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FRANKEN
„Die Rechten dürfen den Kampf um die Straße nicht gewinnen“
Das Gespräch führte Carolin Kreil
 |  aktualisiert: 17.07.2013 10:44 Uhr

Birgit Mair ist eine Kennerin der rechtsextremen Szene in Franken. Die Sozialwissenschaftlerin ist Mitbegründerin des Nürnberger Instituts für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung (ISFBB), Co-Autorin einer internationalen Studie zur NS-Zwangsarbeit und Beobachterin des NSU-Untersuchungsausschusses des Landtags. Sie konzipiert Ausstellungen, Schulprojekte und hält Vorträge.

Frage: In Unterfranken gab es zuletzt zahlreiche Aktionen der Neonazis. Wird das mehr?

Birgit Mair: Demonstrationen und Aufmärsche waren immer ein Mittel der Rechten, um auf sich aufmerksam zu machen. Es gibt nicht umsonst den „Kampf um die Straße“ als Strategie. Sowohl bei der NPD als auch bei den extremen Kameradschaften des Freien Netzes Süd. Die Demonstrationen zum 1. Mai sind nicht neu. Die NPD-Division Franken ist aktiver. Das sind junge Nazis, die teilweise dem Freien Netz Süd und dessen vielfältig vernetzten Kameradschaften und teilweise der NPD nahestehen.

Was unterscheidet Kameradschaften und NPD?

Mair: Ende 2008 haben sich die Freien Kameradschaften um das „Freie Netz Süd“ gegründet, nachdem einigen Köpfen die NPD nicht radikal genug war. Heute versucht die NPD mit Blick auf das Verbotsverfahren, sich von der rechten Gewalt verbal zu distanzieren. Da gehen die Kameradschaften weiter und plakatieren in München „Freiheit für Wolle“. Gemeint ist Ralf Wohlleben, der beim NSU-Prozess mitangeklagt ist und mutmaßlich die Waffe beschafft haben soll. Das würde die NPD nicht machen. Vom Freien Netz Süd gehen auch Verschwörungstheorien aus, dass die Morde Taten des Staates seien, man will sie dem Verfassungsschutz in die Schuhe schieben. Ansonsten sind in der Szene in Franken seit etwa 20 Jahren die gleichen Leute unterwegs, ob in Kameradschaften oder der NPD.

Wer sind diese Leute?

Mair: Das ist Ralf Ollert, der lange NPD-Chef in Bayern war, Matthias Fischer agiert seit Jahren als Kopf im Freien Netz Süd. Es gibt Fotos aus dem Jahr 1997, da läuft Ollert in einer Demonstration mit, hinter ihm Beate Zschäpe und einer der Uwes (Böhnhardt oder Mundlos). Vor ihm der ins Zwielicht geratene V-Mann des Verfassungsschutzes Thüringen, Tino Brandt. Matthias Fischer stand auf einer Liste mit NSU-Kontaktleuten. Auch die, die im Gefängnis landen, kommen wieder. Gegenwärtig spielt Sigrid Schüßler aus Karlstein (Lkr. Aschaffenburg) eine Rolle. Sie ist Bundesvorsitzende des Rings Nationaler Frauen, der NPD-Frauenorganisation. Und sie ist Spitzenkandidatin für die Landtagswahl. Da kann man eine weitere Strategie sehen. An ihren Wohnorten wollen sie nicht auffallen. Was nicht heißt, dass sie harmlos sind.

Wie wichtig ist Widerstand gegen Neonazis?

Mair: Sehr wichtig. Man muss den Neonazis den „Spaß“ verderben. In Wunsiedel und Gräfenberg haben wir es ausgewertet: Wenn es keine Gegenwehr gibt, kommen das nächste Mal mehr Neonazis.

Was raten Sie denen, die den Neonazis die Straße nicht überlassen wollen?

Mair: Gesicht zeigen. Wichtig ist, dass die Stadt verbietet, egal ob das Verbot aufgehoben wird. Das ist ein Signal. So wie in Würzburg vor dem 1. Mai. In Nürnberg wird selten verboten. Und man muss eine Gegendemo in Sicht- und Hörweite stellen. Wenn man kilometerweit weg ist, nützt das nichts. Man muss dokumentieren und fotografieren können, teilweise wurden sogar Journalisten weggeschickt. So geht’s nicht.

Auch in Würzburg hat man sich bemüht, die Gruppen auseinanderzuhalten.

Mair: Eine Meinungsäußerung hat in der Nähe stattzufinden. Früher sagte man außer Wurfweite, damit niemand verletzt wird. Das können schwierige Verhandlungen mit Ämtern oder Polizei sein. Aber wenn man Bürger auffordert, sich für Demokratie zu engagieren, soll man ihnen das nicht schwerer machen. So viel Unterstützung darf sein. Der Widerstand gegen Neonazis sollte sich nicht auseinanderdividieren lassen.

 
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