Aufstehen und witzig sein heißt es jeden Morgen um 4 Uhr, wenn bei Andreas Kramer in Albertshofen (Lkr. Kitzingen) der Wecker klingelt. Kramer ist Comedyautor und beliefert mehrere Radiosender im Bundesgebiet mit Gags für die Morgenshows. „Die niederländische Königin Beatrix dankt ab, . . . sie übergibt die Krone an Dschungelkönig Joey den Ersten“, trällert der Moderator ins Mikrofon. Doch so spontan die Sprüche wirken – ihre Urheber sind es nicht immer. Bevor die Moderatoren verbal glänzen können, müssen die Köpfe der Gagschreiber richtig rauchen. Zu Kramers bekanntesten Auftraggebern zählt Arno Müller, Anchorman des Berliner Senders 104.6 RTL.
1991 ging Müller mit „Arno und die Morgencrew“ auf Sendung. „Die war damals eine Sensation“, berichtet Kramer. Denn Müller stand – und das gab's bei den anderen Stationen bis dahin nicht – gleich mit mehreren Moderatoren vor dem Mikrofon. Klassiker wie das „Verrückte Telefon“ oder „Spaßtelefon“ erlebten dort ihre Premiere. Die Sendung orientierte sich an amerikanischen Vorbildern und hatte Erfolg: Innerhalb von neun Monaten erlangte sie die Marktführerschaft im Berliner Markt und wurde richtungsweisend für die deutsche Radiolandschaft. 1997 begann Andreas Kramer ein Volontariat bei der Morgencrew.
„Ich wollte immer ,Wetten, dass. . .' moderieren“, gesteht Kramer – und lacht. Das Flaggschiff des ZDF anzusehen gehört heute für ihn zum Pflichtprogramm. „Leider“, sagt er. Über nichts wird so viel geredet, vielleicht auch gelacht, wie die Macken der Promis. „Extreme Kältewelle in Russland – es ist so kalt . . . Gérard Depardieu will wieder Franzose werden.“ Radio hat Andreas Kramer schon immer fasziniert. „In den 80er Jahren war ich großer Fan von Thomas Gottschalk und seiner Radioshow. Besonders die Übergaben an seinen Kollegen Günther Jauch am Ende der Sendung waren legendär“, erinnert sich Kramer. Trotzdem lernte er auf Wunsch seiner Eltern erst einmal einen soliden Beruf: In Volkach machte er eine Ausbildung zum Handelsfachwirt.
Menschen, Medien, Musik – das interessiert den 44-Jährigen. Nach einer Umschulung an der Bayerischen Medienakademie in Kulmbach gelang ihm der Sprung nach Berlin zum Radio. Zu 104.6 RTL und Arno Müller. Schnell stieg Kramer dort zum Redaktionsleiter auf. Doch schon bald war klar, dass Kramer nicht vor, sondern hinter das Mikrofon gehört. Er ist der geborene Comedyautor. „Wie der Job geht, könnte ich keinem erklären. Ich schreibe einfach.“
In der Großstadt Berlin hat sich Kramer, der in Charlottenburg lebte, nie richtig wohlgefühlt. „Die Liebe hat mich wieder zurück in die Heimat verschlagen, nach Albertshofen“, erzählt der Vater zweier Söhne. Doch auch heute ist er mit seinen Scherzen ein fester Bestandteil der Sendung „Arno und die Morgencrew“. Sie gilt als eine der meistkopierten Sendungen Deutschlands. „Eigentlich arbeitet jeder Sender heute nach diesem Prinzip“, weiß der Comedyautor. Da ist der Anchorman, die Wetterfee, der Verkehrsexperte und alle spielen sich immer wieder die Bälle zu. „Humor im Radio ist ein spezieller Humor“, erklärt Kramer und rückt seine markante schwarze Brille zurecht. Bis auf die Brille wirkt der 44-Jährige eher unauffällig, fast zurückhaltend, während seine Gags im Radio durch den Äther jagen. „Die lebende Musiklegende David Bowie hat jetzt den ersten neuen Song seit zehn Jahren veröffentlicht – so lange Pausen zwischen die Songs wünscht man sich auch von Dieter Bohlen.“
14 Seiten voller tagesaktueller Gags liefert der Comedyautor täglich pünktlich um 5 Uhr morgens an seine Auftraggeber. Feedback erhält er kaum. „Ich weiß nicht, welche Witze ankommen oder worüber am meisten gelacht wird.“ Einsam sei sein Job schon, gesteht der 44-Jährige. Alleine durch die Arbeitszeiten in aller Frühe. Zu Zeiten, zu denen sich andere noch mal im Bett umdrehen können, setzt sich Kramer an den Schreibtisch. „Dann brauche ich viel Ruhe und literweise Kaffee. Ich könnte nie in einem Großraumbüro arbeiten.“ Die beste Quelle für seine Gags: die Internetportale von „Bild“, „Spiegel“ oder „Focus“. „Mein Hauptjob ist, informiert zu sein.“ Schon der Blick auf den Aufmacher der „Bild“-Zeitung treibt ihm mindestens fünf brauchbare Gags ins Gehirn. „Ohne die ,Bild'-Zeitung wäre ich aufgeschmissen.“ Am Abend geht seine Suche nach Gags für die nächste Morgensendung weiter. Trotzdem bleibt dem Vater zweier Söhne noch Zeit für sein Hobby: die Musik. Mit seiner Band „La Banda“ stand Kramer als Bassist schon beim Stadtfest in Würzburg auf der Bühne.
