Omer Dumrul, 36, lebt seit drei Jahren in Deutschland, und so lange ist er auch Imam der Ditib-Moschee in Schweinfurt, der größten muslimischen Gemeinde der Stadt mit etwa 2500 Gläubigen. Ditib steht in der Übersetzung für Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion und ist nach eigenen Angaben die mitgliederstärkste Migrantenorganisation in Deutschland.
Der Dachverband wurde 1984 gegründet, die inzwischen über 900 Ortgemeinden sind eigenständige eingetragene Vereine. Neben der Ausübung der eigenen Religion sind Integration und interreligiöser Dialog erklärte Ziele von Ditib. Die Schweinfurter Moschee steht ausdrücklich allen Gläubigen offen, egal welcher Richtung des Islam sie angehören. Imam Omer Dumrul ist Vorsteher der religiösen Gemeine, Yasin Yavuz, 34, ist Vorstandsvorsitzender des Ortsvereins, der für die finanziellen und organisatorischen Aufgaben zuständig ist. Yavuz ist Wirtschaftsingenieur bei Schaeffler.
Omer Dumrul: In der Gemeinde wird das Thema natürlich diskutiert. Selbstverständlich verurteilen auch wir die Anschläge aufs Schärfste. Das hat auch unser Dachverband in Köln in einer Pressemitteilung bekräftigt.
Yasin Yavuz: Das Thema wird auch beim Freitagsgebet vom Imam angesprochen. Er macht klar, dass solche Taten in keinster Weise mit dem Islam zu vereinbaren sind. Der Islam verbietet Terrorismus und Gewalt. Deswegen kann er keine Referenz für solche Taten darstellen. Die Religion ist hier nur ein Vorwand. Die Leidtragenden sind dabei auch wir, wobei ich durchaus verstehe, dass Menschen, die in ihrem Umfeld solche Anschläge erleben, wütend werden. Dafür sollte man dann auch Verständnis zeigen. Zu Gewalt gegenüber Muslimen darf das aber nicht führen.
Dumrul: Noch sind die Eindrücke der Ereignisse relativ frisch. Deswegen haben wir in dieser Hinsicht noch keine Probleme erlebt. Wir hoffen natürlich, dass es nicht zu Zwischenfällen kommt und das friedvolle Zusammenleben bestehen bleibt.
Yavuz: Einen Vorfall gab es – wir hatten einen Brief in unserem Briefkasten, der islamfeindlich formuliert war. Aber außer dieser Sache haben wir noch nichts in der Richtung erlebt.
Dumrul: Angst in dem Sinne ist noch keine vorhanden. Aber es stimmt uns schon traurig, wenn Anschläge, die von wenigen Personen verübt werden, einer ganzen Bevölkerungsgruppe zur Last gelegt werden. Das macht für uns diese Ereignisse noch trauriger.
Yavuz: Es ist schon eine Verängstigung da. Wir hoffen natürlich, dass sich diese islamfeindliche Bewegung irgendwann wieder auflöst. Wir sind alle Mitglieder dieser Gesellschaft und wollen friedlich mit jedermann leben.
Dumrul: Das ist ein schwieriges Thema. Nährboden für solche Missverständnisse ist unserer Meinung nach fehlendes Wissen. Google bietet schon einige Informationen, aber man muss auch wissen, wie man diese Informationen auslegt und deutet. Im Moment ziehen manche Kommentatoren Parallelen vom Koran zu gewissen Handlungen und sind damit dann auch im Fernsehen präsent. Und dann wird verallgemeinernd festgestellt, der Islam sei eine gewaltbereite Religion. Ich möchte darauf hinweisen, dass auch die Bibel an einigen Stellen zu Gewalt aufruft. Aber das wird ja auch nicht wörtlich ausgelegt.
Dumrul: In Sure 5, Vers 32 steht eindeutig: Wenn ein Mensch einen anderen Menschen tötet, ist das so zu sehen, als hätte er die gesamte Menschheit ermordet. Deshalb verbietet der Koran definitiv, andere Menschen umzubringen oder ihnen auch nur zu schaden.
