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Der Müll und die Mythen
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 23.12.2015 11:45 Uhr

Wie sinnvoll ist Kunststoff-Recycling? Wie lässt sich Plastik vermeiden? Benjamin Bongardt, Experte für Müll und Recycling beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), spricht über das Problem Plastik, das Duale System und das neue Wertstoffgesetz.

Frage: Seit 23 Jahren gibt es das Duale System Deutschland. Was hat es gebracht?

Benjamin Bongardt: Die Einführung des Dualen Systems (DS) hat zur Mülltrennung und verstärkten Verwertung geführt. Mittlerweile wird weit mehr Abfall recycelt als damals. Die Innovationen im Maschinenbau haben dazu geführt, dass Kunststoff-Recycling ein gutes Ergebnis erzielt.

Wie beurteilen Sie den Sinn des Dualen Systems?

Bongardt: Dass die Einführung des DS dazu geführt hat, dass der Müll getrennt wird, ist von unschätzbarem Wert für die Umwelt und die Rohstoffe. Das Duale System – es gibt derzeit zehn duale Systeme in Deutschland – ist kein Monopol mehr. Deshalb nimmt die Öffentlichkeit wahr, dass die DS nur noch mit sich selbst und ihrem Wettbewerb untereinander beschäftigt sind und ihrer eigentlichen Aufgabe Abfälle sammeln, sortieren, verwerten, nicht mehr nachkommen. Dieser Eindruck ist berechtigt, zumal der Gesetzgeber es seit 15 Jahren versäumt hat, die Recyclingquoten zu erhöhen, obwohl technologisch viel mehr zu verwerten wäre.

Sind Verpackungsabfälle dadurch weniger geworden?

Bongardt: Anfangs ist das Pro-Kopf-Verpackungsaufkommen tatsächlich gesunken. Mittlerweile kann man diese Rechnung nicht mehr aufmachen. Das absolute Verpackungsaufkommen stagniert.

Brauchen wir den gelben Sack?

Bongardt: Wir brauchen nicht den gelben Sack, sondern eine Wertstofftonne, also einen Müllbehälter, der bequem erreichbar vor der Tür oder im Hof steht und alle Kunststoffe und Metalle aufnimmt, egal ob es eine Verpackung oder ein Putzeimer ist. Ich fordere die Menschen auf, diese schon jetzt als Wertstofftonne für alle Plastik- und Metallabfälle zu nutzen. Die Sammlungen von Verpackungen an Wertstoffhöfen haben ein ganz massives Problem: Zum einen fährt die Mehrzahl der Bevölkerung mit dem Auto zum Hof und ist damit umweltschädlicher unterwegs als der Müllwagen. Zum anderen wird weniger erfasst als möglich.

Ist das Getrenntsammeln sinnvoll?

Bongardt: Wir brauchen die Getrenntsammlung, damit Plastik nicht mit Windel, Staubsaugerbeutel, Essensresten und Aschenbecherinhalten im Müllfahrzeug verpresst wird. Jeder, der behauptet, dass Sortieranlagen dieses Gemisch genauso gut sortieren können wie die Menschen in den Haushalten, lügt sich in die eigene Tasche.

Wie viel Prozent des Kunststoffes kann wiederverwertet werden?

Bongardt: Die offizielle Zahl lautet: Knapp über 40 Prozent der Kunststoffverpackungen werden in Deutschland recycelt, der Rest wird nahezu komplett in einem Kraftwerk zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt. Letzteres gilt auch als Verwertung, ist aber eine Vernichtung des Materials Kunststoff, obwohl dieses mindestens noch einmal zu einem weiteren Produkt hätte verarbeitet werden können. Nach einer Studie des Umweltbundesamts aus dem Jahr 2012 ließe sich die Produktion von Kunststoffprodukten aus Recyclingmaterial leicht verdoppeln.

Wie sinnvoll ist das Recycling von Kunststoffen?

Bongardt: Das Kunststoff-Recycling ist notwendig und in Deutschland unterentwickelt. Wir können es uns ökologisch und auch hinsichtlich der Rücksichtnahme auf kommende Generationen und drei Milliarden mehr Mittelschichtkonsumenten weltweit bis zum Jahr 2030 nicht leisten, auf Kunststoff-Recycling zu verzichten. Jede Tonne Recyclingplastik spart gegenüber herkömmlichem Plastik aus Öl eine Tonne Kohlendioxidemission.

Sie sprechen sich für eine Steuer auf Plastiktüten aus. Wie genau sollte diese aussehen?

Bongardt: Eine Steuer auf Plastiktüten in Irland hat dazu geführt, dass die Zahl der ausgegebenen Tüten massiv reduziert wurde und auch weniger Plastikmüll an irischen Stränden gefunden wurde. Irland erhebt je Tüte eine Steuer von 22 Cent. Die zusätzlichen Steuereinnahmen sollte man nicht zum Schuldenabbau, sondern zur Weiterentwicklung des nachhaltigen Konsums nutzen.

Was kann jeder Einzelne noch tun, um Plastikmüll zu vermeiden?

Bongardt: Er kann darauf achten, welche Getränkeverpackungen er kauft, damit wir zu einer besseren Mehrwegquote kommen. In den Großstädten gibt es bereits Supermärkte, die komplett auf Verpackungen verzichten. Doch das erfordert noch ein großes Umdenken bei allen Herstellern.

2015 gibt es ein neues Wertstoffgesetz. Wie beurteilen Sie das?

Bongardt: Das Gesetz muss hohe Recyclingquoten, Mindestsammelmengen für Wertstoffe je Einwohner, eine neue, nachvollziehbare und aussagekräftigere Berechnungsform der Quoten sowie finanzielle Anreize zur Verwendung von Recyclingkunststoff und gut zu recycelnden Verpackungen und Produkten beinhalten. Ich bin der Meinung, dass das ökologisch überzeugendste Organisationskonzept umgesetzt werden soll. Gesehen habe ich noch keins. Foto: NABU Berlin

 
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