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WÜRZBURG
„Dieselben Augen, dieselbe Seele“
Am 16. Dezember 1942 gab Heinrich Himmler den so genannten Auschwitz-Erlass heraus, den Befehl zur Deportation von 13 000 deutschen Sinti und Roma in das „Zigeuner-Familienlager“ in Auschwitz. Über ein Dutzend Mitglieder der Würzburger Sinti-Familie Winterstein waren darunter. Nur drei kehrten zurück.
Stadtarchiv-Chef Ulrich Wagner (rechts) hält Roland Flades (zweiter von links) Buch für ein „Dokument, das bleiben wird“. Rita Prigmore, Tochter von Theresia Winterstein, hofft, „dass die Sinti jetzt in Würzburg als Menschen anerkannt werden“. Adolf Wolz (links) ist Chef des Verlages Ferdinand Schöningh.
Foto: FOTO Thomas Obermeier | Stadtarchiv-Chef Ulrich Wagner (rechts) hält Roland Flades (zweiter von links) Buch für ein „Dokument, das bleiben wird“.
Von unserem Redaktionsmitglied Wolfgang Jung
 |  aktualisiert: 29.05.2008 18:57 Uhr

Roland Flade, Main-Post-Redakteur und promovierter Historiker, hat ein Buch über die Geschichte der Wintersteins geschrieben. Es heißt „Dieselben Augen, dieselbe Seele“ und ist als Band 14 der Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg erschienen. Es ist die Geschichte der Sippe der Wintersteins. In ihrem Mittelpunkt steht Theresia Winterstein, Jahrgang 1921, die die Nazis überlebt. Sie war schön und energisch, eine Frau mit großer Ausstrahlung. 2007 ist sie 85-jährig gestorben. In einem Pressegespräch beschreibt Flade sie als „eine besonders faszinierende Person“; ihr Mut, ihr Kampfgeist und ihre Kraft haben ihn zutiefst beeindruckt. Diese Faszination schimmert über alle Seiten hinweg durch.

Flade hat ein Buch voller Grausamkeiten geschrieben. Er stellt die groteske nationalsozialistische Rassenlehre, ihre Wurzeln und ihre Auswüchse vor: systematische Diskriminierung, Verfolgung, Menschenversuche, Zwangssterilisation, Massenmord. Besonders gefährdet waren die Roma (ihre Vorfahren waren vom Balkan gekommen) und jene Sinti, die weniger als drei Großelternteile mit „zigeunerischem Blut“ hatten. So genannte Zigeunermischlinge, glaubten die Nazis, neigten besonders zur Kriminalität, im Gegensatz zu den „reinrassigen“.

Ein Kapitel widmet Flade dem so genannten Zigeuner-Familienlager in Auschwitz-Birkenau. Kühl beschreibt er unvorstellbare Brutalität, verzichtet auf Anklagen und lässt stattdessen die Ereignisse wirken. Und zieht den Leser mitten rein in unbegreifliche Gräuel.

Flade glaubt, er werde keinem Menschen gerecht, wenn er nur die Geschichte seines Leides aufschreibt. Er schildert den Alltag der Wintersteins, die Liebe der Theresia Winterstein zum Musiker Gabriel Reinhardt, schreibt über Kinder, gemeinsames Musizieren und, ganz wichtig, über familiären Zusammenhalt. Er stellt aber auch die Täter vor und den Kampf der überlebenden Wintersteins um Entschädigung.

Stadtarchiv-Chef Ulrich Wagner, urteilte über Flades Buch: „Es ist sehr präzise und außerordentlich gründlich recherchiert, es ist in einem exzellenten Stil geschrieben, es liest sich sehr gut, es ist packend in der Darstellung.“

Im Blickpunkt

Buch über Nazi-Gräuel

Roland Flade, „Dieselben Augen, dieselbe Seele, Verlag Ferdinand Schöningh, 233 Seiten, 49 Abbildungen, 17,80 Euro.

 
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