Dumrul: Das ist definitiv falsch – es wird kein Unterschied zwischen Muslimen und Nichtmuslimen gemacht. Allah hat den Menschen als oberstes Gut erschaffen, und zwar aus seiner Seele heraus. Das heißt: Schon wer einem anderen das Herz bricht, versündigt sich gegen Allah. Weil das Herz, die Seele eines Menschen ein Teil Allahs ist. Man muss mit allem, was zum Menschen gehört, respektvoll umgehen.
Dumrul: Ja, das sind mehr oder weniger die Grundrechte. Der Koran nimmt fünf Säulen des Menschen in Schutz: die Würde, das Leben, das Eigentum, die Verwandten und die Religion. Und es geht dabei ausdrücklich um alles menschliche Leben. Das ist durchaus mit dem Grundgesetz vergleichbar.
Dumrul: Wir glauben, dass es in der Religion keine Reformen geben kann. Wir sehen da keinen Handlungsbedarf. Der Koran kommt von Allah und ist damit allgegenwärtig. Er vernachlässigt keine Seite des Alltags, man kann alles darin finden, was man für das tägliche Leben braucht. All die Sachen, die im Namen des Koran passieren, basieren auf Fehlinterpretationen und Missverständnissen. Oft sind auch falsche Leute das Vorbild. Man kann den Koran nicht nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen hinbiegen.
Dumrul: Schon am Tag des Attentats hat der Ditib-Dachverband in Köln reagiert. Auch der türkische Ministerpräsident hat sein Mitgefühl ausgesprochen. Sicher gibt es immer wieder schwarze Schafe, die solche Sachen schreiben, das kann man schwer eingrenzen.
Yavuz: Wir denken, dass die größte Mehrheit der Muslime sich von solchen Aktionen klar distanziert. Auch wenn die Satire teilweise beleidigend ist, so sehen die allermeisten darin keinerlei Rechtfertigung für Terror. Dass sich manche mit einer Distanzierung vielleicht schwertun, kann ich zwar nicht nachvollziehen, aber ein Stück weit versuchen zu erklären: Ich als Moslem habe mit solchen Sachen gar nichts zu tun. Ich bin ein friedlicher Mensch, ich gehe arbeiten, habe meine Kollegen, meine Nachbarn. Aber solche Ereignisse, die mit mir eigentlich gar nichts zu tun haben, belasten mich trotzdem. Es ist leider so, dass die Gesellschaft dazu neigt, alle in einen Topf zu stecken. Egal, ob man daran beteiligt ist oder nicht, man fühlt sich beschuldigt. Und so kommt es vielleicht zu diesen missverständlichen Reaktionen.
Yavuz: Hier bei uns gibt es solche Fälle nicht. Unsere Mitglieder gehören solch extremen Richtungen definitiv nicht an. Zu Freitagsgebeten kommen natürlich auch Auswärtige, aber Versuche, die Leute in den Extremismus zu ziehen, hat es bislang nicht gegeben. Das würden wir auch nicht zulassen. Es gibt auch derzeit vom Dachverband kein Gegenprogramm in dieser Richtung. Ich denke ohnehin, dass Ditib für solche Einflüsse nicht anfällig ist.
Yavuz: Nicht mehr als zuvor. Wir begegnen einander eher zufällig. Gelegentlich besuchen wir uns gegenseitig und machen Smalltalk. Aber das hat nach den Attentaten nicht zugenommen.
1. Es wird Unwissen über den Islam angemerkt. Das mag auch stimmen. Den Kritikern wird vorgeworfen Zitate zu Gewlt aus dem Zusammenhang zu reisen. das kann so sein.
Aber dann sollte man nicht das gleiche tun und vor allem wissen was wo im Koran steht.
2. De zitierten Vers aus dem Koran über das Tötungsverbot finde ich nicht in Sure 32 sondern in Sure 5 Vers 32. Das mag ja noch zu verzeihen sein.
3. Vollständig richtet sich der vers aber nicht an Muslime sondern an die Kinder Israels, der einschränkende Satz " es sei denn als Vergeltung für Mord oder Unheilstiftung auf Erden" wir dkomplett weggelassen.
4. Im nächsten Vers geht es so weiter "Der Lohn derer, die Krieg führen gegen Allah und Seinen Gesandten und Unordnung im Lande zu erregen trachten, wäre der, daß sie getötet oder gekreuzigt werden sollten".
Da hätte ich mir schon mehr Nachfrage gewünscht. Aber das scheint nicht gewollt.