben – und wieder entfernen, wenn das Paket geliefert war.
Ermittler sprechen von einem der größten Drogenfunde in Deutschland. Nach dem Fahndungserfolg erlaubte sich die Polizei einen besonderen Gag: Sie nahm die Internetseite www.shiny-flakes.to des Drogenhändlers nicht aus dem Netz. Inzwischen können auf der Seite allerdings keine Drogen mehr bestellt werden. Stattdessen wirbt dort jetzt die Polizei für ihren Nachwuchs.