Von Kissinger Badewannen aus, wird die Welt regiert – auf Sätze wie diesen war Deutschlands bekannteste Kurstadt schon immer stolz. Dabei hält das Eigenlob nicht in jedem Falle der kritischen Überprüfung stand. Bei Otto von Bismarck zum Beispiel entspricht die Mitteilung der „Neuen Freien Presse Wien“, „seit gestern mittags ist der Schwerpunkt des deutschen Reiches nach Kissingen verlegt“, nur für den ersten Besuch der politisch-geografischen Wahrheit. Bei den 14 folgenden Aufenthalten verlagerte sich der Schwerpunkt des Reiches in die Obere Saline. Und die steht im heutigen Kissinger Stadtteil Hausen.
Zu verdanken hat die Obere Saline die Ehre, für Kissingens Eisernen Kurgast zur Residenz regelmäßiger Sommerfrische zu werden, dem Magdeburger Böttchergesellen Franz Kullmann. Der verübte 1874, als Bismarck Kissingen zum ersten Mal aufsuchte, ein Attentat auf den Fürsten. Der Reichskanzler überstand den Angriff, nahm ihn der Stadt nicht weiter krumm und nutzte fortan aus Sicherheitsgründen die frühere Kurresidenz der Würzburger Fürstbischöfe für seine Aufenthalte.
Genau genommen war die 1767 bis 1772 errichtete Obere Saline lange Zeit eine Mischung aus Baderesidenz und Industrieanwesen. Beginnen ließ Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim den Bau, um die bereits Jahrhunderte währende Nutzung von Salzquellen zu intensivieren. Weil der Fürstbischof „regelmäßig die Kur in Kissingen nahm“, trat aber nach Angaben des Kissingen-Bandes der Reihe „Denkmäler in Bayern“ früh Wohnnutzung hinzu.
Salzwerk war das Anwesen nur bis 1868. Danach verschwanden auch die zwei parallelen Gradierbauten, die zur Anreicherung des Salzgehalts der Sole dienten. Sie reichten einst bis vor das Dorf Hausen. Heute ist nur noch ein kleiner Nachbau zu sehen. Nebenan, in der Unteren Saline, überlebte die Salzgewinnung bis 1968.
Salz gehört als Würze immer noch zur Oberen Saline. Öffentlich wahrgenommen wurde und wird das Anwesen aber hauptsächlich durch Bismarck. Die Inneneinrichtung der Räume, die er als Wohnung nutzte, blieb weitgehend erhalten. Die Stadt Bad Kissingen betreibt dort heute das „einzige Bismarck-Museum in Deutschland an historischem Ort mit authentischem Interieur“.
Ein bisschen sind Kissingen und die Obere Saline damit heute noch Wallfahrtsorte. Wenn auch nicht mehr so, wie zu Bismarcks Lebzeiten. Da kamen die Anhänger in Scharen. Allein am 24. Juli 1892 sollen 4500 Menschen in Sonderzügen angereist sein, um dem Fürsten zuzujubeln.
Bismarck hat Kissingen nicht nur viele Verehrer gebracht. Er hat auch viel dagelassen. Das Bismarckmuseum in der Oberen Saline hegt einen gewissen Stolz, auf harmlose Weise Voyeurismus befriedigen zu können. Aus der Privatsphäre des Eisernen Kurgasts sind nicht nur Sofa und Schreibtisch erhalten. Sondern auch ein Nachttopf. Dessen Gebrauch mag man sich heute aber kaum noch vorstellen.
Weil der als gefräßig geltende Bismarck nach Kissingen unter anderem zum Abnehmen kam, ist seinem Darsteller beim Umzug zum Rakoczy-Fest stets eine Waage beigestellt. Angeblich blieben nämlich bei 15 Aufenthalten insgesamt 750 Pfund Bismarck in der Stadt.
Trotz solcher Verdienste ist die Obere Saline nicht dem Reichsgründer alleine vorbehalten. Wechselnde Ausstellungen verleihen ihr regelmäßig neue Reize. Eine Dauerausstellung beleuchtet Salzgewinnung und Salznutzung. Ein Museum der Kindheit kommt bald hinzu. Im Gewölbekeller wird regelmäßig Jazz gespielt. Und der Innenhof der Oberen Saline gilt als einer lauschigsten Festplätze weit und breit.
Obere Saline
Das Museum Obere Saline ist von Mittwoch bis Sonntag jeweils in der Zeit von 14 Uhr bis 17 Uhr für Besucher geöffnet.
ONLINE-TIPP
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