Auch das Dschungelcamp ist eine Art Hobby des Gagschreibers. „Ich liebe diese Sendung“, sagt Kramer und schmunzelt. Seit zwölf Jahren ist er selbstständig und beliefert deutschlandweit Sender mit Gags. Zu seinen Kunden gehören – neben „Arno und der Morgencrew“ – RPR1 in Rheinland Pfalz, Radio Salü im Saarland, Hitradio RT1 in Augsburg und MDR Jump. Dabei hört er selbst kaum Radio, „höchstens B 5 aktuell“. Dafür gehört TV-Trash zu seinem Pflichtstoff: Dschungelcamp, Bachelor, Bauer sucht Frau, Topmodel. Familientauglich und nicht zu zynisch sollen die Gags sein. „Erlaubt ist, was Spaß macht und die Hörer zum Lachen bringt.“ Tabu sind Todesfälle und Katastrophen. Der klassische Moderationsgag, der sogenannte „Two-Liner“, funktioniert immer nach demselben Prinzip: Der Setup-Line mit der Aussage („Königin Beatrix dankt ab – . . .“) folgt die Punch-Line mit der Pointe („. . . aber sie ist ja mittlerweile auch in einem Alter, da würde Rainer Brüderle keine anzüglichen Bemerkungen mehr machen“).
Am liebsten lachen die Deutschen über Promis, die sich danebenbenehmen: Bettina Wulf, Klaus Wowereit, Rafael van der Vaart oder Peer Steinbrück standen in den letzten Wochen ganz oben auf der Liste.
Auch für das Fernsehen werden ständig Gagschreiber gesucht. Selbst Pop-Literat Benjamin von Stuckrad-Barre („Soloalbum) war als Autor der „Harald Schmidt Show“ einst Teil dieser Zuliefererindustrie. Doch nicht nur Comedians sind auf die Gagschreiber im Hintergrund angewiesen, sogar TV-Köche wie Horst Lichter oder Steffen Hensler arbeiten für ihre Shows mit professionellen Comedyautoren zusammen. Arbeitsmöglichkeiten gibt es also viele, wenn auch die Bezahlung unterschiedlich ist. „Bei Harald Schmidt wurden die Autoren pro gesendeten Gag bezahlt. Und es arbeitete ein ganzer Autorenpool für die Show“, weiß Kramer. Für seine Arbeit erhält er eine Tagespauschale, „zum Glück“.
Kramer lacht auch privat ganz gerne. Er mag die bayerische Kabarettistin Monika Gruber oder Günter Grünwald, Dieter Nuhr, Kurt Krömer und natürlich Cindy aus Mahrzahn. Auch über die amerikanische TV-Serie „Dr. House“ hat er sich amüsiert, besonders über Hauptdarsteller Hugh Laurie: „Genial, dieser Kerl!“ Kramer liebt es, mittels Assoziationen verschiedene Bereiche miteinander in Verbindung zu bringen: „Die van der Vaarts sollen sich versöhnt haben – wenn das stimmt, sind wohl etliche junge Blondinen umsonst nach Hamburg gezogen.“
Angst, mal keine kreativen Einfälle mehr zu haben, hat Kramer nicht. „Für mich ist der Job Routine geworden, ich schreibe einfach.“ Speziell für das Radio dürfen die Scherze nicht zu lang und nicht zu kompliziert sein. „Das Allerwichtigste bei einem Gag ist natürlich – er sollte nach Möglichkeit lustig sein.“
Arno und die Morgencrew
Die Morgensendung des Berliner Radiosenders 104.6 RTL ist die Mutter aller Radioshows. Sie wird wochentags von fünf bis zehn Uhr vormittags ausgestrahlt. Moderator der Sendung ist seit ihrem Start 1991 Arno Müller, der gleichzeitig auch Programmdirektor von 104.6 RTL ist. Die Sendung orientiert sich an amerikanischen Vorbildern und punktet mit viel Comedy und mehreren Moderatoren, Sidekicks, Verkehrsfliegern, Gewinnspielen, Hörerbeteiligungen sowie spektakulären Promotionaktionen, wie „Zertrümmere Dein Badezimmer“ oder „Ex oder Ehe“. „Arno und die Morgencrew“ wurde bereits mit einigen Rundfunkpreise ausgezeichnet. Der Kopf der Sendung, Arno Müller, erhielt 2012 den Deutschen Radiopreis für das „Lebenswerk Moderation“.
Was zum Lachen
Hier eine Auswahl von aktuellen Gags, die der Comedyautor Andreas Kramer in den vergangenen Tagen produziert hat:
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat jetzt Karnevalisten empfangen – es kamen ganz viele Närrinnen und Narren ins Kanzleramt – bisher nannte man das Kabinettssitzung.
Die niederländische Königin Beatrix dankt ab – eine etwas späte Reaktion auf das Vorrunden-Aus der Holländer bei der EM.
Microsoft-Gründer Bill Gates hat jetzt die SPD besucht – das war einer der ganz seltenen Momente, dass jemand bei der SPD war, der mehr Geld auf dem Konto hat als Peer Steinbrück.
Prinz Willem-Alexander wird bald König in Holland – den kennen wir ja alle, das ist das Gesicht vorne auf dem Brandt-Zwieback.
Prinz Willem-Alexander wird der jüngste König Europas – er hat eine so lange Regentschaft vor sich, er könnte mit etwas Glück noch erleben, dass der Berliner Flughafen eröffnet wird.
Dortmund-Trainer Jürgen Klopp hat sich jetzt die Haare kurz schneiden lassen, oder wie man im Fußball sagt – keine hängenden Spitzen (und hinten steht null).
Am 22. September ist Bundestagswahl – da kann jetzt Peer Steinbrück in Ruhe Urlaub ab dem 23. buchen – jetzt gibt es noch Frühbucherrabatt.